Die Probleme der Archäologie-Wissenschaftskommunikation in Deutschland und ihre Folgen

Es könnte so einfach sein. Dokumentationen über Archäologie laufen im TV – Menschen interessieren sich dafür. Blogs und Zeitschriften und auch Zeitungsartikel über Archäologie werden gerne gelesen. Ich würde super gerne in diesem Bereich arbeiten. Bislang endete jeder Versuch erfolglos – vielleicht ist es euch aufgefallen, die meisten Berichte im TV kommen aus dem Ausland. In Deutschland ist der gesamte Berufsbereich archäologische Wissenschaftskommunikation eine einzige Katastrophe:

Das Treffen mit anderen Kommunikatoren

Ich war vergangenen Sommer in Leipzig bei einer Tagung zu genau diesem Berufsfeld. Dort waren viele, die das beruflich machen. Ich dachte Autor*innen von großen Medien wie GEO und der Welt kennen vielleicht Lösungen für meine kleinen Blogprobleme – es zeigte sich: NEIN – sie haben die gleichen Probleme!

Eine Frau hält dem Betrachter ein Gehirn entgegen und sagt "Use it"

(Das Meme habe ich irgendwo mal entdeckt – wenn es bildrechtlich ein Problem gibt, bitte bei mir melden)

Die Hauptprobleme sind komplett hirnrissig. Ich hoffe also, dass viele Kolleg*innen diesen Artikel lesen. Wenn ich ausfällig werde, ist das auch so gemeint. Am Ende des Beitrages werdet ihr wissen, warum ich wütend bin – kurz gesagt: Ich habe keinen Bock immer die andere Wange hinzuhalten. Zunächst zu DEM Verbindungsglied zwischen Archäolog*innen und Journalist*innen:

Die Presseerklärung

Landesämter, Museen und Universitäten haben eigene Seiten, auf denen sie Presseerklärungen veröffentlichen. Journalist*innen oder auch Miss Jones suchen dort nach spannenden Themen. Also in Erklärungen, die dafür verfasst wurden, dass etwas bekannter gemacht werden soll.

10 Menschen schauen auf eine sehr dreckige Frau, die in einem Erdloch steht und ihnen etwas erklärt.

Läuft alles gut, kommt dann z.B. der Presse zu der Ausgrabung und berichtet. Die meisten Erklärungen gibt es aber zu den Forschungsergebnissen selbst (Bild: Pfahlbauten.at).

Das hat etwas damit zu tun, dass die Archäologie ihre Existenz rechtfertigen muss. Deswegen sind gute Presseerklärungen super wichtig. Das Problem heißt:

Schlecht geschriebene Presseerklärungen

Jemand, der einen Artikel schreibt, brauchte eine Geschichte – die Relevanz muss sich den Journalist*innen erschließen. Daran erkennt man eine gute Presseerklärung. Für Journalisten ist, vieles oft unverständlich, weil sie etwas anderes studiert haben. Ein Beispiel: Ein Journalist sieht hier nur einen Fleck in der Erde:

Ein abgezogener Boden. Im Sand zeichnet sich ein dunkelbrauner runder dicker Fleck ab.

So sieht ein Pfostenloch bei einer Ausgrabung aus (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ich sehe dort einen Überrest von einem ganzen Haus. In der Presseerklärung muss also genau das erklärt werden. Das Problem: Die meisten Leute, die die Presseerklärungen schreiben, haben nicht Archäologie, sondern Journalismus studiert. Die wissen es selbst nicht und müssen mit dem Leben, was die Ausgrabung ihnen an Information zur Verfügung stellt. Viele Archäologen sind so verkopft, dass sie glauben, jeder Mensch sieht sofort den Befund. Misskommunikation ist also eine Ursache für schlecht geschriebene Presseerklärungen. Oder aber verkopfte Archäologen, die selbst die Erklärung schreiben und glauben, ihr Wissen sei Allgemeinbildung. Und es gibt ein weiteres Problem:

Schlechte Bilder

Außer bei Podcasts und Radio ist das wichtigste, was Journalist*innen brauchen, gutes Bildmaterial. Gerade in der Archäologie, wenn es um Funde geht, müssen die auch gezeigt werden. In Deutschland fallen Archäologiepresseerklärungen dabei vor allem durch eines auf: hundsmiserable Bilder – Besonders ärgerlich: es sind oft gute Bilder in Presseerklärungen, aber in Briefmarkengröße.

Ein Aufsteller mit ganz vielen unterschiedlichen Tageszeitungen.

Am Ende wollen viele in die Medien, um ihre Projekte bekannter zu machen (Bild: Pixabaylizenz).

Es gibt Zeitschriften, die zu jedem Artikel eine Seite haben, die komplett von einem Bild gefüllt ist. Man braucht also ein Bild, das groß genug ist, sonst kann man mit dem Bildmaterial nichts anfangen. Oder aber: Es gibt keine informationen, ob an die Bilder überhaupt verwenden darf – und das kann zu hohen Abmahnungen führen. Zudem: heutzutage sind die meisten Medienbeiträge digital – Da sind Bilder dann noch wichtiger. Das größte Problem ist also:

Schlechte Bilder Teil 2

Unabhängig davon, ob Blog, Zeitung oder Zeitschrift – Das wichtigste sind die Klickzahlen. Für viele dieser Formate ist wichtig, dass sie ohne Umweg über eine Anfrage nach Bildern sofort berichten können, denn wer zuerst berichtet, malt zuerst. Aufmerksamkeit für sein Presseerzeugnis generiert man über Google und Social Media. Dafür gibt es die sog. Card – eine Kombination aus Bild und Überschrift, die automatisch entsteht, wenn man einen Link z. B.: auf Facebook postet. Vielleicht habt ihr schon gemerkt – das funktioniert nicht immer – und wenn das nicht funktioniert, übersehen viele beim Scrollen den Artikel.

Eine Facebookcard mit einem Buchtipp.

So habt ihr das bestimmt schon mal gesehen. Das ist eine Card, die muss an der Homepage direkt eingestellt werden. Fehlt das Bild weil keines zur verfügung steht, das groß genug ist, gibt es keine Card (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Also muss diese Card funktionieren. Dafür braucht es ein Bild mit einer Mindestbreite von 1000 Pixeln. Wenn Bilder im Format Briefmarke vorliegen, kann also am Ende der Artikel nicht anständig publiziert werden. Ein Journalist nimmt sich dann also einfach eine andere Presseerklärung, zu einem ganz anderen Thema, wo Bilder entsprechender Größe problemlos beiliegen. Man könnte meinen: Das wissen, die in den Presseabteilungen doch, immerhin haben die das studiert und verdienen für diese Arbeit ja auch meist mehr Geld als die Archäolog*innen selbst. Diese Kleinigkeit ist wirklich so banal:

Das bekommt ja wohl auch der Schülerpraktikant in der Abteilung auf die Reihe!

Leider nein – Es gibt in Deutschland z.B. in jedem Bundesland ein Bodendenkmalamt mit einer Seite für Pressemitteilungen**. Ausschließlich Bayern legt den Presseerklärungen ausreichend große Bilder bei (Anmerkung: nach der veröffentlichung dieses Beitrags, haben einige Landesämter und Museen ihre Bildgrößen angepasst – Danke dafür!). Alle anderen bekommen das nicht auf die Reihe! Teilweise rechnen sie die Bilder sogar absichtlich klein.

Ein weises Bild ohne Inhalt.

Am Ende steht dann eben keine Berichterstattung (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ich dachte, ich bin eine kleine Bloggerin, die großen Redaktionen haben Lösungen für dieses Problem – deswegen habe ich mich umgehört: Die Lösung lautet überwiegend: Wir berichten nicht, wenn keine anständigen Bilder dabei liegen! Wenn ihr euch wundert, dass immer die gleichen Museen und Bundesländer in den Medien sind – das sind die, die Bilder in ausreichender Größe zur Verfügung zu stellen.

Ich selbst, wie ich mit vollem Einsatz ein Froschperspektivebild von einem Burgwall mache.

Man lernt fotografieren eigentlich im Archäologiestudium (Bild: Mareike Rasenack (CC BY-NC 3.0 DE))!

Ein Phänomen macht die Situation noch bescheuerter: Bilder, die zur Abwechslung mal groß genug sind, sind oft nicht verwertbar. Z. B. eine Archäologin, die, mit einem gigantischen Check, in eine Kamera grinst, weil die Sparkasse Hintertupfingen 1.000 Euro gestiftet hat. Das ist für die Presse außerhalb des Käseblattes Hintertupfingen völlig uninteressant. Die Interessanten Bilder der Fundstücke liegen dann oft wiedereinmal im Format Briefmarke vor.

Woher kriegen wir besser Bilder?

Dieses Problem ist idiotisch, denn jeder der Ausgraben kann, kann auch Fotografieren – aber, der Fairness halber möchte ich ergänzen: Leute aus Presseabteilungen beklagen: Sie haben Richtlinien, die sie dazu zwingen, Bilder zu verkleinern – das heißt: ganze Presseabteilungen werden gezwungen, für den Papierkorb zu arbeiten. Anderen Angestellten in Presseabteilungen ist das wiederum egal. Sie sind eh keine Archäolog*innen.

Einige Radnadeln vor einem gelben Hintergrund. Es handelt sich um Radnadeln mit einer Öse über dem Rad. Das Rad selber hat in den vier Speichen, ein Rad in der Mitte und drumherum ein weiteres Rad, das mit 8 Speichen befestigt ist.

Was ich nicht verstehe – Fotografie ist ein Teil von Archäologie. Und wir haben so viele tolle Funde wie diese Radnadeln – dass Leute sich sowas gerne ansehen, sollte doch jedem klar sein (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Also wurscht, wenn ein Fach, dass ihnen am Arsch vorbeigeht, den Bach heruntergeht. Mein Eindruck ist – Presserklärungen sind teilweise so grottenschlecht – die Pressestellen wollen gar nicht das berichtet wird…

Und es gibt noch ein Problem:

Oft, gibt es ein Unverständnis darüber, wie Journalist*innen arbeiten. Wenn man einen Pressetermin für z. B. eine Ausgrabung organisieren muss, kann das echt viel sein – ich sage deswegen, dass sollte im Studium behandelt werden. Aber: Es gibt immer wieder Pressefeindlichkeit im Archäologie-Kollegium.

Ein Grün bewachsener Landsporn ragt in ein gigantisches Loch hinein.

Letztendlich brauchen Ausgrabungen, wie hier Schönigen, Medienberichte, weil sie durch Stuergelder finanziert wird, und die Menschen ein Recht haben zu erfahren,w as da passiert – und darüber hienaus wie wichtig der Fund diees Ortes war (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ein Grund, warum mich keiner einstellt: Ich habe schon mit der Presse zusammen gearbeitet. Ich habe schon auf Tagungen erlebt, das es Kolleginnen gibt, die von mir weggehen und 30m Distanz einhalten, wenn sie gehört haben, das ich was mit Presse mache. Man müsste miteinander reden, anstelle dessen gibt es Respektlosigkeiten, was sich wiederum negativ auf die Qualität der archäologischen Wissenschaftskommunikation auswirkt.

Beruf Wissenschaftskommunikation

Das war mal mein Traum. Deswegen habe ich den Blog, Journalismuspraktika, Archäologiestudium und auch noch ein Museumsmanagementzertifikat. Ich mag Wissenschaftskommunikation, und ich schreibe seit meiner frühsten Jugend. Aber: Genau darum werde ich von Archäolog*innen belächelt und nicht eingestellt. Immer wieder durfte ich höhren: „Für richtige Archäologie hat es wohl nicht gereicht“. Auf der anderen Seite belächeln mich die Leute in den Presseabteilungen, wegen des Archäologie- statt Journalismusstudiums.

Ein T-Rex Schädel

Mich macht das so sauer – ich bin mittlerweile schon ein Saurier! (Okay, zugegeben, das ist Stan aus dem Nationalmuseum Rio de Janeiro – aber so wie er guckt, fühle ich mich).

Das sind die gleichen Leute, die Bilder in Briefmarkenformat, in schlecht geschriebene Presseerklärungen packen. Es macht es mich stinksauer, immer wieder von oben herab behandelt zu werden. Vor allem, weil eine Presseabteilung, die auch noch bekannt ist, für besonders miserable Presseerklärungen und besonders winzige Bilder, auf meine Bewerbung für ein Volontariat (also eine Ausbildung in dem Bereich) geantwortet hat, Zitat:

„Da sie offensichtlich über keinerlei Kompetenz und Vorerfahrung im Bereich Wissenschaftskommunikation verfügen, haben sich sicherlich auch nicht damit gerechnet, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden“.

Ich sehe das mittlerweile so: Die gesamte Berufssparte scheitert an einfachst lösbaren Problemen. Bei der ganzen sich gegenseitig bedingten schlechten Arbeit stehe ich mit meinem Blog zwischen den Stühlen und sehe: Dass sich der Berufszweig selbst herabwirtschaftet. Damit meine ich, dass die Kommunikation über Archäologie so langsam verschwindet – und infolgedessen ein öffentliches Verständnis für die Sinnhaftigkeit des Faches – und schlussendlich auch das Fach selbst.

Meinen Traum in diesem Bereich zu arbeiten habe ich mittlerweile beerdigt. Ich habe gar keine Lust, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die mehr Geld verdienen als Facharbeiter, dabei saumäßig schlechte Arbeit abliefern und dann auch noch beleidigend werden. Deshalb konzentriere ich mich jetzt auf meine Dr. Arbeit, denn doch: Für die „richtige Archäologie“ hat es gereicht – sogar mit Stipendium.

** Die Bodendenkmalämter sind ein Beispiel, Presseerklärungen von Museen und Instituten sind genauso schlecht – wobei es einige wenige Ausnahmen gibt

9 Gedanken zu „Die Probleme der Archäologie-Wissenschaftskommunikation in Deutschland und ihre Folgen

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