Die Herrscherinnen der Kupferzeit

Die Ausgrabung ist erfolgreich verlaufen. Das Gräberfeld bei Valencia hat einen neuen Fund hinzubekommen, das Grab 10.049. Es ist das Jahr 2008 als das Forschungsteam aus Sevilla hier Untersuchungen macht und zufrieden ist: Ein reicher Mann der Kupferzeit wurde gefunden. Ein Anführer? Ein Priester? Das ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Doch gut 15 Jahre später zeigt sich: In diesem Grab lag eine Frau.

Also was wurde eigentlich gefunden?

Bei der Grabstätte handelt es sich um ein Megalithgrab, also ein Grab aus großen Steinen gebaut. So ein Grab bedeutete in der Kupferzeit einen großen Aufwand. Man hat dieses Grab anscheinend nur für diese Person gebaut, auch wenn später noch eine Nachbestattung hinzukam. Und das Grab wurde reich ausgestattet – Sehr reich sogar.

Man sieht ein schlüssellochförmiges Grab im Grundriss. Die Wände bestehen aus großen Steinen. Und es gibt viele Objekte, die Tote Person scheint an einen Elefantenstoßzahn gekuschelt zu liegen.

Zeichnung vom Frauengrab so wie es gefunden wurde (Bild: Miriam Luciañez Triviño).

Nicht nur Werkzeuge fanden sich hier – auch große Mengen Cannabis sowie Wein und Objekte, die von weither stammen. Ein Dolch mit einer Bergkristallklinge zum Beispiel, Funde aus Bernstein, oder auch ein 1,8 kg schweren Stoßzahn eines Afrikanischen Elefanten. Alles fein säuberlich um den verstorbenen Menschen herum drapiert. Aber woher hatte ein Mensch aus der Zeit zwischen 3200 – 2200 v. Chr. Gegenstände aus so weit entfernten Regionen?

Wie lebte diese Frau?

Vermutlich wurden all diese kostbaren Objekte bis nach Valencia gehandelt. Denn aktuelle Isotopenanalysen zeigen: Sie selbst hat ihr ganzes Leben in dieser Region verbracht – ist also selbst nie gereist oder gewandert. Die Objekte sind also zu ihr nach Valencia gekommen. Und sie war nicht die einzige reiche Person. Vielmehr scheint es so zu sein, dass man in der kupferzeitlichen Gesellschaft auf der iberischen Halbinsel Status und Reichtum erbte. Denn: es gibt ebenso reich ausgestattet Kindergräber.

Befundaufnahme mit Vergrößerungen der Funde. Ein Flintdolch, Abschlag klingen, Nussschalen, eine Keramikplatte eine weitere Keramik und ein Stoßzahn.

Ein näherer Ausschnitt mit den Funden. Auf der Keramikplatte lag Cannabis, und der Stoßzahn ist offensichtlich sehr genau am Kopf der Toten platziert und auch ein sehr schöner Dolch aus Flint ist unter den Funden (Bild: Miriam Luciañez Triviño).

Und Kinder sind einfach noch nicht in einem Alter, wo sie sich diesen Reichtum selbst hätten erarbeiten können. Es gibt Forscher, die sagen, dass Megalithik ein Hinweis auf eine Hierarchie ist. Weil man einen Anführer bräuchte, um ein so großes Bauwerk zu errichten. Aber ich persönlich glaube, dass man sich auch gemeinschaftlich dazu entschließen kann ein aufwändiges Bauwerk zu bauen. Ein Hinweis auf eine Hierarchie ist in diesem Fall aber eine klare Differenzierung der Gesellschaft anhand der Beigaben in den Gräbern.

Und warum nahm man lange an, es sei ein Mann im Grab?

Das ist forschungsgeschichtlich begründet. Bei reichen Bestattungen haben wir im Studium und auch gesellschaftlich gelernt, schnell von einem Anführer oder etwas vergleichbaren auszugehen. Dass es auch eine Frau sein kann, ist tatsächlich möglich – Aber: Es wird eher selten von vornherein davon ausgegangen, dass es sich um eine Frau handeln könnte. Ein Tunnelblick der Forschung. Das Problem bei diesem Grab war der schlechte Erhaltungszustand der Knochen. Man konnte hier kaum

Weitere Funde aus dem Grab in Bezug auf die Befundzeichnung. Ein Dolch aus Bergkristall, verzierte Stoßzähne, weitere Platten für Cannabis einer und weitere Flintgeräte.

Unter den weiteren Funden war sogar ein Dolch aus Bergkristall dabei (Bild: Miriam Luciañez Triviño).

Untersuchungen vornehmen – eigentlich nur das Alter der Person auf 17 – 25 Jahre schätzen – und auch keine DNA gewinnen. Doch mittlerweile hat sich das Analyseverfahren verbessert. Die Tote hatte Zahnstein und in den letzten Jahren hat sich die Zahnsteinanalyse stark verbessert. Sosehr, dass man nun auch DNA-Analysen vornehmen kann. So ist es möglich, das Geschlecht doch noch zu bestimmen – und das sogar im Falle von Kindergräbern, eine Untersuchung, die vor kurzem noch undenkbar war. Als nun klar war, dass es sich um eine Frau handelt, stellte sich nun die Frage:

Waren weibliche Anführer normal, oder ist es hier eine Frau in einer Männerrolle?

Per DNA bestimmt man das biologische Geschlecht. Nicht aber die soziale Rolle einer Person, oder das Geschlecht, das eine Person lebt. Handelte es sich vielleicht um eine nichtbinäre oder Transperson, die aufgrund ihrer hohen Geburt an eine Chefposition kam. Oder aber: War es eine Anführerin, die hier gefunden wurde? Dazu lohnt sich eine Betrachtung der umliegenden Gräber, um diesen Befund mit der dazugehörigen Gesellschaft im Zusammenhang zu betrachten.

Ein Lebensbild mit einem Blick in ein Kupferzeitliches Haus. Eine Frau thront, während andere sie umgeben.

Ein Blick in eine mögliche Lebenswelt in der Kupferzeit, mit der Frau als Anführerin (Bild: Miriam Luciañez Triviño).

Und in einem sehr reich ausgestatteten Nachbargrab fanden sich 20 Skelette von Personen, die ebenfalls reich ausgestattet waren, aber etwa 2 – 3 Generationen nach der Frau aus Grab 10.049 lebten. Bei der Untersuchung dieser zwanzig Personen, die dem Grabinventar nach ebenso reich und mächtig waren, nur etwas später lebten, führte man ebenso Geschlechtsbestimmungen durch. Bei 5 Personen war diese leider nicht möglich. Aber die anderen 15 konnte man bestimmen. Das Ergebnis: Auch sie waren alle biologisch Frauen. Und: Einige waren besonders – zum Beispiel gab es eine Frau mit einem Gendefekt, der dazu führte, dass sie an jedem Fuß 6 Zehen hatte.

Und was heißt das jetzt?

Wir verstehen das soziale Gefüge der Menschen der Kupferzeit auf der Iberischen Halbinsel jetzt deutlich besser. Es gab einen ererbten Status, der dem Anschein nach von Frauen dominiert war – Es gab also besondere Frauen, die vielleicht charismatisch oder besonders klug gewesen sind. Sie waren politische Anführerinnen – oder vielleicht waren sie auch spirituelle bzw. religiöse Anführerinnen – in irgendeiner Weise eben Promis ihrer Zeit. Es gibt Überlegungen für eine Kultur, die in einer Art Matriarchat lebte.

Zeichnung von Goldie Nagy 2020. Eine Familie. Ein Man und ein Junge aus dem 19ten Jahrhundert, haben sich mit weiteren Familinmitgliedern zu einem Familienfoto Aufgestellt. Neben ihnen sitzt eine Frau, dirch die ein Blitz geht. Auf der anderen Seite Des Blitzes handelt es sich um eine Steizeitfrau. Ein weiterer Mann und ein Weiteres Kind haben sich auf disr Seite ebenfalls zum Famlilienfoto aufgestellt. Doch leben sie in der Steinzeit.

Es ist die immer gleiche Geschichte, dass wir seit 150 Jahren versuchen unsere Welt in ferner Zeit wiederzufinden. Das führt unweigerlich zu Fehlern (Bild: Goldie Nagy).

Auch wenn man dafür noch mehr Daten bräuchte, wie beispielsweise eine Analyse der Wohnfolgeordnung. Es zeigt aber auch den Tunnelblick, mit dem wir Archäologie betreiben. Ein reiches Grab macht noch keinen reichen Mann. Es macht in erster Linie eine reiche Person. Und vielleicht würde es schon helfen, wenn wir – solange wir das Geschlecht noch nicht Zweifelsfall bestimmt haben, in Zukunft von Personen und Menschen sprechen – denn das wäre akkurat und wir würden nicht plausible Möglichkeiten von vornherein ausschließen. Und Geschlechterrollen sind in verschiedensten Kulturen ganz unterschiedlich ausgeprägt – manchmal gibt es auch mehr als 2 – und das heißt wiederum: bevor wir es nicht untersucht haben, wissen wir halt nichts über das soziale Gefüge einer lang vergangenen Zeit.

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Literatur:

https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/grabfund-der-kupferzeit-maennliches-oberhaupt-war-in-wirklichkeit-eine-frau/

https://www.nature.com/articles/s41598-023-36368-x

https://www.smithsonianmag.com/smart-news/ivory-lady-copper-age-spain-180982500/