Iyoba Idia – Eine außergewöhnliche Königsmutter

Idia ist guter Hoffnung. Sie trägt ein Kind unter dem Herzen. Der zweitgeborene Sohn des Königs. Idia ist die Zweitfrau des Herrschers, doch sie beschließt, dass es ihr Sohn sein soll, der einmal den Thron besteigen wird. Im ausgehenden 15. Jahrhundert begann so eine Geschichte, die Frauen bis heute inspiriert – Die Geschichte der Miss Jones des Jahres:

Die Geschichte fällt in einen besonderen Zeitabschnitt

Das Königreich Benin im heutigen Nigeria hat erst seit Kurzem Kontakt zu Portugal. Es war Oba (das heißt König) Ewuare, der erstmals Portugiesen bei sich in Empfang nahm. Sein Sohn, Oba Ozula, macht es sich also zur Aufgabe diesen Kontakt nach Europa auszubauen. Der Ehemann von Idia kommt 1481 an die Macht und 1486 schickt er erstmals Abgesandte nach Lissabon. Oba Ozula geht dabei strategisch vor.

rotem Hintergrund. Abgebildet sind drei große Personen mit starker Rüstung. Eine kleine, gerüstete Person ist auch zu sehen.

Reliefplatte, Oba Ozula ist in der Mitte abgebildet (Bild: GuillaumeG (CC BY-SA 4.0)).

Er schickt das Oberhaupt des Handelshafens nach Europa. Dieser verhandelt mit den Portugiesen. Es wird vereinbart, dass diese einen Handelsposten im Königreich Benin errichten können. Geschenke werden ausgetauscht. Dem folgt dann der Warenhandel. Perlen, Baumwolle und andere Stoffe, guineischer Pfeffer, aber auch Menschen sollen gehandelt werden. Der Haupthandelsplatz, an dem Versklavte gegen Gold getauscht werden sollen, heißt Elmina und liegt heute in Ghana.

Oba Ozula “der Eroberer”

Doch nicht nur der Handel mit Portugal ist neu unter dem Oba Ozula. Er gilt als der Eroberer, denn seine Herrschaft stellt einen wichtigen Punkt in der Expansionspolitik des Königreiches Benin dar. Er besiegt auf Feldzügen z.B. die Owo. Aber auch die Yoruba in Ijebu. Benin wird größer und die Untertanen, die Edo, werden immer müder von dem andauernden Kriegszustand. 1504 ist es schließlich Oba Ozulas Feldherr und enger vertrauter Laisolobi der dem Druck der Bevölkerung nachgibt und Oba Ozula

Ein dunkler Kopf aus Bronze. Er zeigt ein ebenmäßiges Geschichte einer Frau mit einer langgezogenen Schlupfmütze.

Bronzekopf der Königinnenmutter Iyoba Idia (Bild: Bin im Garten (CC BY-SA 3.0)).

schlussendlich ermordet. Der Thronfolger steht eigentlich fest. Der erstgeborene Sohn Arhuanran soll in die Fußstapfen seines Vaters treten. Er hat nicht nur einen stattlichen, einschüchternd riesigen Körperbau, er war auch in Portugal, um dort die beste Ausbildung zu erhalten. Doch er hat seine Rechnung ohne die Zweitfrau seines Vaters gemacht, die in Arhuanran´s Abwesenheit seinen Halbbruder Esigie in Position gebracht hat. Sie hat ihn selbst ausgebildet und gut am Hofe vernetzt.

Der künstlerische Ausdruck eines Konflikts

Arhuanran ist der Fürst von Udo, einer 30 km nordwestlich von Benin City gelegenen Stadt. Er lässt sich aus Benin City den Bronzegießer entführen, der für ihn Bronzeköpfe gestalten muss. Solche Köpfe stellen Herrscher dar. Deswegen galten die von Arhuanran gefertigten Bronzen später bei den Europäern als Kuriosum. Sie wurden

Eine ungewohnt helle Bronze mit leichten Gelbstich. Der Stil betont die großen Augen der gezeigten Person.

Vmtl. die Darstellung eines Würdenträgers (Ausgestellt MARKK 2022).

1897 bei der “Benin Expedition” von den Briten geplündert. Felix von Luschan interpretierte sie 1900 als Kinderköpfe. Manchmal wurden sie auch als Mädchenköpfe bezeichnet. Das Besondere: weder Mädchen, noch Kinder werden als Beninbrozen dargestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts war es ein Rätsel der Forschung. Sie vielen auf, und waren anders als die Anderen Beninbronzen. Diese Köpfe hatten Durchbrüche, an denen sie vmtl. einmal aufgehängt gewesen sind, oder an denen Sachen befestigt waren. Im Zusammenhang gesehen handelt es sich um Köpfe

Der Udo-Kopf im Profil. Eine Kappe aus Haar mit einem Langen Zopf hinter dem Ohr. Der Nacken ist rasiert. Und um den Hals liegen Ringe.

Der gleiche Kopf im Profil (Ausgestellt MARKK 2022).

von Fürsten, die sich Arhuanran als Machtsymbol fertigen ließ. Nur diese Köpfe sind im sog. Udo-Stil gefertigt. Sie eint ein symmetrisches, ebenmäßiges, entspanntes Gesicht. Gefertigt werden diese Köpfe im Wachsausschmelzverfahren. Weltweit sind 14 Udo-Köpfe erhalten. Nur 2 davon befinden sich heute in Nigeria. Doch diese schnell angefertigte Würdenträgergalerie beeindruckte Idia nicht, auf dem Weg ihrem Sohn auf den Thron zu verhelfen.

Wer wird Thronfolger?

Beide Söhne des Oba Ozula sehen sich 1504 als legitime Erben. Beide waren etwa gleich alt. Doch nur Esigie hat Idia zur Mutter. Sie hat seit der Geburt ihres Sohnes alles daran gesetzt, ihn zum Thronfolger zu machen. Während der eigentlich als Thronfolger gedachte Arhuanran nach Portugal geschickt wurde, um dort eine Ausbildung zu erhalten, blieb sein jüngerer Bruder in Afrika. Idia begann daraufhin ihn zu unterrichten,

Eine Reliefplatte, die drei würdevolle Männer im vordergrund zeigt, und zwei Männer mit langen Nasen und riesigen Hüten im Hintergrund

Zwei Portugiesen im Hintergrund. Im Vordergrund der Oba der beidseitig gestützt wird. Das Bild besagt, ein Oba braucht für seine Politik den Rückhalt der Bevölkerung. Welchen Oba diese Platte genau meint, ist heute leider unbekannt, da diese Platte durch die Plünderungsgeschichte aus dem Kontext gerissen wurde (Ausgestellt MARKK 2022).

ihm die Geheimnisse der Religion und Magie zu lehren, um einen Anführer aus ihm zu machen. Esigie wurde so eine angesehene Person am Hofe seines Vaters, mit guten Kontakten zum Militär. Beste Voraussetzungen, seinen Halbbruder zu schlagen. Schließlich ziehen beide Brüder mit einer kleinen Armee in die Schlacht um die Herrschaft. Esigies Mutter Idia begleitet ihrem Sohn im Kampf. Das Muttersohnduo gewinnt. Esigies besteigt den Thron als 16. Oba von Benin und hat nun ein Problem:

Idia muss sterben

Eine alte Sitte besagt: Die Königsmutter muss eliminiert werden, damit sie den Herrscher nicht zum Schlechten beeinflussen kann. Esigie verdankt seiner Mutter alles. Er will sie nun retten. Deswegen versteckt er sie. Dann setzt er der Idee, dass die Königsmutter getötet werden muss, ein Ende. Nachdem er sich durchgesetzt hat, lässt er sie in den Palast bringen. Doch das Ganze hat eine Bedingung: Mutter und Sohn dürfen von jetzt an keinen Kontakt miteinander haben. Das ist der Kompromiss, der sich

Ein Bronzener Hahn

Eine rituelle Hahnenfigur. Der Hahn war das Symbol für die Ranghöchste Frau bei den Edo, “Der Hahn der am lautesten Kräht” (Ausgestellt MARKK 2022).

finden ließ, damit Idia keinen schlechten Einfluss ausüben kann, wie es der Glaube besagt. Esigie erfindet für seine Mutter den Titel Iyoba. Das ist seit dem der Rang der Frau, die am lautesten kräht. Symbolisch werden diese Frauen seit dem mit dem Hahn Okpan geehrt, der auf den Altären einflussreicher Frauen dargestellt wird. Auch wenn Mutter und Sohn sich jetzt nicht mehr persönlich sehen, nutzt Iyoba Idia ihre magischen Fähigkeiten am Hofe und unterstützt Esigie auf diese Weise.

Esigie der Machtpolitiker

Der Oba Esigie setzt nun die Politik seines Vaters fort. Er lässt die Portugiesen ins Land. Besonders attraktiv: Die Feuerwaffen der Portugiesen. Sie unterstützen ihn auf seinen Feldzügen. 1514 schreibt er König Manuel von Portugal, dass er um eine Lieferung Kanonen bittet. Doch der portugiesische König muss sich an ein Dekret des

Auf dieser Reliefplatte zeigt Oba Esigie, wie er den Attah von Idah von seinem Pferd zieht (Ausgestellt MARKK 2022).

Papstes halten, dass Waffenlieferungen nur an Christen erlaubt. Als Antwort schickt er ein edles Pferd mit einem kostbaren Zaumzeug an Oba Esigie. Dieser nutzt die Enttäuschung als Symbol und ist deswegen heute der Oba den man am häufigsten in Zusammenhang mit Pferden dargestellt findet. Doch seinen wichtigsten Kampf muss er nun ohne portugiesische Kanonen bestreiten:

Der Idah-Krieg

Heute das Symbol der beninschen Expansionsgeschichte ist der Krieg gegen den Attah von Idah 1515/1516. Diese Eroberung soll dem Königreich Benin einen Zugang zum Niger eröffnen. Also einem weiteren wichtigen Handelsknotenpunkt. Doch es steht alles unter einem schlechten Stern. Der Schicksalsvogel Ahianmwen Oro

Ein Storch ähnlicher Vogel mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Stab oder Zepter. Alles ist komplett aus Bronze gegossen.

Ein Klangstab mit Vogel. Einer der Ritualgegenstände, mit denen das Usie-Oro Ritual durchgeführt wird (Ausgestellt MARKK 2022).

Prophezeit Esigie einen schlechten Ausgang der Schlacht. Doch der durch Iyoba Idia gut ausgebildete Herrscher lässt den Vogel einfach töten und geht daraufhin siegreich aus der Schlacht hervor. Doch auch das soll er nicht ganz alleine geschafft haben. Der Erzählung nach mischt sich seine Mutter Iyoba Idia in Männerkleidung in das Herr. Sie soll es gewesen sein, die die entscheidenden Kampfhandlungen höchst selbst durchgeführt hat. Idah wurde durch diesen Kampf zu einem Vasallenstaat Benins. An dieses Ereignis erinnert bis heute die Usie-Oro Zeremonie. Dabei schlagen

Eine Elfenbeinschnitzerei. Das Gesicht einer älteren Frau. Sie trägt eine Kappe mit abgesetzten Haarschmuck. Und eine ausladende Kette um den Hals.

Der Kopf der Iyobe Idia als Elfenbeischnitzerei (Public Domain).

Würdenträger mit Klangstäben auf das Abbild eines Vogels. Nur kurz nach seinem Sieg, gegen 1516/1517 verstarb Esigie. Erst 1550 wurde seine Mutter begraben. Und auch wenn wir heute diese ganze Geschichte nicht in jedem Detail belegen können, ist sie nicht nur einzigartig spannend. Sie erzählt vor allem, wie eine Frau im Afrika vor 500 Jahren ihr Schicksal selbst in die Hand genommen hat. Deswegen ist Idia heute auch eine der wichtigsten Heldenfiguren Westafrikas und meine Miss Jones des Jahres 2024.

Wow – den Ausschnitt aus der Menschheitsgeschichte hätte ich ohne Miss Jones gar nicht gekannt – wenn du das denkst, warte mal kurz. Ich finanziere die Seite hier selbst, damit du solche Geschichten lesen kannst! Aber du kannst mich mit einem Trinkgeld unterstützen. Klicke hierzu auf den Link zu Paypal.

Literatur:

Benin – Geraubte Geschichte, Barbara Plankensteiner (Hrsg.), Hamburg 2022.

http://www.galerie-herrmann.com/arts/art3/Ife_Benin/96_Udokopf/Head.htm

https://www.britannica.com/biography/Ozolua

https://guardian.ng/life/the-untold-tale-between-oba-esigie-and-iyoba-idia-of-benin/

The Legend of Iyoba Idia – ( 1484 – 1540) Popularly Know as “Idia ne Iye Esigie” of The Ancient kingdom of Benin