Bern: Romantische Altstadt, Berglandschaften und historische Brunnen

Für mich als norddeutschen Flachlandbewohner sind kleine Hügel bereits Berge. Die Alpen versetzten mich dementsprechend in ein atemloses Staunen. Auch wenn es sehr gruselig ist, wie steil und scheinbar plötzlich sich der Boden zum Himmel hinauf recken kann. Ich könnte dieses Phänomen stundenlang beobachten. Um so absurder ist es auf einmal in einer Stadt zu sein, in der man ganz selbstverständlich mit dem Aufzug von einem Teil der Stadt in einen anderen gelangt. Ein Blick auf Bern:

Ein Aufzug, der von einer Ebene der Stadt Bern in eine andere führt.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Nachdem ich mich von meinem Kulturschock erholt hatte, entschied ich mich dann doch lieber eine der Treppen zu benutzen, um mir Bern anzusehen. Doch auch die Stufen der Nydeggtreppe werfen die Frage auf, ob es in dieser Stadt Menschen mit Höhenangst gibt, und wenn ja, wie sie überleben?

Ein Bild von der Nydeggtreppe aus der Froschperspektive. Links ist eine grüne Landschaft zu sehen, hinter einem Holzgeländer und rechts eine Steinmauer in Grau.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Das allgemeine Touristenspektakel

Ein Laubengang, auch Arkade genannt, in Bern. Es handelt sich um einen Fußweg, welcher überdacht ist und mit Rundbögen zur Straße hin abgetrennt. Der Laubengang ist sehr lang, das Ende ist nicht zu sehen, solang.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Wieder festen Boden unter den Füßen kann man lange überdachte Gassen entdecken. Die Arkaden bilden die längste überdachte Einkaufstrasse der Welt. 6 Km überdachter Trubel im historischen Gewand. Das historische Bern zu sehen, ohne das Touristenspektakel bedeutet sich in Nebenstraßen aufzuhalten, und Kleinigkeiten entdecken und genießen. Es geht, doch das bunte Treiben in der Altstadt ist immer wieder überwältigend. Die stille Idylle, die sich im Abseits finden lässt, ist nach kurzer Zeit massiv kitschig. Aber hier finden sich auch weniger beachtete Gebäude, wie das historische Rathaus von Bern. Sobald man sich einen Moment der Ruhe gönnt, kommt, eine Reisebusladung, die Asiaten mit gezückten Kameras ausspuckt, die an einem vorbeimarschieren, und das, obwohl man glaubt, man hätte sie grade abgeschüttelt. Dennoch kann ich den Besuch der Zytglogge empfehlen, von der der Volksmund behauptet, dass sie nur für die Touristen errichtet wurde. Das Kulturdenkmal ist einfach einmalig schön.

Die Zytglogge von weitem. Der Turm mit seinem in zwei Teile segmentieren spitzen Dach, wie er am Ende einer großen Straße steht. Unten liegt ein Durchgang.

Der Zytgloggenturm von weiten. Im oberen Bereich befindet sich die große Glocke unter einem Kupferdach (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

In Ruhe anschauen ist aber nicht drin – Zu jeder vollen Stunde rücken hier die Menschen an, um sich das mechanische Schauspiel der frühen Neuzeit anzusehen. Einige Figuren drehen sich im Kreis, und eine Sanduhr wird umgedreht. Ist das Theater vorbei, ziehen die Reisegruppen in alle Richtungen weiter. Dann wird es wieder still in dieser Gegend.

Detailaufnahme von der Uhr an der Zytglogge in Bern. Links befindet sich eine Uhranzeige, die nicht nur die Uhrzeit, sondern auch das Aktuelle Sternzeichen anzeigt. Rechts davon befindet sich eine Renaissance Figur, die sich zur vollen Stunde dreht.

Auch die Zytglogge – der berühmte Berner Uhrenturm zählt mit einer IIII (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Die Stadtstruktur

Die Stadt ist errichtet auf einer Moräne, um die sich die Aare schlängelt. Die dadurch entstehende Halbinsel ist lang und schmal. Berns offizielle Stadtgründung fand zwar im Mittelalter statt, dennoch ist eine Nutzung des idealen Siedlungsplatzes bereits seit der Vorgeschichte bekannt. Besonders macht die Stadt nicht nur, die Laubenhäuser, welche es ermöglichen bei Regen trockenen Fußes durch die Stadt zu laufen. Auch ist es gut zu beobachten, wie sich die Stadt seit dem Mittelalter weiter entwickelt hat. Wesentliche Elemente der Stadtstruktur sind erhalten geblieben.

Ein Pergament mit einem Stadtplan von Bern in Schwarz weiß. Die Aare, die durch die Stadt fließt, und in einer Schlinge die Altstadt abschnürt, und ihr Schutz bietet, ist in Blau dargestellt.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Die Straßenführung und die gleichmäßig abgesteckten Grundstücksgrößen sind Bestandteil dieser Betrachtung. Kleine Seitengassen führen gelegentlich zwischen den Straßen hin und her, und geben einen Einblick in große und kleine Innenhöfe, die für Licht in den großen Gebäudekomplexen sorgen. Wenn man sich in diese ruhigen Hinterhöfe bewegt, fühlt man sich erinnert an Gängeviertel. Es ist idyllisch ruhig, dort – doch Anwohner scheinen genervt von den Touristen – an einer Stelle gibt es sogar eine versteckte Schaufensterpuppe, die so positioniert ist, dass sie Leute erschreckt.

Die Berner Zytglogge im Hintergrund und ein Brunnen mit einer Brunnenfigur im Vordergrund. Links und rechts sind Häuser mit Laubengängen zu sehen. Die Brunnen steht inmitten einer gepflasterten Straße.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Bei Betrachtung des Stadtplanes ist sehr deutlich zu erkennen, dass am westlichen Ausläufer der Moräne eine ursprünglich runde Struktur zu finden ist. Es handelt sich um Überreste der Struktur der Nydeggburg. Die Siedlung erstreckte sich bis zum 13. Jh. bis zu einem Wall, auf der Höhe der Zytglogge. Dann musste der Ort erweitert werden. Ein neuer Wall, wurde auf der Höhe des Käfigturmes errichtet. Eine letzte Stadterweiterung folgte im 14. Jh. bis auf die Höhe des heutigen Hauptbahnhofes der Stadt. Bis heute befinden sich auf diesen Wallanlagen die größten Querstraßen über die Moräne. Die Stadt hat sich jeweils nach Osten weiter ausgedehnt. 1405 brannte nahezu alles nieder, da Häuser bis zu diesem Zeitpunkt mit Holz gebaut wurden. Ein neuer Ort wurde in der gleichen Struktur in Stein errichtet, und in dieser Struktur existiert Bern bis heute. 1421 wurde dann auch der Grundstein des Berner Münsters gelegt, der bis heute Symbol der Berner Unabhängigkeit ist.

Die Figurenbrunnen

Im Zuge der Feuerschutzmaßnahmen und der Trinkwasserversorgung wurden die städtischen Brunnen immer weiter ausgebaut. Im 16. Jahrhundert führe dies dazu, dass viele bestehende Brunnen der Stadt durch Steinbecken aufgewertet und mit Renaissancefiguren verziert wurden. Zwar sind viele dieser Kunstwerke im Zuge verkehrspolitischer Maßnahmen verschwunden, allerdings gibt es noch 11 dieser Figurenbrunnen. In ihnen verewigte sich die damalige Lebenswelt und Weltanschauung.

Der Läuferbrunnen in Bern von rechts unten fotografiert. Der Läufer trägt einen Wanderstock über der rechten Schulter, und an seinem linken Bein ist ein kleiner Bär, der spielerisch zu ihm hochschaut. Der Läufer ist in einer Blau-Roten Standestracht aus dem 16. Jahrhundert gekleidet. Er hat braunes Haar und einen braunen Bart und trägt einen roten Hut. Im Hintergrund ist die Baumkrone einer alten Kastanie zu sehen.

Die Läuferfigur unter der alten Kastanie (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Sichtbar wird dies im Kindlifesserbrunnen. Seine Figur zeigt eine Schreckfigur, welche Kinder frisst. Die Darstellung mit dem spitzen Hut zeigt im Verständnis des 16. Jahrhunderts deutlich, dass es sich um einen Juden handeln soll. Damit ist die Brunnenfigur eine Darstellung des Antisemitismus im ausgehenden Mittelalter. Die Figuren zeigen also mehr als die Qualität des Handwerkes und den Reichtum der Stadt im 16. Jahrhundert. Es sind Figur gewordene Gedanken und Mythen dieser Zeit. Bestandteil vergangener Lebensrealitäten, die in diesem Falle Zeitzeuge und Bestandteil diskriminierender Verhältnisse, und damit entstehenden Leides zugleich darstellen. Der Erhalt dieser Kunst lässt es zu, sich in die Welt dieser Zeit einzufühlen, auch wenn man aufgrund ihrer Pracht zum Romantisieren neigt. In Hinblick auf Darstellungen wie beim Kindlifreserbrunnen ist dies ohne aufgeklärte Erklärung sicherlich problematisch.

Der Kindlifresserbrunnen in der Berner Altstadt. Der Brunnen hat eine Figur, die auf einer Säule steht. Ein Mann in Rosa oder pinker Kleidung, mit einem Spitzhut auf dem Kopf. Der Mann beißt einem Baby den Kopf ab.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Auch die anderen Brunnenfiguren zeigen haben eine weltanschauliche Seite. So wird beispielsweise die Justitia dargestellt, welche ebenfalls polarisieren kann. Aber keiner dieser Kunstwerke ist so eindringlich in seiner Symbolik und zeigt so deutlich, wie wichtig eine gute Aufklärung in Bezug auf Kulturgüter ist.

Die Brunnenfigur des Justizia-Brunnens. Es handelt sich um eine bemalte Figur aus dem 16. Jahrhundert. Die Justitia hat einen goldenen Panzer an, über einem blauen Gewand. In der einen Hand hält sie ein Schwert, in der anderen eine Waage. Die Augen sind ihr verbunden.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Wer sich tiefer in die Alltagswelt des 16. Jh. begeben möchte, der kann sich im Bernischen Historischen Museum noch 2 Wohnstuben ansehen, welche dort wieder errichtet wurden und betreten werden können. Das Besondere für mich ist allerdings, die freie Zugänglichkeit von Wasser, welche heute immer mehr eingeschränkt wird. Mit dem offenen Zugang zur Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses hatte das historische Bern der heutigen Gesellschaft offenbar eine Sache voraus.

UNESCO-Weltkulturerbe

Wer durch die Straßen Berns läuft, der sollte auf kleine graue Schilder achten. Die gesamte Altstadt ist, aufgrund ihrer Struktur, UNESCO-Weltkulturerbe. Und so finden sich auf Schildern der UNESCO immer wieder Erklärungen und Beschreibungen über einzelne Gebäude. Besonders interessant dabei ist nicht der offensichtlichen Pomp und Protz, den es bei der repräsentativen Baukunst des Alten Rathauses zu sehen gibt. Auch, wenn es zugegeben einen einzigartigen Charme versprüht.

Die Arkade in Bern, die zu der alten Post gehört. Im Hintergrund sind die roten Schalterfenster zu sehen.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Viel faszinierender sind die roten unauffälligen Klappen an einem Haus, wenige Meter weiter, in der Postgasse. Hierbei handelt es sich tatsächlich um ein früheres Postamt. Die roten Klappen sind die Läden, die vor den einzelnen Postarmschaltern angebracht wurden, um diese verschließen zu können. In der Stille der von Touristen wenig besuchten Straße, kann man sich vorstellen, wie Menschen vor diesen Schaltern in der Arkade Schlange standen, um eine lang ersehnte Nachricht abzuholen.

Die alte Post in Bern. Sie hat rote Schaltertüren nach Aussen, in eine Akkarde. Diese sind geschlossen. Es handelt sich um rote Holzfenster.

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Und nicht nur dieses Haus ist interessant. Wer sich für die historische Realität des 16. Jahrhunderts interessiert, dem kann ich empfehlen durch weitere Nebenstraßen, auch in der unteren Stadt, zu gehen. Die Stadt wirkt mit den Erklärungstafeln zu teilen wie ein Museum. Doch es ist keines, hier leben Menschen. Dies bitte ich zu bedenken, wenn man in diesen Straßen Zugast ist.

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Literatur:

https://biblio.unibe.ch/digibern/kunstdenkmaeler_der_schweiz_band_04.pdf

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