Über den Dächern Berns – Der Münster und sein Turm

Wasserspeier in form eines Geier oder Eulenartigen Vogels. Der Wasserspeier gehört zu der Aussenmauer des Berner Münsters.

Ein Wasserspeier am Berner Münster (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Das ist nichts für jemanden mit Platzangst, denke ich, als ich die schmale Wendeltreppe im Münsterturm betrete. Schritt um Schritt nähere ich mich dem Himmel. Steil ist er, der Aufstieg auf den Münsterturm. Irgendwann öffnen sich Fenster in eine Richtung. Stockwerk für Stockwerk schraubt sich der Überblick über die Stadt in die Höhe. Am Ende stehe ich auf einer Plattform.

Das Berner Dächermeer vom Münsterturm aus fotografiert. In der Mitte der rot gedeckten Dächer prangt die Zytglogge.

Aus dem Dächermeer ragt die Zytglogge heraus (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Die Aussicht ist wunderbar. Und auch wenn es an diesem Tag regnet, kann man bis zu den Alpen sehen. Auf Augenhöhe mit den frisch restaurierten Wasserspeiern, sieht die Welt ganz anders aus. Das grüne Wasser der Aare rauscht um die Stadt herum. Menschen, so groß wie Spielfiguren, laufen durch die Gassen und verschwinden in den Arkaden. Die gesamte Altstadt lässt sich beobachten. Ihre Dächer glänzen im Regen, was diese Stadt selbst bei grauem Wetter schön aussehen lässt.

Das Berner Dächermeer vom Münsterturm aus gesehen. Die Aussicht fällt in Richtung Aare. Der grüne Fluss wird von einer hohen Metallbrücke überquert.

Die Aare wird von einer hohen Brücke überquert (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ich drehe mich herum und betrachte den Münster aus nächster Nähe. Er ist edel, aber schlicht. Das liegt nicht nur daran, dass die Einrichtung dem Bildersturm zum Opfer gefallen ist. Der Münster ist ein Zeichen der Berner Unabhängigkeit von der Diözese Lausanne. Um dieses Zeichen zu setzen, war er zeitweise das längste Gotteshaus der Schweiz. Heute hat der Kirchbau mit 100 m den höchsten Turm. Allerdings waren zu Beginn dieser Unabhängigkeit die Kassen leer, sodass beim Bauen gespart werden musste.

Bern von oben. In einer langen Straße ist in Markt zu sehen. Er verschwindet in einem roten Dächermeer.

Vom Turm aus hat man einen grandiosen Blick über die UNESCO-geschützte Altstadt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Der Grundstein wurde bereits 1421 gelegt. Der erste Baumeister, Matthäus Ensinger, verwirklichte sich später auch am Ulmer Münster, was die massive Ähnlichkeit der beiden gotischen Gotteshäuser erklärt. Das Gebäude wurde im Uhrzeigersinn um die bestehende Leutkirche herum gebaut. Aber ungefähr 10 Jahre später musste der Bau zum ersten Mal unterbrochen werden. Der Boden sackte ab, und ein bedrohlicher Riss durchzog das Gebäude. Erst nachdem das Fundament stabilisiert wurde, konnte weiter gearbeitet werden.

Buntglasfenster aus dem Münster von Bern. Es zeigt einen Totentanz.

Eine der ältesten erhaltenen Fenster zeigen einen Totentanz (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

1484 bekam Bern schließlich ein eigenes Kirchenrecht. Doch schon wenige Jahrzehnte später wütete der Bildersturm in dem Gebäude – ein Ereignis, dem denn später mit einem Bildnis gedacht wurde. Zahlreiche Kunstgegenstände wurden hierbei zerschlagen und entwendet. Die Fenster wurden zwar in Ruhe gelassen, aber bis auf wenige Ausnahmen in einem späteren Hagelsturm zerstört. Einige wenige Fenster gibt es heute noch. Bei dem hier gezeigten Fenster handelt es sich um ein Totentanzfenster. Ein generell eher seltenes Fenstermotiv. Es gibt zwar noch andere Totentanzfenster, aber nicht viele. Die meisten stammen aber auch erst aus dem 20. Jahrhundert, sind also sehr viel jünger. Ein bekannteres, etwa gleich altes Tontanzfenster, stammt aus Lübeck, wurde aber im Krieg zerstört. Dieses Totentanzfenster wurde ebenfalls erst im 20. Jahrhundert von Eduard von Rodt, nach Entwürfen von Niklas Manuel gefertigt. Das oben gezeigte Wappen ist auch das Familienwappen der Manuels. Das Fenster wurde zwischen 1516 und 1519 entworfen, und wirkt im Münster heute etwas deplatziert, weil es stilistisch anders gestaltet ist, als viele andere Bauelemente.

Das Berner Münsterportal aus einer Froschperspektive. Zu sehen ist der vorgelagerte Schutzzaun, dahinter liegen bunte Figuren, viele sind mit Gold bemalt.

So schmuckvoll wie das Portal war vmtl. einmal der gesamte Innenraum des Münsters (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

1986 wurden über 500 Bruchstücke der originalen Skulpturen bei Sanierungsarbeiten am Münsterfundament gefunden. Sie sind heute im Bernischen Historischen Museum ausgestellt, welches sich diesem Thema ausgiebig widmet. Hier finden sich auch die Originale des gotischen Kirchenportals, das am Münster selbst nur als Replik zu sehen ist. Eine gute und sehr detaillierte Aufarbeitung der archäologischen so wie der kunsthistorischen Untersuchungen kann man in „Der Berner Skulpturenfund: die Ergebnisse der kunsthistorischen Auswertung von Franz Josef Sladezek nachlesen.“ Eine besondere Geschichte lässt sich über einige Figuren erzählen, welche nach der Reformation ausgetauscht wurden, damit das Monsterportal den neuen religiösen Anforderungen entspricht. Ein Beispiel dafür ist die Darstellung der Justitia.

Das Berner Münsterportal mit Fokus auf die Figur der Justitia

Die Justitia mit dem Schwert steht auf dem vorderen Sockel (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Im Winter 1561 wurde in der Kathedrale von Lausanne der Altar entwendet. Am 4ten Februar traf das 2,5 Tonnen schwere Granitkunstwerk auf Schlitten geladen, im c.a. 90 km entfernten Bern ein. Seither steht der Altar im Berner Münster. Er ist eines der Symbole Berns als aufstrebende Stadt im 16ten Jh., welche sich gegenüber Lausanne mehr und mehr unabhängig macht.

Das Portal des Berner Münsters, es ist gerahmt mit Sandsteinfiguren, die goldene Flügel haben, in der Mitte ist ein farbenfrohes Bild mit vielen Bibelszenen.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

1592 wurde der Bau des Münsters dann gestoppt, denn der Baumeister Daniel Heintz war verstorben. Erst 1893 wurde der Schlussstein des Turmes gesetzt. Der Münster ist aus dem weichen Sandstein der Umgebung gebaut, und deswegen laufend der Erosion Preis gegeben. Das Gebäude ist dadurch zu Dauerrestaurierung verdammt.

Der Berner Münster in der Frontansicht.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Heute ist der Münster eines der Symbole der Berner Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Aber eine Frage über dieses Kulturerbe frage ich mich bis heute: wie war es möglich, unbemerkt einen 2,5 Tonnen schweren Altar aus einer Kathedrale Lausanne zu stehlen!?

Anmerkung: Bevor du jetzt Person 300 bist, die mir eine wütende Mail darüber schreibt, dass es „das Münster heißt“. Nein, du liegst falsch! „Der Münster“ ist genauso richtig, guck selber in den Duden, bevor du mich anpöbelst: https://www.duden.de/rechtschreibung/Muenster_Kirche

Literatur:

Mojon, Luc Mojon: Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern. In: Kunstdenkmäler der Schweiz Bd. 4 Das Berner Münster, Basel 1960.

https://www.bernermuenster.ch/de/berner-muenster/muensterbau/rundgang-aeusseres.php

https://www.totentanz-online.de/laender/verzeichnis-ch.php?fbclid=IwAR0gSfr1BhEu_wWCzPz8a3Exab1I0qcoYqIRwdSRtMpAJERueK274OIiM34

6 Gedanken zu „Über den Dächern Berns – Der Münster und sein Turm

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