Männerbilder in der Archäologie – Jungs, ihr könnt mehr als das!

Im Zuge der Idee Geschlechter in der Archäologie näher zu beobachten fällt vor allem eines auf. Rollenverteilungen werden oftmals anhand des Zeitgeistes in dem die jeweiligen Forscher*innen leben erdacht. Nicht aber in dem Zeitgeist, in der eine Kultur wirklich gelebt hat. So werden Aufgabenverteilungen oft Klischeehaft gesehen. Es sind Stereotype, die direkt auf die Vergangenheit angewendet werden und das lässt sich so oft nicht wissenschaftlich überprüfen. Denn die Knochen die wir finden, erzählen uns zwar viel, aber nicht alles über vergangene Zeitlater. Wenn wir, wie oft in der Altsteinzeit, nur Steinwerkzeuge kennen, dann wissen wir eben nicht wer gejagt hat, oder aber wer die Werkzeuge gebaut hat. Und es gibt eigentlich nur die Möglichkeiten von der Beobachtung des Verhaltens ethnologisch bekannter Gruppen, oder aber Primaten auf Rollenverteilungen zu schließen. Diese Methode ist allerdings fehleranfällig, weil es im Grunde immer schwierig ist von einer Kultur auf die andere zu schließen. Körperverständnisse können sich zum Beispiel stark von einnader unterscheiden. Außerdem sind diese Beobachtungen ja ebenfalls geprägt durch die eigenen Blickwinkel unserer Zeit.

Eine Jägerin aus der Steinzeit. So wird das selten gezeigt, es endspricht aber dem aktuellen Forschungstand.

Eine Jägerin aus der Steinzeit. So wird das selten gezeigt, es entspricht aber dem aktuellen Forschungsstand. (Foto: © Emanuel Malzew Ausschnitt aus der TV-Doku “Mächtige Männer – Ohnmächtige Frauen?” Zu sehen hinter diesem Link in der ZDF-Mediathek).

Beim Überdenken dieser Verhältnisse wurde von feministischen Archäolog*innen schnell bemerkt, dass Frauen häufig stereotyp als die reproduzierenden häuslichen Menschen gedeutet werden, mit wenig eigener Geschichte. Oftmals wirkt Archäologie wie die Erzählung der Geschichte der Männer. Aber was für Männer? Die Stereotypen Schubladen treffen nämlich auch auf sie zu. Nur das den Männern hier oftmals mehr Administration zugetraut wird. Sie machen den interessanten Teil der Geschichte. Sie sind Kämpfer und Handwerker, Stammesfürsten und sind die Erschaffer einzigartiger Gegenstände oder Kunstwerke. Und das kann sich dann, auch als falsch herausstellen. Das heißt: Oft wissen wir nicht, ob das stimmt, was wir über die Gesellschaften der Menschheitsgeschichte denken. Und es gibt eine Sache, die dabei meist nicht gesehen wird: Männer können mehr als das!

Rote Handabdrücke aus der Grotte Chauvtte. es handelt sich um 6 Altsteinzeitliche Handabdrücke aus roter Farbe, di auf einen Grauen Stein gemacht wurden.

Bei der Analyse der Handabdrücke aus der Steinzeit, in diesem Falle der Grotte Chauvette, zeigt sich: Die Abbildungen wurden überwiegend von Frauen angefertigt. (Foto: © SYCPA – S. Gayet Ausschnitt aus der TV-Doku “Mächtige Männer – Ohnmächtige Frauen?” Zu sehen hinter diesem Link in der ZDF-Mediathek).

Die Herkunft dieser Narrative (Erzählungen) liegt oftmals darin begründet, dass Wissenschaft und das betrifft gerade die Forschung der letzten 150 Jahre, überwiegend von Männern gestaltet wird. Männer, die sich auch selbst gerne als Helden und Macher sehen. Das ist kein Vorwurf, ich selbst sehe mich ja auch gerne als Heldin und Macherin. Leider ist dabei etwas unter den Tisch gefallen: Die Vielschichtigkeit die Männer haben können. Es gibt Rollen, die in der Archäologie fehlen. Zum Beispiel wird quasi nie eine liebevolle Vaterfigur in eine Erzählung über die Vergangenheit eingebaut. Dabei ist es nahezu unlogisch, dass sich nur Frauen um den Nachwuchs gekümmert haben, was oft als ihre Hauptrolle beschrieben wird. Denn was geschah, wenn eine Mutter bei der Geburt eines ihrer Kinder verstarb? Ein Phänomen, bei dem man davon ausgehen kann, das es in prähistorischen Zeiten sehr viel häufiger auftrat als heute, im Zeitalter des Kaiserschnitts. Die Forschung, welche diese Frauensterblichkeit analysiert steht derzeit noch in den Startlöchern, sodass hier keine exakten Zahlen genannt werden können.

Ein Relief bzw. Fries aus Marmor das den Tod im Kindbett zeigt. Eine Tote liegt auf einem Bett. Sie ist umgebn von sehr vielen trauernden. Zwei Menschen hatlten ihren Körper und versuchen sie zu stützen wärend sie weinen. Eine Person Sitzt am Boden und hat di Händ vor das Gesicht glegt. Eineige witere Personen scheinen laut zu klagen.

Ein Beispiel: Der Tod der Francesca, ein Relief aus dem 15. Jahrhundert (Foto: Sauber CC BY-SA).

Aber klar ist, solche Fälle wird es gegeben haben. Und dann mussten sich andere Menschen um die hinterbliebenen Kinder kümmern. Die typische Kleinfamilie, mit Mutter-Vater-Kind in einem Einfamilienhaus in der Vorstadt, also in der Form, in der wir sie heute kennen, ist ein moderner Blickwinkel. Ein Blickwinkel aus einer Welt, in der die Realität dieses Familienbild auch zulässt. Spätestens seit es im vergangenen Jahr eine Untersuchung aus Wien zeigte, dass es bereits in der Bronzezeit Nuckelflaschen für Säuglinge gegeben hat, können wir also überlegen, inwieweit die Kinderpflege arbeitsteilig verlaufen ist. Neue Studien zeigen zudem: Das Kuschelhormon Oxitocin, welches Mütter bei der Kinderpflege ausschütten, wird ebenso im Körper von Vätern produziert, wenn sie sich um Kinder kümmern. Und das ohne einen signifikanten Unterschied. Noch bis vor kurzem ist man von anderen biologischen Umständen ausgegangen. Wir dürfen unserem Bild vom Mann in der Vorgeschichte also begründet die Vorstellung, dass es liebevolle Familienväter gegeben hat hinzufügen. Und das ist eine Interpretation eines Männerbildes, welches in der fachlichen Betrachtung eigentlich nur, und das etwas wage, von dem Fundplatz Eulau bekannt ist. Und hier rührt dieses Bild daher, dass es ein Gemeinschaftsgrab gibt, welches äußerst liebevoll niedergelegt wurde und bei dem die Verwandtschaftsverhältnisse genetisch festgestellt wurden.

Ein Bild mit zwei Gemeinschftbestattungen. In einer Bestattung sind die Knochen von 4 aneinandergekuschelten Menschen zu sehen, in dem anderen kuschelt sich ein Kinderskelett an ein erwachsenens.

Durch DNA-Analysen stellte sich heraus, dass es sich um bei der Bestattung im linken Grab um Vater Mutter und zwei Kinder handelt, die umgebracht wurden. (Juraj Lipták, State Office for Heritage Management and Archaeology Saxony-Anhalt / State Museum of Prehistory Halle CC BY)

Vielleicht ist das alles ja auch komplexer als es die stereotype Darstellung der Vergangenheit zeigt. Das kennen wir doch heute auch. Wir haben viele Rollen. Ein Mann kann gleichzeitig ein liebevoller Vater sein und ein toller Kumpel z.B. im Sportverein und dazu noch einen interessanten Beruf ausüben und das sind nur drei Rollen die ein Mensch gleichzeitig erfüllt (und wenn ihr genau hinseht, dann hat jede*r einzelne*r von uns noch viel mehr dieser Rollen). Archäologische Deutungen sind dagegen oft eindimensional. Es wird viel aus der Gestalltung von Gräbern heraus gelesen. Das betrifft zum Beispiel die Bronzezeit. Hier kennen wir viele Männerbestattungen1, die mit Waffen ausgestattet sind, ein Phänomen, dass in der nordischen Bronzezeit in bis zu 35 % der männlichen Bevölkerung betrifft. Diese werden oft als Kriegergräber gedeutet. Problematisch ist dabei nur, es gibt so viele dieser Kriegergräber, die Gesellschaft wäre gar nicht überlebensfähig gewesen, wenn so viele Männer ausschließlich Kämpfer gewesen wären.

Vielleicht handelt es sich bei den Waffenbeigaben also nur um ein Symbol und gar nicht um die Auszeichnung von einem Mann, der 24/7 eine militärische Funktion hatte. Ein Hinweis darauf könnte sein, dass in meist eher luxuriösen Ausführungen dieser Kriegergräber, immer wieder Hellebarden beigegeben wurden. Diese Waffen waren aber nicht funktionsfähig. Man hätte nicht mit ihnen Kämpfen können. Sie haben keinerlei militärischen Nutzen, sind also vmtl. ein Symbol. Ein solches Symbol kann zum Beispiel auch für eine politische oder auch religiöse Funktion stehen, die ein Mann ausgeübt hat. Auf der anderen Seite gibt es eben auch Waffen, welche nicht nur funktionstüchtig gewesen sind, sondern die tatsächlich auch Gebrauchsspuren haben. Mit ihnen wurde also wirklich gekämpft. Ein Kampfplatz, dass Tollensetal, ist in dieser Zeit bekannt. Aber ein Kampfplatz allein ist noch kein Beleg dafür, dass alle Männer aus Kriegerbestattungen der Bronzezeit, eine durch und durch militärische Identität hatten. Möglicherweise handelt es sich zum Beispiel auch um Männer, welche eine Zeit lang eine Aufgabe als Krieger erfüllt haben, und danach ein normales Leben geführt haben. Ihre Waffen wurden ihnen nach dem Tode dann als eine Art Rangabzeichen mit gegeben. Immerhin, die Schwerter sind Individuell und scheinen unveräußerlich für jeweils eine Person gefertigt worden zu sein. Vielleicht es handelt sich um ein Zeichen, dass einen freien Bauern bzw. Hausheer auszeichne. Gleichzeitig hatte jeder dieser Männer sein ganz eigenes, individuell gestaltetes Schwert, dass nur zu ihm gehörte. Es zeichnet sich ab, ein Schwert war ein Ausdruck von Identität, die Frage ist nur welche?

Auffällig ist, in der nordischen Bronzezeit geht es bei Bestattungen oft darum Status darzustellen. So gibt es teure Bestattungen, welche als besonders reich gelten. Waffen  können also auch Statussymbole dieser Zeit sein. Und so zeigt die Qualität der Waffe möglicherweise das Ansehen einer Person. Und diese Ebene der Identität scheint sehr unterschiedlich gewesen zu sein. So gibt es beispielsweise auch sehr luxuriöse Männerbestattungen, die vollständig ohne Waffen niedergelegt wurden. Diese reichen Männer werden nicht mit Kriegern assoziiert. Aber warum gab es überhaupt Krieger in dieser Zeit? Eine Theorie ist, dass dieses Phänomen eng mit überregionalem Handel verbunden ist. Das Europa der Bronzezeit, es war vermutlich sehr viel vernetzter, als wir es uns landläufig vorstellen. Ein Hinweis sind die Schwerter aus den Kriegergräbern selbst. Sie scheinen sich modisch den Stilen anderer Regionen anzupassen. So wurden auffällige Ähnlichkeiten bei mykenischen Schwertern aus dem heutigen Griechenland, und Schwertern, die gleichzeitig in Skandinavien verwendet wurden gefunden. Gleichzeitig, bestehen diese Schwerter aus hochwertiger Zinnbronze. Die Grundmaterialien für diese Waffen wurde im südlichen Mitteleuropa abgebaut, es handelt sich also um ein teures Material.

Ein grün angelaufenes Bronzeschwert aus der nordischen Bronzezeit. Es hat eineen vollen Griff und eine vollständig erhaltene Klinge.

Zum Beispiel ein solches Achtkantschwert gibt es nicht nur in Nordeuropa, sehr ähnliche Schwerter gibt es auch im Mittelmeerraum. (Foto: Metmuseum)

Was ich sehe ist, dass sich im Laufe der Forschungsgeschichte bestimmte Männerbilder in der Archäologie etabliert haben, die einseitig sind. Ein Bild von einer idealen Männlichkeit wurde gezeichnet. Dabei ist die Vielschichtigkeit verloren gegangen. Männer erfüllen auch Rollen, welche in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der letzten 200 Jahre wenig im Fokus standen oder mit weniger Prestige ausgestattet gewesen sind. Aber dieses Prestige ist nur eine Sichtweise der Dinge. Es ist höchstwahrscheinlich, dass einige Männer in der Vorgeschichte beispielsweise Bauern gewesen sind. Eine Aufgabe, die für eine Gesellschaft existenziell wichtig ist, die aber in Interpretationen selten vorkommt. Deswegen habe ich einen kleinen Appell an meine männlichen Kollegen:

Pergament mit der Aufschrift: "Jäger, Krieger, Fürsten, Handwerker und Händler? - Ihr könnt doch viel mehr als das!"

Menschen sind vielseitig. Und das gilt für alle Geschlechter. Es gibt mehr Aufgaben in einer funktionierenden Gesellschaft, als die des Machers und des Helden, gäbe es nur sie, würde alles kollabieren. Und es gibt mehr individuelle männliche Charaktere, die alle für sich gut und richtig sind ohne dabei den Helden zu spielen, bzw. so ein richtig cooler liebevoller Daddy ist doch ein richtiger Held! Und diese Aufgabe kommt in Gesellschaftsrekonstruktionen quasi nie vor! Oftmals denken wir Archäolog*innen in sehr stupiden einseitigen Dimensionen, wenn wir die Lebensverhältnisse der Vorgeschichte betrachten. Und das liegt ganz klar auch daran, dass wir Beigaben aus Gräbern als Beispiele nehmen und davon einfache Gesellschaftliche zusammenhänge ableiten. Aber das führt auch zu sehr einseitigen Menschenbildern. Und es ist mehr als deutlich, dass die Indentitätsstruktur, selbst von so einfachen Deutungen wie Kriegern, deutlich komplexer sind, als das man diese Menschen auf eine einfache Funktion reduzieren sollte. Identitäten und Rollen innerhalb von Gesellschaften sind vielschichtig. Klar, es ist viel schwieriger die Vorgeschichte aus diesem Blickwinkel zu begreifen, aber es hat ja auch niemand gesagt, dass Wissenschaft einfach ist.

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*Anmerkung: Bei der untersuchung der Skelette, welche solche Kriegerbeigaben haben, wurde klar festgestellt, dass es sich regelhaft um Männer handelt. Es ist nicht auszuschließen, dass es auch Frauen unter diesen Bestattungen gibt. Diese sind allerdings bislang weder nachgewiesen, noch währen sie statistisch signifikant. Das bedeutet nicht, das Frauen dieser Zeit unbewaffnet bestattet wurden. Doch sie haben wenn, dann zumeist Dolche beigelegt bekommen.

Literatur:

Bunnefeld, Jann-Heinrich: Älterbronzezeitliche Vollgriffschwerter in Dänemark und Schleswig Holstein – Studin zu Form , Verziehrung, Technick und Funktion, Teil 1: Text und Katalog. In: Studien zur norduropäischen Bronzezeit 3, Göttingen 2016.

Arnold Muhl, Harald Meller, Klaus Heckenhahn, Tatort Eulau: Ein 4500 Jahre altes Verbrechen wird aufgeklärt, Darmstadt 2010.

Warfare in Bronze Age, Edited by Christian Horn und Kristian Kristiansen. Cambridge 2018.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006322310001204

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