#unbezahlt – es braucht auch einen mentalen Wandel!

Von der negativen Konkurrenz als Antriebsmotor des Prekariats der Wissenschaft

Von: Yasmin Frommont, M. A. – Kunsthistorikerin

Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Geschichte,

Abschluss Master of Arts in Kunstgeschichte.

War viele Jahre in verschiedenen Positionen in der Hochschulpolitik und abseits davon für die Belange der Studierenden tätig. Um die Zeit bis zur Klärung der Finanzierung der geplanten Dissertation sinnvoll zu überbrücken, studiert sie noch bis zum Sommer 2019 Renaissancestudien an der Universität Bonn und Florenz.

Auf Twitter wird seit einigen Wochen über den Hashtag #unbezahlt über die prekäre Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses debattiert, gegenseitig geliked und retweetet. Besonders der akademische Mittelbau berichtet über zahlreiche Kurzzeitverträge, die Erwartung mehr als die im Ausschreiben vereinbarten 50% zu arbeiten oder welche Mehrarbeit in der universitären Lehre geleistet werden muss und dabei die eigene Forschung häufig ins Abseits rutscht. So wichtig die Erfahrungsberichte und der Aufschrei auch sind und man voller Zuversicht Bewegung beobachten kann (siehe Uni Kassel unbefristet), so fehlt mir häufig die Sicht der Studierenden.

Wie die Diskussion um die TV-L Anstellungsverhältnissen von studentischen Hilfskräften an der Humboldt-Universität Berlin zeigt, sind gerade die Studierenden das schwächste Glied des wissenschaftlichen Nachwuchses, obwohl wir zahlenreich den anderen Gruppen haushoch überlegen sind. Gegen das Vorgehen der Berliner Universität hat sich massiver Protest erhoben und dennoch hält das Präsidium an ihrem Vorhaben fest, mehrere hundert Studierende, die in der Verwaltung oder in den Bibliotheken zu entlassen oder deren Vertrag auslaufen zu lassen.

Pergament mit der Aufschrift #Unbezahlt

Heutzutage studieren, heißt schnell sein. Die Bologna Reform fordert ein schnelles, zügiges Studium, das Fach fordert außeruniversitäre Erfahrungswerte, da das Studium auf dem Arbeitsmarkt nicht reicht. Also absolvieren die Studierenden ein unbezahltes Praktikum nach dem Anderem oder arbeiten mit Glück (schlecht bezahlt) an den Instituten oder Forschungseinrichtungen der Universität. Es ist keine Seltenheit und eher geläufiger Usus, dass sie dabei über den vereinbarten 10std die Woche arbeiten und auch mal am Wochenende sich an den Schreibtisch setzen und noch schnell etwas recherchieren/ korrigieren oder formatieren für den Aufsatz, der am Montag eingereicht werden muss. Eine Situation, die die Studierenden häufig mit ihren Kollegen*innen aus dem Mittelbau teilen.

Durch die mangelnden Erzählungen aus Sicht der Studierenden, fehlt auch die Erwähnung all der EHRENAMTLICHEN Arbeit, die durch Studierende gemacht wird. Bestes Beispiel ist die Studierendenvertretung durch die Fachschaften. Neben dem Bild, dass diese nur in ihrem Raum sitzen und Kaffee trinken und einmal im Jahr die Sommer- und Weihnachtsfeier organisieren, ist der Fachschaftsrat auch für die Beratung von Studierenden, Schreiben von Stellungnahmen zu Qualitätsverbesserungsmittel-Anträgen in der Lehre (Ohne die kein QVM Antrag bewilligt wird.), Vertretung aller Studierenden des Faches gegenüber dem Institut/ Lehrstuhl/ Öffentlichkeit etc. zuständig. Ganz davon abgesehen, sind es auch häufig die Fachschaftsräte, die bei Berufungskomissionen oder Akkreditierungen als studentische Mitglieder dazu gerufen werden, da die Bereitschaft bei den restlichen Studierenden oft fehlt. Ja wieso fehlt eigentlich das Interesse bzw. die Bereitschaft sich für Dinge außerhalb des Studiums ein zu setzen? Die Entpolitisierung der Studierendenschaft und das mangelnde Interesse mancher an gesellschaftsrelevanten Themen möchte ich hier nicht weiter behandeln, aber es lohnt sich zumindest einen Punkt unter dem Aspekt von #unbezahlt und der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses näher zu betrachten: das Konkurrenzverhalten, welches neben dem Zeitdruck einer der Gründe ist, warum sich Studierende nur mit ihrem eigenem Studium beschäftigen und sich nicht politisch engagieren.

Vor kurzem habe ich mit einer meiner Kommilitoninnen über Konkurrenz Situationen unter Studierenden gesprochen. Ich kann natürlich nicht für alle Fachbereiche sprechen, aber zumindest in den Geisteswissenschaften sind die Stellen nach dem Studium rar gesät und eine gewisse Konkurrenz zueinander ist zwangsläufig normal. Aber das Manche gezielt Andere sabotieren oder wichtige Informationen vorenthalten, damit man am Ende besser dasteht, habe ich in meiner Studienzeit und von Erzählungen Anderer leider allzu oft mitbekommen. Von der Kommilitonin, die sich an einen dranhängt, als sie erfährt, dass man ein Praktikum an einem Auslandsinstitut vermittelt bekommen hat und sobald man ihr geholfen hat mitzukommen, einen mit dem Arsch nicht mehr anguckt, über eine vermeintliche Freundin, die bei ihrer Festlegung auf einen Forschungsschwerpunkt feststellt, dass eine Freundschaft nun nicht mehr funktioniere, weil man nun eine Konkurrentin sei, bis hin zur Dozentin, die gezielt Hilfskräfte gegeneinander aufspielt und bestimmte Studierende vor anderen verunglimpft, weil sie Angst hat, dass diese ihr als Doktorranden*innen ihren Job wegnehmen könnten. Das sind hier vielleicht Extrembeispiele, aber es macht eins deutlich: Die Angst nach dem Studium ohne Job dazustehen, sitzt tief und verunsichert viele Studierende. Nicht Wenige halten diesem Druck nicht stand und brechen das Studium ab oder wenden sich nach dem Studium von der Wissenschaft ab, obwohl sie über alle benötigten Kompetenzen verfügen. Die Angst und Verunsicherung spiegelt sich auch auf der nächsten Ebene, dem Mittelbau, wider. Aus Sorge vor persönlichen Nachteilen arbeiten Doktoranden*innen und Andere über ihr eigentliches Arbeitspensum hinaus und scheuen auch Überarbeitung und emotionalen Druck nicht, wenn es die nötigen Pluspunkte beim Professor*in gibt, die einem dann endlich den erhofften Karrieresprung ermöglichen.

Aus diesem Ungleichgewicht entstehen Abhängigkeiten und der Zwang von einer befristeten Stelle in die nächste zu hechten, weil wenn ich es nicht mache, dann stehen da Hundert Andere, die nur liebend gerne meinen Job übernehmen.

Aber gerade an dieser Stelle ist kollektiver Zusammenhalt wichtig! Ein gutes Netzwerk aus Bekannten und Freunden, die sich gegenseitig helfen, auf dem Laufenden halten und einen motivieren weiter zu machen, sind die essentiellen Bausteine um erfolgreich nach dem Studium weiter zu machen. Dieser Ansatz war eigentlich mein Anlass, mich in die #unbezahlt Diskussion einzuklinken. Nur durch den Zusammenhalt von Studierenden, Mittelbau und Professoren*innen Ebene ist eine Veränderung der prekären Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses möglich.

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