Die 5 schlechtesten Karriereratschläge die ich bekommen habe

Dieser Artikel handelt von Frust. Nicht nur mein eigener, sondern auch der Frust von Freund*innen. Deswegen habe ich zum Ausgleich auch 5 Dinge, derentwegen ich nicht verbittere, notiert. Dennoch: Ich habe mich auf wirklich viele Stellen beworben. Ich weiß, ich hatte bei jeder Bewerbung die Ausbildung und Qualifikation sehr gut auf diesen Arbeitsplätzen zu sein. Doch eingestellt hat mich bei diesen wirklich guten Jobs niemand. Deswegen reflektiere ich heute das, was man mir geraten hat. Denn: Ich bin mir wirklich nicht mehr sicher, was richtig ist und was falsch. Deswegen schreib’ gerne einen Kommentar unter den Artikel. Nun zu den schlechtesten Ratschlägen, die ich bekommen habe:

1. Die Archäologie ist sehr unsicher – Bau dir ein zweites und ein drittes Standbein auf

Ich wollte immer schon Schreiben. Trotz meiner Legasthenie galt ich als das schreibtalentierte Kind meiner Schule. Ich war zwei Jahre Chefredakteurin meiner Schülerzeitung, bei der Jugendpresse meines Bundeslandes aktiv und das ist nur ein Ausschnitt. Dass eines Tages etwas, wie Miss Jones entstehen würde, war also rückblickend absehbar. Und nicht nur das: Ich habe auch hier und da mal ein bisschen Geld dafür bekommen. Ein zweites Standbein ist es nicht geworden. Aber mein gescheitertes zweites Standbein hat zu einem Problem geführt:

Ich habe mich auf archäologische und Historiker*innenstellen und in Museen beworben (ich habe auch Museumsmanagement studiert). Dort wird mir erklärt, dass ich eigentlich Journalistin bin. Sogar eine hervorragende Journalistin sei. Das man meine Texte immer gerne und aktiv lesen und verfolgen würde. Weil die so gut sind, wäre ein Job bei ihnen für mich genau das falsche. Man würde meinem wahren Talent im Wege stehen. Und ich würde da einfach nicht hingehören.

Steht mir mein Blog im Weg?

Und natürlich habe ich mich auch als Journalistin beworben, z.B. für Volontariate. Dort wurde mir erklärt, dass sie meine Arbeit aufmerksam verfolgen. Das ich eine exzellente und wirklich talentierte Archäologin und Historikerin sei. Und dass man es wirklich nicht verantworten könne, wenn ich dort arbeiten würde. Denn man würde der Archäologie ein Talent wegnehmen, das noch viele großartige Dinge erreichen würde. Und deswegen wäre es für mich genau das falsche als Journalistin zu arbeiten. Ich würde da einfach nicht hingehören.

… Ich frage mich so langsam ist es falsch gut zu sein? Ist es falsch, sich ein zweites Standbein aufzubauen? Ist es falsch, mehr als eine Qualifikation zu einem Arbeitsplatz mitzubringen? Oder ist das eine freundliche Variante von: Eigentlich kannst du Garnichts!? Was soll ich gegen diesen Teufelskreis tun? Habt ihr eine Idee? Und wenn ihr euch fragt, wenn ich schreiben will, warum ich nicht gleich Journalismus studiert habe – der 2. schlechte Rat, den man mir gegeben hat:

2. Studiere bloß nicht Journalismus

Diesen Rat bekam ich mehrfach. Bei der Jugendpresse zum Beispiel oder von meiner Uni. Mir wurde geraten, irgendwas anderes zu studieren. Irgendwas Interessantes. Und dann über mein Schreibtalent und meine Zusatzqualifikation an einen Job als Journalistin zu kommen. Journalismus würde heutzutage jeder studieren.

5 weise Orchideenblüten

Kleine Fächer werden auch Orchideenfächer genannt, und man hat mir explizit geraten, ein solches Fach zu studieren (Bild: anncapictures Pixabaylizenez)

Mit einem seltenen Fach würde ich aber ganz andere Qualifikationen mitbringen. Bei der Beratung meiner Uni wurde mir versichert „journalistisches schreiben lernen sie auch im Archäologiestudium!“ und Archäologie ist seit meiner Kindheit meine Leidenschaft, das Problem: Das stimmte nicht. Heute bin ich frustriert davon, dass wirklich jede Beratung für meinen Weg falsch war. Oder nicht? Bin ich ein Mensch, den andere Menschen vielleicht einfach nicht mögen?

3. Zeige Engagement

Ich habe immer viel getan und stehe jetzt zwischen den Stühlen – keine Ahnung, wie ich das im Nachhinein ändern kann. Andere ziehen beruflich einfach an mir vorbei. Vor allem, weil sie als „engagiert“ gelten. Dabei galt es für eine Person als Engagement, dass sie bei mir einen Gastartikel geschrieben hat und sie hat deswegen einen Job bekommen. Ich freue mich für sie, habe aber selbst schon rund 500 Artikel veröffentlicht.

Der leere Raum mit den grünen Stühlen. Eine DGUF-Tasche liegt auf einem Stuhl.

Engagement zeigt man auch, in dem man in Vereine geht oder bei Tagungen auftaucht wie hier 2018 in München. Nur scheint das weniger gewünscht zu sein, als angekündigt.

Mir wurde bei einigen Bewerbungen mitgeteilt, das sei Zitat: „zu wenig“. Und auf der anderen Seite sind dann die Absagen, die ich bekommen habe, weil Arbeitgeber nicht glauben, dass ich neben meinem Engagement Zeit hätte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Und das immer bei Jobs, die mich beruflich weitergebracht hätten, bei gleichzeitigen weniger Arbeitsstunden als jetzt mit meinen Nebenjobs. Manchmal habe ich schon gedacht, es wäre besser Miss Jones nicht mehr zu betreiben, weil es mir beruflich im Wege steht. Macht es überhaupt Sinn, sich zu engagieren? Was mache ich falsch?

4. Stell dich dumm

Das ist kein wörtliches Zitat, sondern kam durch die Blume. Ich habe ich mich beraten lassen, weil ich beruflich nicht weiterkomme. Die haben sich meine Referenzen angesehen und haben dann gesagt: Ich solle dringend weniger machen und auf keinen Fall zeigen, was ich alles kann. Der Berg an Qualifikationen, den ich mitbringe, schüchtere nämlich potenzielle Arbeitgeber ein.

Miss Jones Mit Indiana Jones Hut vor den Ruinen von Knossos

Ja – ich weiß – quatschiges Poserbild… Ich weiß, ich bin ein bunter Vogel – aber das macht mich doch nicht weniger qualifiziert.

Das deckt sich tatsächlich damit, dass ich immer wieder feststellen musste: Der Job, für den ich zu 180% qualifiziert war, ging an eine weniger qualifizierte Person, die aber ein richtig graues Mäuschen ist. Und ich bin viel, aber kein graues Mäuschen. Ist es also generell falsch, dass ich ich bin? Soll ich mein Licht in den Schatten stellen? Sind starke Frauen einfach nicht erwünscht? Oder geht es doch um meine Person? – ihr merkt – das geht ganz schön auf Selbstbewusstsein, in diesem Absagenhagel zu stehen!

5. Werde schnell mit der Uni fertig

Gut zugegeben – habe ich nicht gemacht. Ich habe ewig studiert. Das hatte verschiedene Gründe. Z.B. war ich zwischenzeitlich obdachlos. Und ich bin zu sehr viel mehr Seminaren gegangen, als ich gebraucht hätte und habe mir einen umfangreichen Wissensschatz angeeignet. Ich muss sagen: Es sollten mehr Leute lange studieren – denn die gesamte Menschheitsgeschichte in wenigen Semestern in sich herein zu stopfen – das ist nicht nachhaltig. Die Ausbildung wird besser. Aber ich gelte deswegen auch als faul. Darum stellt mich keiner ein.

Ein aufgeschlagenes Notizbuch in dem Viele Bilder von römischen Kaisern eingeklebt sind mit Text dazu

… dafür sehen meinen Uniaufzeichnungen aber auch so aus…

Aber: Ich habe auch Freund*innen, die wirklich hervorragende Archäolog*innen sind, die sehr schnell alles abgeschlossen haben. Die sitzen jetzt auch ohne Job da. Sie gelten als zu wenig qualifiziert. Man kann es gar nicht richtig machen. Das heißt: Job oder nicht – das ist Glückssache. Oder wie würdet ihr das bewerten? Hinzu kommt: Arbeitgeber wollen immer wieder Qualifikationen haben, die man an der Uni nicht lernen kann, sondern nur im Beruf. Das heißt, die erwarten, dass die Universitäten anders ausbilden. Wenn man diese Qualifikationen nach dem Studium nicht hat, die man auch gar nicht lernen konnte, bekommt man den Job nicht und die Arbeitgeber krähen im selben Moment „Fachkräftemangel“.

Zwei Männer mit Hut in einem Holzboot. Sie graben es gerade aus. Schwarz Weiß bild aus Sutto Hoo

Sutto Hoo bei der Ausgrabung – und ungelogen, wenn man nur ein Archäologiestudium abgeschlossen hat, wäre man für eine solche Ausgrabung überhaupt nicht qualifiziert.

Es gibt also ein Problem, dass wir Absolvent*innen nicht selbst gemacht haben. Diejenigen unter uns, die einen Studie-Job in einer Grabungsfirma ergattert haben, sind deswegen die mit der großen Karrierechance. Weil die im Nebenjob die Qualifikationen gelernt haben, auf die es dem Arbeitgeber eigentlich ankommt. Dieser Weg war für mich nach einer Beinverletzung zu lange versperrt, als dass ich das jetzt noch nachholen könnte. Am Ende bleibt in meinem Kopf nur dieser eine Satz zurück:

Wie man es macht, macht man es falsch.

Und wenn mich heute junge Leute fragen, wie man an sein Ziel kommt, verkneife ich mir oft „gar nicht“. Ich antworte „Stück für Stück – man kann sich mit irgendeinem Job etwas Geld zusammensparen und damit seine Arbeit selbst bezahlen – und vielleicht hast du irgendwann Glück und landest bei deinem Traumjob. Hör nie auf zu probieren“. Und das antworte ich nur, weil ich das als meine einzige Chance ansehe, überhaupt mal für ein oder zwei Wochen im Jahr ich selbst zu sein – denn bei meinen Nebenjobs als Touristenguide muss ich mich tagtäglich verstellen. Aber: Ich war letzten Sommer auf Lampedusa.

Miss Jones sitzt neben einem Fluchtboot und Zeichnet es.

Ich mache meine Forschung jetzt einfach trotzdem. Und das ist im Grunde der einzige gute Rat, den ich anderen geben kann. Trotzdem arbeiten.

Für mein Herzensforschungprojekt habe ich ein Jahr mein Trinkgeld gespart. Denn: wenn mich niemand haben will – dann muss ich mir halt selbst die Dinge ermöglichen, die mir wichtig sind. Ich jobbe, um meine Arbeit zu bezahlen und finde es unfair immer wieder als faul bezeichnet zu werden. Aber gerade habe ich den Eindruck, mit genau dieser Strategie meinem Ziel näherzukommen.