DIY or Die – Punkrock oder Selbstausbeutung?

Dieses Motto habe ich in der Punkszene gelernt. Es heißt do it yourself, also mach es selbst. Ein Motto, dass ich euch heute mitgeben möchte. Um ehrlich zu sein habe ich diese Aktionswoche begonnen zu schreiben, als ich gerade tief frustriert war. Und dann habe ich festgestellt, dass es vielleicht gut ist, mich auf meine Punkwurzeln zu berufen und mir dieses Lebensmotto zurück zu hohlen.

Der Absagen Hagel

Das erleben viele. Viele Bewerbungen auf wenige Stellen. Tatsächlich wurde ich aber immerhin bei mehr als jeder zweiten Bewerbung zu einem Gespräch eingeladen. Und allein darauf sind schon viele neidisch. Denn es gilt in der Archäologie eines: zu dem Gespräch eingeladen zu werden bedeutet, dass man extrem gut ist.

Eine Mappe mit der Aufschrift Bewerbung und ein Stift

Man schreibt andauernd erfolglos Bewerbungen, wenn man in der Archäologie tätig ist (Bild: Loufre (Pixabaylizenz)):

Ob man den Job dann bekommt oder nicht, ist erstmal egal. Das Ansehen steigt, weil selbst das eine Herausforderung ist. Das ist, denke ich, eine Fehleinschätzung. Denn es bedeutet nur, dass man in einem Berg von Bewerbern irgendwie ausgewählt wurde. Nach welchem Prinzip auch immer. Deswegen ist es für diejenigen, die seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden, oft ein Nagen am Selbstwertgefühl – aber eigentlich nur eine quantitative Aussage, die nichts über die Person selbst aussagt. Vielmehr sagt es etwas über den Arbeitsmarkt aus. Was soll man tun, wenn man nicht weiterkommt? Ich habe für mich eine Antwort gefunden:

Do it yourself

Das Denken auch andere, die zum Beispiel Grabungsfirmen gründen. Aber: Es ist auch möglich, sich in anderen Bereichen selbstständig zu machen – Miss Jones bietet zum Beispiel an, dass ich dein Forschungsprojekt bekannter mache. Oder aber, du kannst erstmal in der Freizeit ein Projekt durchführen. Das schöne ist: Man kann sich seine Arbeit dann aussuchen. So geht es weiter in eine Richtung, die man selbst gehen will. Dann ist man immerhin ein bisschen in der Richtung, in die man gehen will, unterwegs gewesen.

Eine Frau mit braunen Locken steht vor dem Holstentor. Sie trägt eine Jeansfarbene Jacke und zieht sich die Kapuze ins Gesicht, denn es regnet.

Aber immerhin – ich komme herum und sehe was von der Welt.

Miss Jones ist auch so ein Projekt. Ich schreibe, immer in der Hoffnung, dass ich irgendwann ganz viel Wissenschaftskommunikation machen kann. Funktioniert hat es bislang nicht. Aber immerhin: Ich schreibe. Ziele verwirklichen, das geht auch mit der Richtung wie du es willst, denn beispielsweise hält dich niemand davon ab in deiner Freizeit in eine Bibliothek zu gehen und einfach zu deinem Lieblingsthema zu recherchieren. Das klingt toll oder – aber es klingt vor allem auch nach:

Selbstausbeutung

Ich kenne fast nur Kolleg*innen, die diese Tätigkeit ganz regelhaft durchführen und bin selbst ein großer Meister* darin. Selbst diejenigen, die nicht auf Jobsuche sind, machen Nebenprojekte, um auch interessant genug für den nächsten Arbeitsvertrag zu sein. Zugegeben, einige machen ihre Tätigkeit auch aus reinem Spaß an der Freude.

Grünen Stühlen von Hintern. Nur Hinterköpfe zu sehen auf dem Bild.

Also wenn ihr über solche Fachtagungen hier von mir lest – das ist von fast allen unbezahlte Arbeit, und ich bezahle in der Regel dafür, dass ich da überhaupt hinfahren kann.

Ich spreche hier nicht von bezahlten, sondern von unbezahlten Nebentätigkeiten. Ob man nun einen Artikel für das Vereinsjournal Peer-Review liest, oder ob man selbst bezahlt zu zusätzlichen Fachtagungen fährt. Ob man in der Freizeit noch Science Slams präsentiert oder nebenbei noch den ein oder anderen Artikel verfasst, zum Beispiel einen Miss Jones Gastartikel. All das ist unbezahlte Arbeit. Das kann unfassbar stressen. Vor allem, wenn das an Fristen gebunden ist. Eigentlich bin ich dafür, genau diese Selbstausbeutung sein zu lassen. Diese ganze kostenlos gemachte Arbeit, ist auch Teil davon, dass wir schlecht bezahlt werden. Schließlich gibt es ja Leute, die das kostenlos tun – warum sollte man dafür also zahlen? Das ganze System muss also verändert werden. Doch derzeit haben wir keine Wahl, deshalb gilt:

Wie überlebt man Selbstausbeutung?

Es heißt heutzutage wirklich DIY or die – sonst kann man seine Karriere gleich vergessen. Und wie kommt man da durch, ohne einen Burnout? Gute Frage! Sehr gute Frage! Das Wichtigste ist, dass man darauf achtet, Pausen zu machen. Wo entspannst du dich? Wo machst du mal etwas, was gar nichts mit Archäologie zu tun hat? Bei mir: ganz klar Freunde treffen, Punkkonzerte, Kinoabende, Schwimmen, Zeichnen … Hobbys halt. Leg dir Entspannung zurecht.

Ein Mann rennt durch mehrere Uhren

Wenn man es in der Archäologie wirklich ernst meint, heißt das oft, dass man in jeder Hinsicht durch die Zeit rennt. Da braucht man einen Ausgleich (Bild: geralt (Pixabaylizenz)).

Archäologie darf Teil deines Lebens sein, sogar der wichtigste Teil – aber man braucht auch andere Teile, sonst geht man kaputt. Außerdem darf man nein sagen. Und man sollte auch das Nein der Kolleg*innen akzeptieren. Die sind auch nicht faul, die betreiben nur Selbstfürsorge. Das ist okay. Vor allem sollten wir lernen diejenigen zu akzeptieren, die nebenher ein eigenes Leben haben, damit wir selbst über uns lernen können, dass wir nicht 24/7 arbeiten müssen. Vor allem aber: wenn du so darauf bist wie ich und immer mindestens 2 Archäologieprojekte nebenher betreibst, für die du nichts bekommst, stelle eines sicher:

Es muss Spaß bringen

Lass dich nicht in Aufgabenfelder reinquatschen, die du absolut nicht magst. Wir sind mit Absicht unterschiedlich und in deinem Leben solltest du das machen, was dir liegt. Und andere sollten das akzeptieren. So sind wir zusammen stark. Ich bin zum Beispiel absolut kein Vereinsmensch, das liegt mir nicht auf solchen Sitzungen zu sein.

Ich selbst, wie ich mich durch den engen Höhlenschacht quetsche.

Die Arbeit muss Spaß machen. So wie hier in der Blätterhöhle – auch unbezahlt, aber ein unvergessliches Erlebnis!

Aber dafür kann ich andere Sachen. Und du bist vielleicht ein Vereinsmensch, hast aber absolut keinen Spaß daran einen Blog zu schreiben. Das ist doch gut, dann können wir uns die Arbeit teilen. Dann kannst du, wenn du dich darauf besinnst, was dir liegt, und was du willst, vielleicht zum gleichen Schluss kommen wie ich:

Wenn schon Selbstausbeutung – dann wenigstens richtig!

Damit meine ich, dein absolutes Herzensprojekt. Setze es um. Das war der Schluss, zu dem ich gekommen bin, als ich vor über einem Jahr angefangen habe, diese Aktionswochen hier zu gestalten. Was ist mein Herzensprojekt – okay Miss Jones, das wisst ihr. Aber angefangen hat Miss Jones mit dem eigentlichen Herzensprojekt: Die Archäologische Dokumentation von Fluchtspuren auf Lampedusa. Das heißt ich habe ein Jahr gespart, habe mich vorbereitet und bin dann Los. Und das nicht zum ersten Mal.

Ich lächle mit müden Augen in die Kamera

Auf der Rückreise war ich todmüde, absolut geschafft, körperlich am Ende und 100% glücklich.

Aber zum wichtigsten Mal – denn ich war besser vorbereitet, denn Je. Auch der Zeitpunkt, den ich ausgewählt habe, war wichtig. Denn ich konnte genau die Zeit des Notstandes im September dokumentieren. Vielleicht kann ich sowas sogar irgendwann hauptberuflich machen. Ich schlafe derzeit sehr gut – nicht nur, weil ich von der ganzen Arbeit müde bin, sondern auch weil sich dadurch das ich aufgestanden bin und immer weiter arbeite weiter komme im Leben. Was ich dir damit sagen will. Egal wie verrückt der Weg ist, an den du denkst – man kann selbst ganz viel schaffen, von dem andere Menschen behaupten, dass das gar nicht geht.

Ist es das wert?

Für mich ja! Vielleicht aber nicht für dich. Das kann ich nicht beurteilen. Es ist richtig zu sagen: bei Selbstausbeutung mache ich nicht mit! Und wir brauchen dringend einen strukturellen Wandel in der Wissenschaft. Trotzdem darf dein Leben nicht aufgrund struktureller Probleme leiden. Ich kann dich nur ermutigen, deinen Weg zu gehen. Es lieber wenigstens probiert zu haben, als in einem Jammertal zu verharren.

Schon alte Abenteurerinnen wie Ida Pfeifer wussten: Wenn du dein Leben nicht lebst, hast du nichts davon. Also wünsche ich dir, dass du die Kraft findest, es selbst in die Hand zu nehmen.

Immer wieder aufstehen und weiter machen, auch wenn es schwerfällt. Wir alle haben mal Zeiten im Jammertal. Das ist okay. Verurteile dich nicht dafür. Es kommen wieder bessere Zeiten. Und wenn nicht von selbst denk immer an das gute alte Punkmotto: DIY or die. Das gibt dir nämlich deine Selbstbestimmung zurück.