Warum Menschen verschieden groß sind

Wenn wir heute durch die Straßen gehen, und uns unsere Mitmenschen ansehen, werden wir feststellen, ja es gibt kleine Männer, aber es gibt häufiger kleine Frauen. Und Frauen sind meist generell kleiner als Männer – aber nicht immer. Menschen in Nordeuropa sind dabei häufig etwas größer als Menschen im Mittelmeerraum – und viele weitere Vergleiche dieser Art sind möglich. Die Frage, die sich dabei stellt, ist: Warum ist das so?

Von Genetik und Kultur der Körpergröße

Wie groß wir werden können, ist genetisch festgelegt. Es liegt an unserer DNA. Aber: es handelt sich dabei um eine Maximalgröße. Es kann gut sein, dass du kleiner bist, als es dir deine genetische Veranlagung theoretisch ermöglichen würde. Da gibt es verschiedene Faktoren, die darauf einwirken. Mangelernährung in der Kindheit zum Beispiel. Oder auch schlimme Lebensumstände. Traumata oder Krankheiten. Es gibt sogar Krankheiten, wie die Rachitis, die einen Knochenbau im Wachstum verformen

DNS Symbolgrafik

können. Und es gibt das Phänomen der Epigenetik. Dabei wird eine Art Notprogramm ausgelöst. Wenn deine Mutter in einer Notzeit jung war, kann es sein, dass du deswegen nicht besonders hochgewachsen bist – um Energie zu sparen. Die Genetik ist also nicht das einzige, was eine Körpergröße beeinflusst. Es ist eine Kombination aus Faktoren, die durch die Umgebung entstehen. Eine Körpergröße kann also auch ein kultureller Marker sein. In der Archäologie stellt sich also immer die Frage:

Warum sind Menschen unterschiedlich groß?

Dazu gibt es mittlerweile verschiedene Forschungen. So zeigten Untersuchungen, dass man in der mitteleuropäischen Bronzezeit beobachten kann, dass Frauen generell kleiner sind als Männer. Das korreliert mit einer tendenziell eher bei Frauen ausgeprägten Mangelernährung. Deswegen geht man hier derzeit von einem Zusammenhang aus, der zeigt, dass Frauen benachteiligt wurden. Untersuchungen anderer Zeiten orientieren sich an ähnlichen Ideen. So wird derzeit in eineigen Forschungen davon ausgegangen, dass sich die Intensität der Gleichstellung von Mann und Frau an der Körpergröße abzeichnet.

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Menschen im Frühmittelalter in Skandinavien alle ungefähr gleich groß sind und dass auch die Ernährung keine geschlechtsbezogenen Unterschiede aufweist, daraus wird ein höherer Grad der Gleichberechtigung abgeleitet. Gleichzeitig sieht das im sächsischen Raum aber ganz anders aus. Hier gibt es beide feststellbaren Unterschiede, zu Ungunsten der Frauen, was für eine Benachteiligung dieser Gruppe spricht. Doch die Forschung geht immer weiter und es zeigt sich: Zwischen Kultur und Biologie muss es nicht unbedingt einen Zusammenhang geben:

Ein Blick in die Jungsteinzeit

1.535 Skelette wurden für eine Studie über die Jungsteinzeit untersucht. Diese Menschen lebten zwischen 6.000 und 4.000 v. Chr. – ihre Knochen wurden bzgl. Auffälligkeiten wie Mangelernährung betrachtet. Vor allem wurde die Körpergröße gemessen. Besonders signifikant, bei diesen Untersuchungen: Die Größe des Femurs, das ist der Oberschenkelknochen. Denn der lässt sich besonders gut vermessen. Dann wurde die DNA untersucht. Hier wurde vor allem das genetische Wachstumspotenzial betrachtet und natürlich das biologische Geschlecht analysiert.

Ein Plastikskelett sitzt in einem Bücherregal vor ganz vielen Archäologiebüchern. Das Skelett hält eine Schädeldecke in der Hand.

Zum Lernen von Knochen bezogenen Themen kann ich übrigens immer empfehlen, ein Plastikskelett zur Hand zu haben. Man kann sich das alles dann nämlich viel leichter vorstellen.

Das Ergebnis war: In der Linearbandkeramischen Kultur gab es einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus. Das heißt: starke biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Es zeigte sich: Der Femur eines Mannes war im Durchschnitt 14 % größer als der, einer Frau. Schaut man auf gleichzeitige Knochen aus dem Mittelmeerraum, liegt der Unterschied hier bei nur 5 %. Es gab in dieser Zeit also einen signifikanten interkulturellen Unterschied. Doch die Überraschung war: Die Menschen blieben unter ihrer genetisch verankern Körpergröße, auch dann wenn sie nicht an Mangelernährung litten. Das gilt für alle Menschen die untersucht wurden. Es ließ sich aber eines Zeigen:

Mangelernährung in der Kindheit hat einen größeren Effekt auf den weiblichen Körperwuchs hat, als auf den männlichen. Um das festzustellen, wurde der Zahnschmelz untersucht, der sich, wenn eine Mangelernährung in der Kindheit besteht, anders entwickeln kann. Man konnte bei diesen Untersuchungen auch zeigen, je nördlicher Menschen in dieser Zeit lebten, um so eher erlebten sie Mangelernährung. Doch: Nur in 25 % der Fälle konnte die letztendliche Körpergröße, die die jeweilige Person hatte, auf die genetische Ausstattung zurückgeführt werden. Äußere Umstände können also ein starker Faktor bei der Ausprägung einer Körpergröße sein. Die Frage ist also: Welche kulturellen Faktoren führten dazu, dass Menschen aufgehört haben zu wachsen? Hierzu:

Ein Blick in die Lebenswelt der Menschen in der frühen Jungsteinzeit

Die Skelette, die untersucht wurden, gehören zu Menschen, die in einer ganz besonderen Zeit gelebt haben. Die Idee der Sesshaftigkeit, der Ackerbau, oder anders gesagt, die Grundlagen für das Leben, dass wir heute kennen, wurden in dieser Zeit in Europa gelegt. Diese Phase begann in Mesopotamien und breitete sich nach und nach über Europa aus. Doch es hatte sich alles in eher warmen Gebieten entwickelt. Im viel kälteren Mitteleuropa waren einige Aufgaben also ungleich schwerer zu bewerkstelligen.

Hunderte Steinbeile, alle schräg angeordnet in einer Wand, damit es aussieht, als ob es regnet.

Man hat damals die Erde mit Hacken aufgeschlagen um die Saat aus zu sähen (Bild ist im Landesmuseum in Halle entstanden).

Den Ackerbau gab es schon, aber der Pflug war noch nicht erfunden. Man musste also die Erde aufhacken. Und so war es in vielen Lebensbereichen. Es mussten sich viele Kulturtechniken, die das Leben einfacher machen, erst noch entwickeln. Die Menschen lebten also körperlich anstrengende Leben. Und zwar alle. Knochenanalysen zeigen, die Frauen vor 6.000 Jahren hatten einen Körperbau der kräftiger war, als der Körperbau heutiger Olympiaruderinnen. Es mussten also alle anpacken. Eine einzelne Gruppe dabei gezielt zu vernachlässigen, macht in dieser Hinsicht gar nicht mal soviel Sinn. Aber vielleicht macht es Sinn, eine Bevölkerungsgruppe besonders zu fördern.

Ein frühes Patriarchat in der Jungsteinzeit?

Vielleicht liegt alles auch an der Idee, dass manche Menschen, die tendenziell besonders groß werden, also Männer, gezielt fördert, damit man eine besonders starke Arbeitskraft hat. Die Gesellschaft, die wir heute mit der Linearbandkeramik definieren, war eine patrilokale Gesellschaft. Das bedeutet: Der Mann war der Erbe von Land und Eigentum und die Frau zieht im Falle einer Ehe zu ihm hin. Man kann sehen: Frauen wandern. Sie ziehen in das Dorf ihres Gatten. Die Frage ist: Wie alt waren die Frauen, wenn sie ihre Familie verlassen haben, um eine Ehe in einem anderen Dorf einzugehen?

Eine Gruppe Frauen läuft im Gänsemarsch durch die Natur. Sie tragen Kleidung aus einfachn Stoffen und Fell.

Symbolbild eine wandernde Frau in der Vorgeschichte. (Foto: ©Jens Boeck, Ausschnitt aus der TV-Doku “Mächtige Männer – Ohnmächtige Frauen?” Neue Fakten aus der Vergangenheit”, von ZDF Terra X).

Denn das hat Einfluss aus das Wachstum. Das Trauma, dass es bedeutet, die Familie zu verlieren, in einer neuen ungewohnten Umgebung, mit fremden Menschen zu leben. Vor allem aber: wenn man schon im Teenageralter ein Kind bekommt, also bevor man selbst ausgewachsen ist, dann ist das anstrengend für den Körper. Er kann auch deswegen aufhören, zu wachsen. Auch das kann einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Körpergröße der Frauen haben.

Ist das der Weisheit letzter Schluss?

Tatsächlich merkt ihr, für das biologische Phänomen der unterschiedlich ausgeprägten Körpergröße gibt es verschiedene kulturelle Erklärungen. Welche davon wirklich stimmt, ist schwer zu ermitteln. Wir sehen zwar die DNA, aber auch die Kultur prägt den Körperbau von Menschen. Das Heißt: Kulturelle Rückschlüsse auf eine Gesellschaft zu ziehen, ist schwierig, denn natürlich könnte die Antwort auf die Frage nach dem nachgewiesen Geschlechtsdysmorphismus des jungsteinzeitlichen Körperbaus in Mitteleuropa auch ein ganz andere sein.

Das Wort Neolithikum

Denn es gibt eine Vielzahl an Gründen, warum ein Körper eine bestimmte größe erreicht hat. In der Forschung selbst geht man davon aus, dass noch viel mehr Skelette so aufwändig untersucht werden müssen, um die Rekonstruktion dieser Gesellschaft valider zu gestalten. Denn der betrachtete Zeitraum und die beobachteten Regionen sind sehr groß, sodass man im Grunde genommen erste eine vergleichende Betrachtung von Einzelfällen gemacht hat.

Und was lernen wir durch diese Untersuchung?

Es gibt viele Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, wie hoch ein Körper wächst. Ältere Forschungen, wie die über die frühmittelalterlichen Frauen und die über bronzezeitlichen Frauen müssen also noch einmal überprüft werden. Die Körpergröße an sich ist aber auch durch die genetische Herkunft bestimmt. So waren die Menschen der Linearbandkeramik generell kleiner als wir heute – durch die Wanderungsbewegungen der letzten Jahrtausende sind heutige Mitteleuropäer mit diesen Menschen nahezu kaum verwandt.

Dieser Unterschied hat also einen tatsächlichen genetischen Hintergrund. Aber: Nicht alle Faktoren sind genetisch. Die kulturellen Einflüsse auf unsere Körper können ganz unterschiedlich sein und wirken sich sogar auf unsere Knochen aus. Und das heißt: manchmal sind unsere als Biologisch wargenommenen eigenschaften weniger genetisch als mehr kulturell geprägt. Die Übergänge dazwischen sind fließender als landläufig angenommen.

Und wenn du jetzt denkst – Spannend, das hätte ich ohne Miss Jones nicht gewusst, dann schicke ihr doch ein Trinkgeld mit diesem Paypallink, für weitere spannende Geschichten.

Literatur:

https://www.nature.com/articles/s41562-023-01756-w.epdf?sharing_token=hKELKrnaFlGTW6Vs1Zhs-9RgN0jAjWel9jnR3ZoTv0PBSdZejPP5d5Oyo5ba2mo-Fak9_emjeElVwxsiryxOOySytRZcXpsQzQ_FmLrWak4AtJ90Sv8c7IQScRk64_xFcFWkJvIxp2sCSdsbbw3Dj1KVsxlEVndiPVt9ILoPS2S2Uc7hMJr18LS5lSMQnXAQy7Uz2ooqZiQcPfD-KaKh_20fPKE3MXXkySlHqBU0EL4Jk9ZJzV7qn-xAJWtZYuG11ksjEvJ3tS7MBNoBeTM8I4jSXWgZU-KjKX7K9PCLLPD6nUiSRz7W0Vg0Bu9bXIDC&tracking_referrer=www.spektrum.de

https://ojs.ub.uni-potsdam.de/ojs/index.php/hbph/article/view/20/18

https://www.spektrum.de/news/europaeische-jungsteinzeit-grosse-maenner-kleine-frauen/2200871

https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/geschichte/id_83268484/steinzeit-frauen-waren-wahre-muskelwunder.html

Epigenetische Manipulation der Körpergröße