Jordanien: Peinliches Posing in Petra

Die Presse überschlägt sich stellenweise. »Noch nie wurde etwas Vergleichbares gefunden« Zitat Spiegel. „Es war wirklich einer dieser großartigen Momente, in dem die Geschichte die Kunst nachahmt“, sagte Josh Gates über einen Krug, der dem Heiligen Gral aus Indiana Jones ähnelt, es geht um neue Funde in Petra, die alles in einem anderen Licht erscheinen Lassen – doch leider wirkt alles seltsam gestellt. Was ist passiert? Aber erst einmal:

Was ist Petra?

Bei Petra handelt es sich um eine archäologische Stätte in Jordanien. Sie gilt als eines der neuen sieben Weltwunder und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Es handelt sich um eine Siedlung der Nabatäer, die in einem Tal namens Siq gelegen ist. Die Stadt ist dafür bekannt, das riesige schmuckvolle Architekturen in den felsigen Sandstein geschlagen wurden. Die Kultur, die dies geschaffen hat waren die Nabatäer. Eine nomadische Wüstenkultur, welche durch Handel reich wurde und die sich mit Petra einen günstig gelegenen Ort ausgesucht hat. Bei Analysen der Siedlung fällt auf, das einige Merkmale einer Stadt fehlen.

Blick durch die Schlucht Siq. Es ist hoch und dunkel und am Ende tauchen die Schämen eines Tempels auf.

Die Schlucht Siq (Bild: Rolfcosar (CC BY-SA 4.0)).

Beispielsweise gibt es keine Stadtmauer und viel zu viele Kultbauten. Deshalb gibt es auch die Meinung den Begriff Stadt für diese Stätte ablehnt. Dennoch: Es gibt hier auch Wohnbebauung. Bei dieser kann man beobachten – die frühen Häuser aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. haben eine viel schlechtere bauliche Qualität, als später gebaute Häuser. Vielleicht sind das Spuren einer Kultur, welche sich von einer nomadischen langsam auf eine sesshafte Lebensweise umgestellt hat. Im 2. Jahrhundert n. Chr. wird die Region römisch – und in dieser Zeit verliert Petra an Bedeutung.

Frontansicht vom Tempel Khazne al-Firaun, davor Kamele.

Das kennt ihr vmtl. alle aus Indiana Jones (Bild: Graham Racher (CC BY-SA 2.0)).

Was geblieben ist, sind die monumentalen Architekturen, welche in die Felswände geschlagen wurden. Sie zeigen teils deutliche Spuren davon, das sie von anderen Kulturen inspiriert wurden – beispielsweise wirkt alles etwas hellenistisch. Die Tempel strömen bis heute eine faszinierende Atmosphäre aus – und vielleicht wurden sie auch deshalb zur Kulisse im Indiana Jones Film, „Der Letzte Kreuzzug“.

Ah es geht um diesen Felsentempel – und da wurden jetzt neue Entdeckungen gemacht?

Ja und Nein. Im Frühling 2024 gab es hier eine geomagnetische und eine geoelektrische Prospektion. Das sind beides Methoden, bei denen der Boden mit Messgeräten untersucht wird, die zum Beispiel zeigen können ob Anomalien oder auch Hohlräume im Boden sind. Man wusste nämlich von Ausgrabungen 20 Jahre zuvor, das es hier unterirdische Grabanlagen gibt. Diese sind teils gewaltig. Teils sind sie aber auch gefährdet. Das Tal Siq ist nämlich durch Starkregen in den Fels gespült worden. Und es gab in den letzten Jahren hier wieder vermehrt Starkregen.

Der Tempel. Davor ist ein Mann von hinten zu sehen. Er, zieht ein Gerät über den Boden.

Eine der Untersuchungen von Robert Bates. Er misst gerade den Boden (Bild: University of St. Andrews).

Um zu prüfen ob der Starkregen möglicherweise langfristig Schaden verursacht – also ob z.B. Loch in den Boden reißen könnte – in das jemand einbrechen könnte –  wurde der Untergrund untersucht. Hier gibt es schließlich viele Touristen, und die sollen nicht gefährdert werden. Und es wurde so auch geguckt, ob evtl. Funde in Gefahr sind. Einige Monate später hat der durchführende Archäologe Robert Bates dann ein Analysebild veröffentlicht. Das Bild zeigt: Es gibt noch viele unterirdische Kammern, und einige Kammern liegen tiefer als man zuvor dachte. Weitere Untersuchungen sollten folgen.

Sind das die bahnbrechenden neuen Erkenntnisse?

Nein. Es hat wohl Untersuchungen gegeben, die Frage ist aber welcher Art sie sind. Denn publiziert ist bei Redaktionsschluss nichts weiter als Presseerklärungen – dazu muss man anmerken, dass die Untersuchungen auch erst wenige Wochen zurück liegen. Aber, die Presseerklärungen sind seltsam sensationistisch. Die beteiligten Institutionen sind das American Center of Research (Acor) und die St.-Andrews-Universität, sowie der Discovery Channel. Sie sprechen von einem Fund von 12 Skeletten in unterirdischen Grabkammern direkt links vor dem berühmten Khazne al-Firaun Tempel aus den Indiana Jones filmen. Es seien Menschen verschieden Geschlechts und Alters gefunden worden und einer hatte, wie kann es auch anders sein, den heiligen Gral in der Hand.

Ein Keramikbecher zwischen zwei Steinen. Er ist pokalförmig. Ein halbrunder Kelch mit einem runden Standbein, und einem runden Standfuß. Der Kelch ist aus Ton, offensichtlich Drehscheibenkeramik und hell terrakottafarben, nicht verziert oder glasiert.

Ein Gefäß – aber kein Heiliger Gral (Bild: Universitiy of St. Andrews)

Okay, zugegeben, die Presseerklärung legt es nur nahe, dass das so ähnlich aussieht wie in dem Indiana-Jones-Film. Josh Gates aber, der für den Discovery Channel vor Ort war, dreht es quasi um. Er sagt, der Film hätte die Archäologie quasi überholt. Dabei sehen sich die beiden Becher aus der Sicht einer Person, die schon viele prähistorische Keramik gesehen hat, gar nicht so ähnlich – solche kelchähnlichen Becher mit Standfuß gibt es auch schon sehr lange in der Menschheitsgeschichte, es ist also nicht allzu besonders. Als der Film gedreht wurde, haben die Kulissenbauer sich an archäologischer Keramik orientiert, um ihren Heiligen Gral zu gestalten. Der jetzt gefundene Becher ist schlichtweg und einfach ein Becher aus der Zeit der Nabatäer. Und mit Sicherheit kein Gral.

Aber ist es nicht seltsam, das das Skelett ihn in der Hand gehalten hat?

Nicht, wenn man das fälscht. Und ganz ehrlich, in den Medien steht etwas von „Fest umklammert“. Wie soll ein Skelett etwas fest umklammern? Wenn ein Mensch skelettiert ist, heißt das, die Muskeln die etwas umklammern können, gibt es nicht mehr. Handknochen sind außerdem sehr filigran. Sie werden oft bei der Grabung bewegt. Und zwar ganz ausversehen.

Ein rot gefärbter Menschenschädel, der leicht eingedrückt wirkt, schaut aus rosaroter Erde hervor.

Schädel aus einem der Gräber (Bild: Josh Gates).

Schaut man sich die Bilder der Skelette an, so sind sie nicht unbedingt in einem guten Zustand. In den Berichten steht zum Teil sogar etwas von Schimmel. Viel mehr würde ich also sagen, der Becher wurde im besten Falle bei der Bestattung einfach in der Nähe der Hand niedergelegt, als Beigabe. Genauso wie andere Grabbeigaben auf diesem Fundplatz. Im schlechtesten Falle, war der Becher nicht einmal in diesem Grab. Wie ich darauf komme, obwohl ich nicht da war und nur Bilder kenne: ganz einfach. Es gibt nur Bilder von dem Becher, und dem Skelett, beides zusammen wurde nicht fotografiert.

Ein Grabbefund - ein stark vergangener Befund, in Rosaroter Erde.

Einer der Grabbefunde (Bild: Warner Bros. Discovery).

Hätte das Skelett den Becher umklammert, dann wäre das aber dokumentiert worden – es wäre der Fund überhaupt gewesen in den Pressemitteilungen. Das heißt vielleicht hat sich der Discovery Channel hier einfach eine gute Werbung zusammen gelegt. Denn die Geschichte, dass der Indiana Jones-Lookalike Josh Gates hier vor Kameras in Petra einen Gral in der Hand eines Toten findet, ist doch etwas zu schön um wahr zu sein – das wäre nachweislich nicht der einzige Fake an der Sache.

Wie? Was ist denn noch gefakt?

Kurz gesagt: Alles! Lang gesagt, ist hier eine Form kultureller Aneignung passiert, die mir den Mund hat offen stehen lassen. Die Presseerklärungen sind ungewohnt reißerisch geschrieben. Es wird von der St.-Andrews-Universität direkt auf den Discovery Channel verwiesen.

Drei Männer graben, im Hintergrund der Tempel. Alle drei Männer tragen Hüte und helle Hemden.

Es gibt sehr wirkungsvolle Pressebilder – hier Josh Gates in der Mitte. Wenn man genau hinsieht, ist das ein Fake, die Männer graben an der falschen Stelle (Bild: University of St. Andrews).

All das ist merkwürdig genug, denn sonst sehen Presseerklärungen von Universitäten seriöser aus. Die Weltsensation von den 12 Skeletten wird unterstrichen. Josh Gates, behauptet, dass die gefunden Gräber, die ins 1. Jahrhundert v. Chr. datieren, die Erbauer der Stätten waren, ohne irgend eine Analyse dazu, oder eine Grundlage. Aber Okay, der Gute jagt ja sonst auch Yetis und Co. – übertriebene Interpretationen ohne Beleg sind also sein Fachgeschäft. Andere spekulieren hier das Grab des Königs Aretas IV gefunden zu haben, der Petra maßgeblich gestaltete. Und es ist wirklich eine Sensation, denn so viele Skelette der Nabatäer kennen wir nicht.

Ein Plastikskelett sitzt in einem Bücherregal vor ganz vielen Archäologiebüchern. Das Skelett hält eine Schädeldecke in der Hand.

Skelette zu analysieren dauert seine Zeit, und es dauert auch Lange, das zu lernen.

Und Skelette kann man so vielfältig untersuchen, das man durch sie Kulturen viel besser versteht. Aber zum einen müssen die Skelette erst genau untersucht werden, bevor man aussagen über sie treffen kann, zum anderen wäre es tatsächlich eine Sensation – wären die Funde nicht schon vor 20 Jahren vom jordanischen Archäologen Suleimann Farajat gemacht worden wären – Das einzige was die amerikanischen Teams hier gemacht haben ist, die Lorbeeren einzuheimsen.

Was? Das ging damals aber nicht um die Welt! Oder?

Stimmt! Es waren damals extrem wichtige Funde – sind es bis heute, nur hat es damals keinen interessiert. Vielleicht weil kein Josh Gates da war, vielleicht weil es ein jordanisches Team war. Tatsächlich sind Gräber im Untergrund des Tempels auf der rechten Seite allbekannt. Sie sind mit einem Gitter abgedeckt und als Tourist kann man von oben hinein gucken. Auch auf der linken Seite gibt es Gräber. Aber diese Gräber wurden noch nicht ausreichend untersucht, weil der Ausgrabung die Finanzierung gestrichen wurde.

Ein Grabbefund - ein stark vergangener Befund, in Rosaroter Erde.

Dieses Bild wurde 2005 gemacht. Es ist eindeutig derselbe Befund, der jetzt als Sensation durch die Presse geistert (Bild: Suleimann Farajat)

Deshalb wurde 2005 alles eingemottet und fachgerecht zugedeckt um irgendwann vielleicht weiter arbeiten zu können. Was nun passiert ist, ist also das der Discovery Channel kam. Einige amerikanische Teams waren gerade ebenso vor Ort, dann hat man einfach die Abdeckung hochgehoben, die Planen bei Seite genommen und so getan, als hätte man die 20 Jahre alten Funde gerade selbst entdeckt.

2 Männer in einem tiefen Erdloch. Die Männer hieven einen Eimer Erde mit einem Seilzug nach oben.

Bild Der Ausgrabung von 2005 (Bild: Suleimann Farajat).

Suleimann Farajat, hat dies belegt, in dem er Grabungsfotos veröffentlicht hat, die exakt die identischen Befunde zeigen. Und tatsächlich kann man mit ein bisschen Recherche und nachdenken, auch ganz ohne Farajats Bilder erkennen, dass hier etwas nicht stimmt.

Wie denn?

Nicht nur die Presseerklärungen sind seltsam reißerisch. Sollte es so gewesen sein, dass ein Team im Januar diesen Boden gescannt und im Sommer dann einige Wochen gegraben haben, dann wären sie nicht so weit gewesen, wie es im Film des Discovery Channels gezeigt wird. Eine Ausgrabung dauert lange – es ist filigrane Feinarbeit. Die Grabkammern liegen mehrere Meter tief unterirdisch. So weit kommt ein Archäologieteam nicht in Wochen. Dafür braucht es Jahre. Und das Team von Farajat hat hier auch etwas mehr als 2 Jahre gegraben bevor sie abbrechen mussten.

Drei Menschen legen eine Plane auf ein Grabungsloch. Man sieht nur die Hinterköpfe der Menschen, die alle Mützen tragen.

So wurden die Befunde 2005 abgedeckt, damit sie nicht kaputtgehen (Bild: Suleimann Farajat).

Sie haben die Arbeit geleistet, und werden nicht einmal erwähnt. Das ist schäbig. Das gehört sich nicht. Es gibt oft Forschungen, die auf die Forschungen anderer zurück gehen. Aber: Wenn man eine Arbeit, z.B. eine Ausgrabung fortsetzt, dann nennt man diese Personen und tut nicht so, als ob man eine Weltsensation im Alleingang ausgegraben hat. Farajat schreibt dazu, das es ihn vor allem verletzt, dass hier wieder ein Stereotyp bedient wird. Das des weißen Mannes, der die tollen Funde der Welt entdeckt, weil die Einheimischen das garnicht zu schätzen wüssten, was vor ihrer Nase liegt.

Josh Gates vor dem Tempel.

Auf diesem Bild sollte nicht Josh Gates gefeiert werden, sondern Suleimann Farajat (Bild: Warner Bros. Discovery).

Dabei war der wahre Entdecker ein einheimischer Jordanier. Mich ärgert das auch. Denn ich denke, dass diese Sensation jetzt um die Welt geht, hat vor allem etwas damit zu tun, dass eben nur die Forschung von bestimmten Leuten ernst genommen wird. Das kenne ich leider auch aus meinen Erfahrungen zu genüge. Und das nicht berichtet wird, heißt eben auch für noch so tolle Funde oftmals, das Forschungsgelder gestrichen werden. Und das ist unfair.

Oh Wow! Krasser Fall – davon hätte ich nie etwas mitbekommen ohne diese Blog hier. – Wenn du das denkst, lass mir dich bitte ein kleines Trinkgeld da, denn ich finanziere diesen Blog komplett Alleine.

Literatur:

Robert Wenning: Petra in Jordanien, Zentrum der Nabatäer Eine Stadt als ,,religiöse Landschaft”?. In: J. Hahn (Hrsg.), Religiöse Landschaften. Veröffentlichungen des Arbeitskreises zur Erforschung der Religions- und Kulturgeschichte des Antiken Vorderen Orients Bd. 4, Münster 2002, S. 49-67.

Der Facebookpost von Dr. Farajat: https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=10232161295871849&id=1134793319&mibextid=WC7FNe&rdid=uMiaaXb8yoXxKLQ6

Zur Erinnerung, was ist Petra: https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/felsenstadt-petra-creative-commons-100.html

Arcor Newsletter 36.1 – https://publications.acorjordan.org/wp-content/uploads/acor-newsletter-36-1.pdf

University o St. Andrews –  https://news.st-andrews.ac.uk/archive/st-andrews-researchers-make-historic-discovery-underneath-one-of-the-seven-wonders-of-the-world/

Warnerbor. Presserklärung  – https://press.wbd.com/us/media-release/first-look-josh-gates-explores-historic-finds-petra-one-new-seven-wonders-world-new?language_content_entity=en

Gralszene Indiana Jones: https://www.youtube.com/watch?v=A0TalLrtZ24

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/petra-in-jordanien-forscher-entdecken-verborgenes-grab-unter-schatzhaus-in-felsenstadt-a-233530f6-1352-4a7a-b93c-47258c7565b3

https://www.herder.de/wbg-magazine/aktuelles/2024/forscher-entdecken-verstecktes-grab-in-petra-jordanien/

https://www.oe24.at/welt/echter-heilige-gral-kelch-bei-indiana-jones-drehort-gefunden/609350344

https://www.tagesanzeiger.ch/geheimnisvolle-grabkammer-in-petra-entdeckt-164920828514