Wahlkampf vor 2000 Jahren

Es ist Wahlkampf. Wer wird er neue Aedile? Einen Kandidaten gibt es, der alles gibt für diesen Posten. Sein Name: Aulus Rustius Verus. Er will den Posten unbedingt haben. Aedile, das ist eine wichtige Verwaltungsposition, in der Stadt. Man ist verantwortlich für die Infrastruktur. Doch nicht nur das: Diese Position gilt als Sprungbrett in die wirklich große Politik des antiken Roms. Und genau da will Aulus Rustius Verus hin. Er startet eine Wahlkampagne, die sogar 2 Jahrtausende bis heute überdauert hat:

Was hat man gefunden?

Wahlsprüche an den Wänden in der Stadt. Die Anhänger von Verus waren sehr aktiv. Sie haben die Straßen der Stadt mit Graffiti verschönert. Getroffen haben sie sich beim Bäcker. Und der scheint entweder ein ganz besonders großer Fan von Verus gewesen zu sein, oder vielleicht sogar ein enger Freund. Möglich ist auch, dass es sich bei dem Bäcker um einen ehemaligen Sklaven von Verus handelte, der sich eine Existenz als Bäcker aufbaute. Klar ist: In der Bäckei findet sich weitere Wahlwerbung für Aulus Rustius Verus. Wobei man hier eigentlich schon von Fankult sprechen kann. So fanden

Eine Hauswand, mit Putz überzogen und bemalt. Ein Teil der Wand ist rot mit hellen Schlangen, der andere Teil ist weiß mit einer orangenen Schlange. Daneben ein kleiner Altar.

Der gesamte Bereich des Hausaltares des Bäckers.

sich die Wahlkampfparolen auch in den privateren Räumen des Bäckerhauses. Selbst der Hausaltar, der ansonsten mit hübschen Schlangenmotiven geziert ist, hat einen Wahlwerbeslogen für Verus als Inschrift. Und wer an diesem Hausaltar eine Opfergabe gibt, der sieht unweigerlich die zweite größere Schrift an der Wand. Sie lautet: “Ich bitte Dich, Aulus Rustius zum wahren Aedile zu machen, er ist dieser Position würdig“. Man könnte sagen, es handelt sich um ein antikes Wahlplakat, das sich da im Haus des Bäckers gefunden hat. Deswegen gibt die Vermutung, dass man die Räumlichkeiten der Bäckerei dafür nutzte, Wahlkampfbankette und ähnliches zu veranstalten.

Es riecht ein bisschen fischig

Es ist seltsam, wie wenig sich Menschen in den letzten 2.000 Jahren verändert haben. Aber schaut man sich die Bäckerei genauer an, dann war es nicht ganz uneigennützig Unterstützer von Verus zu sein. Viel mehr hat dieser dem Bäcker einen neuen Mahlstein geschenkt und das ist auch auf dem Objekt vermerkt. Ein Werbegeschenk, das sich für beide lohnt. Solche Geschenke waren für römische Politiker auf Stimmenfang zwar normal, aber wirklich legal war das nicht. Aulus Rustius Verus hat

Der Mahlstein. An der unter kannte sind noch Reste einer Gravur, die offenbar auch mal mit roter Farbe gefüllt war zu erkennen.

Der Mahlstein. Bei genauen Hinsehen sind noch Reste der Wahlwerbegravur, die der Mahlstein einst hatte, zu erkennen.

sich also Stimmen gekauft und das direkt in der Bäckerei. Ausgerechnet dort seine Geschenke zu präsentieren war klug, denn wirklich jeder kommt beim Bäcker vorbei, um sich Brot zu hohlen. Und wer hat mit dem neuen Mahlstein dafür gesorgt, dass auch weiter Brot gebacken werden kann? Natürlich: Aulus Rustius Verus. Wer sonst! – Wir reden also von einem Wahlkampf, bei dem mit allen Bandagen gekämpft wurde.

Hat Aulus Rustius Verus die Wahl gewonnen?

Niemand weiß es. Die Wahlwerbung hing noch, als der Vesuv 79 n. Chr. Pompeji verschüttete. Ob die Wahl kurz bevor stand, oder gerade fertig war, ist unbekannt – die Bäckerei wurde zum Zeitpunkt des Vulkanausbruches gerade renoviert. Möglich ist also

Ein Fresko. Feinsäuberleich ist mit Rot eine Wahlkampfparole aus weisen Putz gemalt. Sie ist stark verblasst.

Wo man hinsieht, beim Bäcker findet sich Wahlwerbung.

auch, dass der Wahlkampf schon länger her war und das Haus danach einige Zeit leer stand. Ebenso weiß niemand, ob Aulus Rustius Verus den Vulkanausbruch überlebt hat. Vermutlich nicht – denn sonst wäre ein so ambitionierter Politiker vmtl. in einer anderen Stadt wieder aufgetaucht.

Aulus Rustius Verus als Politiker

In Pompeji selbst war er ein erfolgreicher Politiker. Gemeinsam mit einem anderen Politiker namens Polybius war er Duoviri. Eine wichtige Position, denn die beiden Duoviri entscheiden über die Besetzung des obersten Magistrates. Die archäologischen Funde der Wahlwerbung in Pompeji füllen diesen Abschnitt der Geschichte aus der Stadtpolitik

Ein kleines rotes Graffiti

Überall Graffiti, die mit der Wahl zusammen hängen.

mit ungeahnt viel Leben. Ich frage mich, war es nur Geld, oder war Aulus Rustius Verus wirklich ein total cleverer Politiker? Warum hat gerade er die Massen bewegt? Der Vesuv hat diese Geschichten unter Vulkanasche begraben. Das heißt, dass sich so Teile der Geschichte erhalten haben, die sonst heute vergessen wären. Wer weiß: vielleicht finden sich bei näherer Betrachtung der Ruinen Pompejis ja eines Tages noch

Eine rote Aufschrift auf Putz. Sehr verwaschen und verblasst.

Hier wird Verus zum würdigen Kandidaten erklärt.

mehr Wahlversprechen von Aulus Rustius Verus, oder ausformulierte Hoffnungen, die die Menschen mit ihm verbunden haben. Dann könnten wir herausfinden, warum dieser Mann seine Mitmenschen so begeistert hat. Oder vielleicht werden auch eines Tages die Spuren seiner politischen Widersacher sichtbar.

Und damit ich in Zukunft über solche Funde berichten kann, würde ich mich über ein Trinkgeld von Dir freuen.

Literatur:

http://pompeiisites.org/en/comunicati/pompeii-electoral-inscriptions-discovered-inside-a-house/

https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/wahlwerbung-auf-die-roemische-art/

https://www.smithsonianmag.com/smart-news/archaeologists-discover-electoral-inscription-inside-pompeii-house-180983177/

http://pompeiisites.org/en/archaeological-site/house-of-julius-polybius/

http://pompeiisites.org/en/comunicati/pompeii-electoral-inscriptions-discovered-inside-a-house/

https://www.britannica.com/topic/duoviri

https://www.worldhistory.org/Aedile/

https://www.archaeology.org/news/11857-231024-pompeii-campaign-message

After Discovering Elaborate Frescos in Pompeii, Archeologists Uncover An ‘Electoral Poster’ Alongside a Household Shrine