Faszinierende Figuren aus der Jungsteinzeit

Im Rumänien des ausgehenden Neolithikums (Jungsteinzeit) und der Kupferzeit (6.600 – 3.700 v. Chr.) finden sich Idolfiguren. Kleine meist getöpferte Figürchen. Diese zeigen häufig Frauen. Sie werden verschiedenen Kulturen zugerechnet, zum Beispiel der Tripoljekultur. Da es in Rumänien allerdings sehr wenige Archäologinnen gibt (nur 21 % des rumänischen Archäologiekollegiums), sucht man nach einer Thematisierung von Geschlechterthemen wie nach der Nadel im Heuhaufen. Das führt dazu, dass diese Idolfiguren erst am Rande betrachtet wurden. Die Interpretationen dieser Figuren sind von daher sehr simpel. Beispielsweise gibt es eine Deutung einer jungfräulichen Muttergottheit, dabei wurde Jungfräulichkeit erst 4.000 Jahre nach dem Verschwinden dieser Figuren als soziale Kategorie erfunden.

Unzählbar viele getöpferte Frauenfiguren sind im kreis um eine Gartenlampe herum arrangiert.

Eine ganze Sammlung von Idolen der Tripoljy-Kultur (Foto: Cristian Chirita (CC BY-SA)).

Andere Frauenfiguren aus dem Rumänischen Neolithikums sind schwanger und mit einer deutlich ausgeprägter Vulva oder auch bei der Geburt dargestellt. Gleichzeitig gibt es aber auch Darstellungen von Männern wenngleich sehr viel seltener. Und auch von Figuren bei denen keine Zuordnung zu einem Geschlecht möglich ist. Die androgynen Figuren verschwinden in der Bronzezeit. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die Gesellschaft dahingehend entwickelte, dass das Geschlecht als soziale Kategorie zunehmend eine Rolle spielte. Da die Idolfiguren des Neolithikums in Rumänien allerdings kaum erforscht sind, lasst uns einen Blick auf andere europäische Kulturen werfen, bei denen Zeitgleich ein vergleichbares Phänomen auftaucht:

Die Mater Magna Figur aus Malta. Eine kollosale Frauenfigur in einer 3D-Computersimulation. Die Frauenfigur ist sehr breit gbaut, und trägt ein knielanges Kleid. Sie ist in einem Raum aus Grauen Stein errichtet der mit Fackeln erhellt wird.

Idolfiguren gibt es in dieser Zeit scheinbar überall. So wie diese kolossale Frau aus Malta die Magna Mater genannt wird und vermutlich 3 m hoch war (© Henning Ricke: diese Rekonstruktion ist ein Ausschnitt aus der TV-Doku “Mächtige Männer – Ohnmächtige Frauen?” Neue Fakten aus der Vergangenheit”, von ZDF Terra X).

Solche Figuren sind vor allem in Mittel- und Südosteuropa zu finden, aber auch im Mittelmeerraum. Dabei ist es ein bisschen schwierig sie miteinander zu vergleichen, denn die Figuren sind stilistisch sehr unterschiedlich. Die dargestellten Menschen tragen vmtl. Kleidung für besondere Anlässe, eine Alltagskleidung lässt sich von diesen Darstellungen also nicht ableiten. Die Figuren wurden Gräbern beigelegt, aber es gibt sie auch in rituellen Kontexten. Besonders auffällig ist, dass viele dieser Figuren zerbrochen sind. Deswegen gibt es die Vermutung, dass das Zerbrechen einer solchen Figur Bestandteil eines Rituals gewesen ist. Die Ideen, wozu sie gedient haben sind vielfältig. Es gibt Interpretationen von symbolhaften Ahnendarstellungen, bis zu der Annahme, dass diese Figuren anstelle von Menschen geopfert wurden. Was genau sich die Menschen des Neolithikums dachten, werden wir aber vermutlich nie erfahren.

Ein Idol der Linearbandkeramik, mit abgebrochen Armen und Beinen. Ein Teil einer Weiblichen Brust ist erhalten. Die Figur ist grau, und hat ein einfach gestaltetes Gesicht.

Diese Figur der Jungsteinzeit ist im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt.

Die hier gezeigte Figur stammt aus der älteren Linienbandkeramik-Kultur und datiert damit in eine Zeit vor 7.400 – 7.200 Jahren. Die ca. 9,7 cm hohe Figur wurde in  Eilsleben, in Sachsen-Anhalt, gefunden und besteht aus Ton. Sie war dem Anschein nach einmal bunt bemalt gewesen. Die Kurzhaarfrisur dieser Frauendarstellung war mit Hämatit rot gefärbt und im Bereich der Brust ließ sich noch eine Farbschicht aus Pech feststellen. Eine weitere Figur, mit rot gefärbter Kurzhaarfrisur wurde in Frankfurt am Main entdeckt. Diese Figur hat allerdings anstelle eines Gesichtes einen Entenschnabel. Auch bei einigen anderen Fundplätzen dieser Kultur sind Idolfiguren bekannt, zum Beispiel in Nieder-Mörlen, bei denen eine gezielte Zerstörung gezeigt werden kann. Doch nicht nur das: Die Figuren wurden mit Sollbruchstellen angefertigt wurden, um diese Zerstörung zu erleichtern.

Jungsteinzeitliche Idolfigur. Ein errigierter Penis ist deutlich hervorgearbeitet, Kopf und Arme sind abgebrochen. Auch die Beine Fehlen zum teil. Die Figur ist getöpfert und in einerm hellen Grau-Braunton gemacht. Der Bauch wird von einem Klebestreifen zusammen gehalten.

Eine der wenigen deutlich männlichen Figuren dieser Zeit. Der sog. Adonis von Zschernitz (Foto: Schütze (CC BY-SA)).

In der Zeit zwischen 5.000 und 1.600 v. Chr., also gleichzeitig, entstanden auch auf der griechischen Inselgruppe Kykladen Idolfiguren. Eine besonders simpel gehaltene Art, die einen besonderen Charme versprüht, sie werden Kykladenidole genannt. Die meisten dieser Figuren die in der Jungsteinzeit und in der Bronzezeit gefertigt wurden, bestehen aus Marmor. Auch sie werden in Gräbern gefunden und auch in Depots, in denen sie in einem Zustand vorliegen, der darauf schließen lässt, das auch sie rituell zerstört wurden. Außerdem gibt es Funde dieses Idoltyps, bei denen zu sehen ist, die Figur war zerbrochen und wurde wieder repariert. Die allermeisten dieser Idole sind mit verschränkten Armen dargestellt. Dies wird allerdings nicht auf kultische Gründe zurückgeführt, sondern darauf, dass Marmor als Material schwer zu bearbeiten ist. Diese Körperhaltung die einfachste Darstellungsmöglichkeit gewesen die man aus diesem Material anfertigen kann.

Eine Sammlung von Kykladenidole und einzelnen Köpfen dieser. Die Gesichter haben keine gesichtszüge mit Ausnahme der Nase die länglich hervorgearbeitet ist. Die Köpfe sind Oval. 3 Figuren, davon eine sehr kleine Weibliche, und zwi größere, eine Weibliche und eine Männlich haben Jeweils die arme vor dem Bauch verschränkt.

Kykladenidole. Die Kykladenkultur war auch Kreta ansässig, hier wurden diese Figuren gefunden. Sie sind heute ausgestellt im archäologischen Museum Heraklion.

Die Darstellung von Männern auf diese Art ist selten, aber sie existiert. Gleichsam gibt es aber auch Kykladenidole die Menschen beim Musizieren zeigen. Bei diesen Figuren handelt es sich Hauptsächlich um Darstellungen von Männern. Auf einigen Kykladenidolen finden sich Reste einer Bemalung. Bei der Erforschung dieser Figuren gibt es allerdings ein Problem: Sie sehen so modern aus, dass sie ein begehrtes Objekt auf dem Kunstmarkt sind. Raubgrabungen, und illegaler Antikenhandel sind in Bezug auf diese Figuren ganz besonders häufig.

Zwei Kykladenidole. Eine Person ist stehend dargestllt und spielt aus einr Doppelflöte, die andre Person sitzt auf einem Stuhl und spielt auf einer art Harfe. Die Marmorfigurn sind shr schlicht, die Gesichtszüge sind mit ausnahm der Nase nicht vorhanden. Die Figuran haben keine Haare, und klaidung ist nur durch minimale ritzungn angedeutet.

Zwei Figuren, die Musik Spielen. Sie werden als männlich interpretiert, tragen aber eigentlich keine Geschlechtsmerkmale. Vielleicht war das Geschlecht bei dieser Darstellung auch nicht relevant (Foto: Sailko (CC BY-SA)).

Was ich mit diesem Vergleich der Figuren aus diesen wirklich sehr weit entfernt liegenden Regionen zeigen möchte: Idolfiguren tauchen in vielen Neolithischen Kulturen auf. Ich könnte die Liste hier noch Seitenweise ergänzen. Weibliche Darstellungen dominieren dabei. Es gibt sie in Bestattungen, mit roter Bemalung und immer wieder Fundplätze bei denen sich Zeigt, das sie zerstört wurden. Immer gibt es auch den Hinweis, dass wenige Männerfiguren bekannt sind. Über geschlechtslose Figuren, zweigeschlechtliche Figuren, oder diejenigen bei denen man ein solches nicht erkennen kann wird kaum ein Wort verloren. Doch es scheint sie zu geben, wie sich in Rumänien zeigt. Und hier gibt es diesen Hinweis nur, weil eine Forscherin einmal versucht hat sich dieses Phänomen näher anzusehen. Vielleicht stimmt ja ihre Vermutung, dass die Relevanz von Geschlechtern im Laufe der Zeit an Bedeutung gewinnt und deswegen Geschlechter auch immer deutlicher dargestellt wurden.

Die Bein der Magna Mater. Dr Rest des Körpers ist Abgebrochen.

So sieht die kolossale Magna Mater am Originalfundplatz auf Malta aus. Die Figur ist abgebrochen, und ein Teil fehlt. Deswegen ist die Geschlechtszuweisung auch nicht zu 100% gesichert (© Paul Almas: Dies ist ein Ausschnitt aus der TV-Doku “Mächtige Männer – Ohnmächtige Frauen?” Neue Fakten aus der Vergangenheit”, von ZDF Terra X).

Um diese Frage zu beantworten, müssten die Figuren auf diese Fragestellung hin systematisch eingeordnet und untersucht werden. Es stellt sich auch die Frage, ab wann ist ein Geschlecht klar erkennbar. Beispielsweise bei den Musik spielenden Kykladenidolen wird interpretiert, dass es sich um Männer handelt. Aber eindeutig sieht  dies nicht aus. Es könnte spannend sein neolithische Figuren komplett neu unter dem Genderaskept zu betrachten. Nur braucht es dazu auch die Betrachtung der Figuren aus Regionen wie Rumänien, wo es viel weniger Forscherinnen gibt, wodurch auch das Interesse an der Erforschung von Geschlechterrollen geringer ausgeprägt ist. Außerdem wäre es spannend die Figuren, die es in den verschiedensten neolithischen Kulturen in verschiedenen Ausprägung gibt, zueinander in Bezug zu setzten. Gewiss, das ist eine Mammutaufgabe für mehrere Forscher*innenleben. Immerhin die Figuren finden sich auch noch in Spanien, oder in türkischen Regionen, um nur zwei weitere Orte zu nennen. Es wird also noch lange spannend bleiben, bei der Erforschung von diesen faszinierenden Objekten der Jungsteinzeit.

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Literatur:

Uta von Freeden und Sigmar Schnurbein: Germanica – Unsere Vorfahren von der Steinzeit bis zum Mittelalter, Augsburg 2002.

Harald Meller: LebensWandel – Früh- und Mittelneolithikum. In: Begleithefte zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Band 3. Halle (Saale) 2008.

Sabine Schade-Lindig: Idol- und Sonderfunde der bandkeramischen Siedlung
von Bad Nauheim–Nieder-Mörlen „Auf dem Hempler“ (Wetteraukreis), Germania 80, 2002.

Harald Schulze: Grabfund mit Kykladenidol – magische Momente in Ocker. In: archäologische Staatssammlung München – Glanzstücke des Museums, München 2010.

Nona Palincas´: Living for the Others: Gender Relations in Prehistoric and Contemporary Archaeology of Romania. In: Situation Gender in European Archaeologies, Budapest 2010.

Andrea Zeeb-Lanz und Andy Reymann: Löwenmenschen und Schamanen – Magie in der Vorgeschichte, AiD Sonderheft 16 2019, Darmstadt 2019.

https://www.evolution-mensch.de/Anthropologie/Kykladenidol