Die Aktionswochen sind kurz vor dem Ende und ich möchte euch zum Abschluss eine Frage beantworten, die ich schon einignen von euch schon PN (Privatnachricht) beantwortet habe. Vor längerer Zeit habe ich ja schon den Master abgeschlossen und seit dem stand irgendwie alles still:
Die Probleme
Zum einen bin ich in ein super tiefes Masterarbeitsloch gefallen. Das ist die Depression, die manche bekommen, wenn plötzlich die Abschlussarbeit abgegeben ist und dann nichts mehr zu tun ist. Meine Krise begann leider schon viel früher. Deswegen ging es mir schlecht, ich brauchte erstmal die Möglichkeit mich aufzurappeln.
Wichtig war: Ich bin umgezogen in eine Wohnung, wo ich bleiben werde. Zudem habe ich angefangen, haufenweise Bewerbungen zu verschicken. Jobs in Hamburg und Umgebung. In meinem Beruf, in Berufen, die meinen Beruf tangieren und in ganz anderen Jobs. Hauptsache Arbeit, denn das Arbeitsamt hatte mir den Umzug eigentlich verboten und drohte mit Sanktionen, es galt also den nächstbesten Job zu schnappen.
Jobs und Nebenjobs
Die Idee: Erst suche ich mir Nebenjobs und später tausche ich die dann gegen richtige Arbeit in meinem Beruf. Die Ausführung: Ich habe nun schlecht bezahlte Jobs für ungelernte Arbeiter. Dann habe ich unfassbar viele Bewerbungsgespräche in meinem Beruf gehabt – und niemand will mich haben.
Die Zeit verstrich – ich machte aus Miss Jones eine offizielle Firma, um wenigstens ab und zu mit meiner Arbeit etwas Geld zu verdienen. Die Auftragslage war und ist aber so unterirdisch, dass ich einen meiner Jobs brauche, nur um Miss Jones zu finanzieren. Ich brauchte eine Lösung, bevor ich ganz raus bin aus dem Beruf. Dann kam meine Idee:
Die Not zu Tugend machen
Es ist offensichtlich: Ich bin den meisten Arbeitgebern, zu laut, zu schrill, zu aktivistisch und zu selbstbewusst. Die größte Gemeinsamkeit aller Leute, die mir Jobs vor der Nase weggeschnappt haben, ist: Es waren graue Mäuschen. So eine Queere Punkette, mit nicht Akademiker-Eltern, die mal auf der Strasse gelebt hat, passt offensichtlich nicht in die Hamburger etepetete Museumswelt.
Ich habe also keine Chance auf einen Job in meinem Beruf, außer ich höre auf ich zu sein. Und immer, wenn ich vor einem „entweder – oder“ stehe, nehme ich nichts von beidem und überrasche die Leute:
Ich mache mich zu meinem Beruf
Klar, der Weg ist schwer. Miss Jones ist, um ehrlich zu sein, schon lange Teil davon. Du kannst mir mit deinem Trinkgeld helfen. Wichtig für mich ist aber: Ein Teil vom ich-sein ist Aktivismus. Deswegen habe ich schließlich mein altes Projekt ausgepackt. Meine Betrachtung der Grenze bei Lampedusa mit archäologischen Methoden.
Ein Projekt, das direkt aus meinem Herz kommt. Das wird nun meine Promotion. Dafür bin ich gerade an die Uni Kiel gewechselt, die ja Gott sei Dank nur eine Stunde Fahrt von Hamburg entfernt ist. So muss ich nicht umziehen. Außerdem hoffe ich in den nächsten Jahren so viel Zeit wie möglich auf Lampedusa zu verbringen.
Und wer bezahlt das?
Ja – das ist noch so die Frage. Viele gehen davon aus, dass, wer eine Doktorarbeit schreibt, dafür auch bezahlt wird. Das stimmt nicht. Ja, es gibt Doktorandenstellen, ja es gibt manchmal bestimmte Stellen an Unis, wo man in einem Forschungscluster sitzt und für die Arbeit an der Dr.- Arbeit bezahlt wird. In einigen Fächern bezahlen sowas sogar Firmen einer entsprechenden Industrie. In der Archäologie sind diese Modelle selten.
Die meisten Leute gehen jobben, um ihre Forschung zu bezahlen. So ist es bei mir auch. Ich habe derzeit 15 Stunden Job 1, 5 Stunden Job 2, 20 Stunden Miss Jones (Job 3) und 40 Stunden Promotion die Woche an Arbeitszeit. Macht eine beinharte 80 Stundenwoche, wobei ich jetzt mal ne Liste gemacht habe und es nachgezählt habe – im Schnitt komme ich sogar auf 84 Stunden die Woche. Das hält kein Mensch lange durch und deswegen reagiere ich auch sehr gereizt auf Leute, die mir sagen, ich sei faul bzw., Generation Hafermilch. Deswegen:
Stiftungen und Stipendien
Ich stelle derzeit Anträge bei Stiftungen, um an ein Stipendium zu kommen, damit ich richtig, gut und konzentriert forschen kann. Drückt mir die Daumen, dass es klappt. Außerdem könnt ihr mich weiterhin mit dem Trinkgeld per Paypal unterstützen, oder aber ihr ladet mich ein und ich erzähle etwas über Lampedusa und dann geht eine Spendendose herum.
Zudem habe ich angefangen verschiedene Bands anzuschreiben, die oft für wohltätige Zwecke spenden, ob sie einen Forschungsaufenthalt auf Lampedusa mitfinanzieren würden. Meistens bekanntere Punkbands, wie Dritte Wahl oder die Toten Hosen. Leider kam nie eine Antwort. Das bin ich schon gewohnt. Ich schreibe seit Jahren regelmäßig Sponsoren an, um Miss Jones irgendwie besser gestalten zu können – noch nie hat jemand geantwortet. Das heißt, ich gehe davon aus, dass ich Forschung und Miss Jones weiterhin nebenbei auch noch komplett selbst finanzieren muss.
Die Nachteile haben auch Vorteile
Niemand quatscht mir rein. Ich mache alles allein. Und ich kann machen, was ich will. Deswegen mache ich jetzt einfach dieses Projekt, auf Lampedusa, dass mir so unendlich am Herzen liegt. Das würden sich andere in Hinsicht auf ihre Karriere nicht trauen. Ich musste ja aber schon seit längerer Zeit einsehen, dass ich eh keine Karrierechangen habe – also kann mir das auch egal sein und ich kann machen, was ich will. Ich hoffe, dass dadurch, dass ich z.B. den Deutschen Studienpreis für meine Masterarbeit bekommen habe, genug Aufmerksamkeit erzeuge, um immer wieder Leute bei mir zu haben, die mit mir neue und auch mutige Projekte wagen.
Das heißt, dass ich in der Zukunft genauso weiter machen will: Ich will mir Forschungsprojekte ausdenken, die durch Mark und Bein gehen – die sinngebend sind und zeigen, wie wichtig Archäologie ist. Ich will Türen aufstoßen für zukünftige Forschungen der nachfolgenden Generationen. Dazu muss ich halt weiter unkonventionelle Wege gehen. Und eben auch das Geld auftreiben, dass das kostet. Und wenn das heißt, dass ich wie im Moment Jobs mache, die ich selbst fragwürdig finde – dann muss ich die halt trotzdem machen.
Das heißt aber auch
Es wird Miss Jones noch lange geben. Denn ich brauche den Blog als Ausgleich und auch um mich selbst auf dem Laufenden zu halten. Er ist nicht nur für euch eine Sammlung spannender Geschichten. Er ist für mich auch eine Datenbank mit Notizen zu verschiedensten Themen. Ein nützliches Tool, das mein Gehirn fit hält – wodurch ich immer die neusten Methoden kenne. Auch wenn viele Kolleg*innen allein deswegen schon nichts mit mir zu tun haben wollen, weil es Miss Jones gibt. Weil ich so schreibe, dass Laien das auch verstehen, gelte ich bei einigen als Nestbeschmutzer. Ich habe zeitweise überlegt Miss Jones einzustellen, weil es eben sooo verdammt viele Nachteile für mich hat diesen Blog hier zu schreiben.
Aber irgendwie geht es mir in einem Leben nach dem Motto „ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ sehr viel besser. Ich weiß, dass ich das Richtige tue. Sowohl hier bei Miss Jones, wo ich Aspekte der Wissenschaft erkläre, die man sonst nur im universitären Elfenbeinturm findet – für mich ist der Zugang zu verständlicher Bildung ein Teil gesellschaftlicher Freiheit. Und auch auf Lampedusa tue ich auch das richtige. Ganz einfach, weil Menschenrechte so unfassbar wichtig sind, dass ich es nicht in Worte fassen kann – und ich sehe es auch nicht ein, das im Jahr 2024 noch erklären zu müssen.
Das heißt: Ich bin nicht arm, ich habe nur kein Geld
Ich bin innerlich so unfassbar reich und zufrieden damit, dass ich diese Entscheidungen für mich getroffen habe. Und ja, diese 80-Stunden-Woche ist verdammt anstrengend. Aber es lohnt sich. Und vielleicht liest das ja irgendwer in Hamburg, der einen Job hat, bei dem ich meine Arbeitszeiten vielleicht besser kombinieren kann, auch um im Notfall schnell nach Lampedusa fliegen zu können. Egal was für einen Job, wichtig ist nur Miete, Essen und Krankenversicherung müssen dabei hereinkommen. Vielleicht ist aber auch einer der Anträge erfolgreich, oder aber eine der Punkbands spendet mir tatsächlich etwas Geld, das wird sich zeigen. Klar ist:
Genau so wird vmtl. jetzt der Rest meines Lebens aussehen – mir Projekte ausdenken, versuchen Gelder einzuwerben, dann die Projekte durchführen. Ein fester Arbeitsvertrag ist für mich leider nicht drinnen, denn einstellen tut mich ja einfach niemand, das heißt: Altersarmut ist bei mir vorprogrammiert, aber ich habe mich noch nie aufhalten lassen – und mir wurden schon viele Beine gestellt. Deswegen weiß ich: Ich werde noch viele tolle Sachen machen und ein erfülltes Leben haben. Und das ist wichtig. Trotz diesem Problem: