5 Tipps nicht zu verbittern

„Miss Jones – warum bist du eigentlich noch nicht vollständig verbittert?“

Ja, die Frage wurde mir tatsächlich gestellt. Eine Bekannte, die viele Teile meiner Geschichte mitbekommen hat, hat sie mir gestellt. Sie kennt mich schon lange, kennt die Krisen, die ich durchgemacht habe. Als sie das zu mir sagte, war ich gerade mitten in einem Hagelsturm aus Absagen auf Bewerbungen. An diesem Tag kam nicht eine Absage, sondern gleich 12. Und das, nachdem ich sehr viel für mein Studium gegeben habe, ich war während des Studiums sogar obdachlos und hab mich da herausgekämpft. Und dann stellt mich einfach niemand ein. Das frustriert und meine Bekannte wunderte sich zutiefst, warum ich immer noch fröhlich bin. Deswegen hier meine 5 Tipps, nicht zu verbittern:

1. Versuche dich nicht zu vergleichen

Zugegeben, andere haben es besser! Ja, es ist vieles unfair! Es gibt Sachen, die kann ich nicht mehr machen aufgrund meines Alters – denn obdachlos sein hat mich Zeit und Gesundheit gekostet. Stipendien für eine Doktorarbeit, z.B., haben oft eine Altersbeschränkung. Das heißt die nehmen niemanden über 27, ich bin 35. Es werden Gründe anerkannt, dass man erst später den Abschluss machen konnte – Theoretisch gehört Obdachlosigkeit sogar zu diesen Gründen dazu – Aber es gibt keine Form eines offiziellen Zertifikates, dass ich beantragen könnte.

Mein Tipp ist also sehen, was man hat und nicht sehen, was andere haben,

Ich könnte jetzt sauer sein, auf Leute, die schneller studieren konnten. Aber: Die haben das System auch nicht so gestaltet und Voraussetzungen sind für jeden von uns anders. Ich kenne Leute, die haben Stipendien bekommen, ohne Interesse oder Leidenschaft für das Fach – einfach nur, weil ihre Eltern Akademiker waren und genau wissen, wie man sowas macht. Menschen, die wirklich frustriert sind, weil sie nun jeden Tag Dinge tun, die sie gar nicht tun wollen. Und im Vergleich: Ich hatte es viel schwerer und habe die Uni doch geschafft – sogar eine Auszeichnung für meine Abschlussarbeit bekommen und dabei jeden Schritt mit Leidenschaft gefüllt.

2. Nimm so wenig Hilfe an wie möglich

Das klingt erstmal kurios – ich brauchte ja offensichtlich Hilfe. Aber: Hilfe ist oft fadenscheinig. Viele wollen nur helfen, weil sie gut dastehen wollen. Es gibt darunter auch Leute, die dich manipulieren und klein machen. Es kann bedeuten, dass es dir das Gefühl gibt, es alleine nicht zu schaffen. Oder du musst Dinge annehmen, die du gar nicht willst oder die gar schädlich für dich sind. Das ist nicht immer so böse gemeint, aber besonders schwierig sind Menschen, die einfach drauflos helfen, das Problem aber gar nicht richtig betrachtet haben.

Eine Frau mit Ausgeblichenen Roten Haaren von der Seite. Sie ist bei einer archäologischen Asugrabung, und säubert befunde. Sie trägt ein Weisses T-Shirt uM ihren Kopf ist ein Rots Seidentuch mit Leopardenmuster geknotet.

Mein zweiter Tipp ist also – anpacken, selbst machen, auch wenn es mal schmutzig wird.

Dabei kann mehr Schaden entstehen als Nutzen. Ein anderes Problem ist: Du gibst ein Stück davon ab, dir etwas selbst zu erarbeiten und daran zu wachsen. Deswegen ist mein Tipp dazu nicht zu verbittern: mach dein eigenes Ding! Lass dich nicht wie ein Hündchen dressieren. Wenn du Dinge ganz alleine geschafft hast, wirst du deinen eigenen Selbstwert vergrößern. Echte Hilfe, die du wirklich brauchst, erkennst du daran, dass du an ihr wächst.

3. Sei solidarisch mit anderen und habe ein großes Herz!

Wenn man auf der Straße lebt, wird man täglich beleidigt. Jemanden, der nichts mehr hat, wird so auch noch der Selbstwert genommen. Aber: man kann sich diesen bewahren, in dem man nicht genauso wird, wie diese Kotzbrocken. Als 2015 die Flüchtlinge aus Syrien kamen, war da ein Obdachloser am Bahnhof, der herumschrie, er würde vorgehen, warum denen geholfen würde und ihm nicht. Ich hatte selbst keine bleibe, in dieser Zeit.

Zu meinen Aufgaben gehörte es, mit den Flüchtenden zu reden, mit ihnen auf die richtige Bahn zu warten. Ihre Geschichten voller Hoffnung haben mir Mut gemacht. Mein Tipp ist also: Sei da, wenn du gebraucht wirst – und lerne von denen, die du unterstützt.

Aber ich sah all diese Familien eintreffen – Menschen mit teils blutig gelaufenen Füßen. Ich blieb am Hamburger Hauptbahnhof, stand mit einem mehrsprachigen Schild am Gleis „Flüchtlingshilfe“. Weil ich gut Englisch kann und direkt merke, was Menschen brauchen, war ich diejenige, die die Menschen am Gleis empfangen und weitergebracht hat, zur Notstation mit Sanitätern, zu Ständen mit Essen oder mit warmer Kleidung, zur Schlafplatzbörse, Stände, die selbstorganisiert entstanden waren. Wochen war ich am Hamburger Hauptbahnhof und jeder Tag war sinnvoll. Ich hatte zwar nichts, schlief in einem Abrisshaus, war aber innerlich reich und fand meinen Selbstwert wieder. Das hat mir unglaublich viel Kraft gegeben.

4. Sei fleißig!

Ich finde das besonders schwer zu erklären. Denn es wirkt so, als sei es am Ende eben doch Geld, was glücklich macht. Aber das meine ich nicht. Mein Messpunkt ist, der Sinn der Dinge, die du tust. Denn dieser Sinn gibt Perspektive. Einen Grund, morgens aufzustehen. So ist auch die erste Idee für Miss Jones entstanden. Es ging mir nicht darum zu zeigen, wie fleißig ich bin, sondern es ging mir darum, jetzt die Dinge zu tun, die ich wirklich tun will.

Miss Jones vor dem Bamberger Rathaus

Mein Tipp ist also – fang an! Sofort! Einer meiner Träume war es immer Bamberg zu sehen! Mission abgeschlossen! Warum – ich habe es mir erarbeitet. Also: Leg los!

Abenteuer erleben, schreiben, mich mit Archäologie beschäftigen und Aktivistin sein. Das bin ich. Das ist mein Leben. Ich meine mit Fleiß also, nicht zu träumen, sondern sofort anzufangen und nicht mehr aufzuhören. Egal, wie viele Steine im Weg liegen. Man kann jedem Traum heute noch beginnen. Vielleicht ist der Weg lang. Aber mit dem ersten Schritt bist du schon ein Teil des Wegs gegangen, den du unbedingt gehen willst und sammelst Erfahrungen, die dir niemand wieder nehmen kann.

5. Tee – oder auch Cappuccino

Als ich auf der Straße gelebt habe, gab es in einigen Städten, in denen ich jongliert habe, um an etwas Geld zu kommen, Kioske oder kleine Läden, die mich irgendwann kannten. Die haben mir oft einen Tee oder Kaffee ausgegeben. Und das ist echt gut. Man kann sich einen Moment ausruhen. Wenn so ein Heißgetränk richtig lecker schmeckt, dann ist es ein Moment der Ruhe, des Genusses, den man wirklich auskosten kann. Ich werde diesen Winter nie vergessen.

Ein Becher auf einem Holztisch. Der Becher ist blau und hat ein goldenes Muster. Er ist gefüllt mit Tee.

Und wenn man dann noch einen schönen Becher hat, ist das Glück perfekt. Mein Tipp ist also: schaffe Momente, die nur für dich sind.

Wir schliefen in einer Hausruine, hatten irgendwann die Fenster trotz Schnee aufgemacht, weil es im Haus -5 Grad war, aber draußen nur -3. Und wir hatten einen Raum mit funktionierendem Strom gefunden und schlossen einen Wasserkocher an. Der Tee hat uns vor dem Erfrieren geschützt. Bis heute ist das für mich das Wichtigste. Dieser Moment am Tag, wo ich einfach mal was genieße und Wärme finde. In diesem Moment kann man das ganze Glück der Erde in seinem Teebecher finden.

Alles bloß Bla Bla

Am Ende ist das vielleicht der gleiche Mist, wie in diesen YouTube Live-Coachings erzählen wird. Ich habe diese Coaches nie gebraucht, finde sie aber manchmal ganz unterhaltsam. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was ich besser hätte machen können. Und sich sagen zu können, dass man sein Bestes gegeben hat, das ist nicht nur aufbauend.

Am Ende hat man vielleicht nur Zwiebeln im Portmonee, und muss lernen, mit diesen zu kochen.

Wenn es bei mir Absagen hagelt, zum Beispiel. Oder Leute, die sagen, ich sei nicht gut genug, zu alt und faul – Vor allem aber selbst schuld, weil bei dem Fachkräftemangel müsse ich ja blöde sein, dass ich in meinem Beruf noch keine Arbeit bekommen hätte – dann tut mir das oft weh. Heute lebe ich mit meinen vielen Jobs trotz Studium unter der Armutsgrenze. Das ist nicht cool. Aber das ist einerseits mehr Geld als ich je zuvor hatte und andererseits habe ich diese Erfahrungen, die mich das Glück ich selbst zu sein schätzen lassen. Das gib mir Kraft, immer weiterzumachen. Das wichtigste ist aber: immer wieder in sich selbst hineinhören, um einen ganz eigenen Weg zu finden.

Übrigens – Miss Jones finanziert sich dadurch, dass ich jobben gehe – ihr könnt mich aber mit einem Trinkgeld unterstützen.

8 Gedanken zu „5 Tipps nicht zu verbittern

  1. Pingback: Obdachlos im Studium – wie geht das? | Miss Jones

  2. Pingback: Willkommen zu den Miss Jones Aktionstagen zum Thema Berufsfeld Archäologie | Miss Jones

  3. Liebe Miss Jones, Deine Tipps finde ich sehr ermutigend! Sich nicht zu vergleichen ist tatsächlich immens wichtig, gelingt mir aber nicht immer. Ich war noch nie obdachlos wie Du, weiß aber gut, wie es ist, wenn das Geld nicht reicht. Als Künstlerin kann es auch ganz schön hart sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dann gibt es aber auch die Menschen, die völlig begeistert in mein Atelier kommen, meine Arbeit bewundern und den Mut, diesen Weg gewählt zu haben. Das gibt mir Kraft und Mut! Also ich finde es sehr beeindruckend, wenn jemand, wie Du das machst, konsequent seinen eigenen Weg geht, sei er auch noch so hart und steinig. Ich wünsche Dir von Herzen weiterhin alles Gute, schöne Erlebnisse und Frohes Schaffen! Mach weiter so! Alles Liebe von Manuela Bijanfar

  4. Pingback: Fünf Tipps für eine Karriere in der Wissenschaft | Miss Jones

  5. Pingback: Schlechte Arbeit, schlechte Ausbildung, schlechte Archäologie | Miss Jones

  6. Pingback: Das gebrochene Versprechen an unsere Kinder und die Generation Hafermilch in der Archäologie | Miss Jones

  7. Pingback: Die 5 schlechtesten Karriereratschläge die ich bekommen habe | Miss Jones

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert