2018 – zu Feier eines Kongresses finden sich haufenweise Archäolog*innen im Vorgeschichtsmuseum in Halle ein und genießen gemeinsam den Abend. Mit Häppchen, Sekt und guter Laune.

Bei dem Empfang herrschte ein angenehmer Trubel, während ich alleine durch das Museum streifte (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
In der guten Stimmung wird das Museum fast vergessen – für mich die Gelegenheit einmal abseits vom Getümmel durch das Museum zu laufen – Es einmal ganz für mich alleine zu haben. Und auf diese Erkundung nehme ich euch mit:
Die Inszenierung der Vorgeschichte
Eine Freundin hatte mir den Tipp gegeben, die Beschilderung gar nicht erst zu beachten, sondern die Inszenierung zu genießen. Nicht grundlos gibt es an diesem Museum ja auch immer wieder Kritik. Das ist ein guter Rat, denn dieses Museum lebt von der Ästhetik verschiedener Inszenierungen, die auf die Betrachter*innen wirken. Die Ausstellung unterscheidet sich also in gewisser Hinsicht von einer klassischen, archäologischen Ausstellung. Die Ausstellungstücke sind zwar archäologisch, aber die Art, wie sie angeordnet sind, kann man eher in den Bereich Kunst oder Design verorten.

Etwas versteckt, aber hochinteressant! Ein Kinderschädel mit einem Wasserkopf (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Dazu gibt es immer wieder kleine versteckte Dinge, die nur erblickt, wer die Augen aufhält. Mein Tipp ist: In diesem Museum genau hinzusehen und die Wucht der Inszenierung einerseits auf sich wirken zu lassen, aber andererseits auch zu ignorieren, um Kleinigkeiten zu entdecken. Aber nicht nur die Art der Inszenierung macht dieses Museum, zu dem, was es ist, sondern auch zahlreiche Funde, welche ebenfalls dazu beitragen, dass dieses Museum besonders bekannt ist.
Was gibt es da denn so zu entdecken?
Besonders beeindruckend, ist ein riesengroßer Waldelefant, der respekteinflößend durch die Wand zu treten scheint. Das riesige Tier ist gut aufbereitet. Mit einigen Knochen, die modern präsentiert werden, und die völlig klarmachen, wie gigantisch dieses Tier gewesen ist. Das wird so in dem Bezug zu den Neandertalern dargestellt, dass diese Größenverhältnisse noch eindrucksvoller wirken. Der liebevolle Detailreichtum der Darstellung ist dabei besonders auffällig.

Ein riesiger Elefant durchschreitet die Wand (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Nicht weit entfernt von dem Elefanten, der mit seiner überwältigenden Größe auch ganz schön einschüchternd wirkt, steht die Darstellung des denkenden Neandertalers. Diese Figur ist tatsächlich ein wenig enttäuschend, wenn man sie schon oft auf Bildern gesehen hat. Es ist zwar eine tolle Skulptur, und eine unglaublich gelungene Darstellung eines Vormenschen, aber er sieht einfach nur genauso aus, wie auf den Fotos. Es gibt nichts Zusätzliches, keine Details, die man noch entdecken könnte, wenn man sich den Neandertaler länger ansieht.

Was denkt dieser Neandertaler? (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE))
Die Art, wie der Neandertaler hier inszeniert ist, regt allerdings zum Denken darüber an, wie diese Menschen, die uns garnicht so unähnlich waren, wohl ihre Welt gesehen haben, worüber sie nachgedacht haben, wie sie gekocht haben, was sie für Fertigkeiten hatten und was sie sich vorstellten. Beantwortet wird diese Frage nicht. So bleibt der Museumsbesucher mit dieser Fragestellung im Kopf alleine zurück. Wer also dieses Gedankenspiel einmal weiter spielen möchte, dem empfehle ich einen Blick in „Denken wie ein Neanderthaler“ von Thoma Wynn und Frederick L. Coolidge zu werfen. Oder du schaust unter meinem Schlagwort „Neandertaler“ nach.
Zu Besuch im Neolithikum
Wer Fundstücke entdecken will, die begeistern, der wird spätestens im Neolithikum (Jungsteinzeit) glücklich. Ganz besonders ist zum Beispiel eine Figur aus der Zeit der Liniearbandkeramik. Vermutlich ist hier eine Frau abgebildet. Darstellungen von Menschen zeigen in gewisser Weise auch immer, wie die Menschen dieser Zeit, sich gegenseitig angesehen haben. Von daher ist dieses Relikt, eines, dass ein ganz spezielles Licht auf seine eigene Zeit wirft.

Wie haben sich die Menschen im Neolithikum selber gesehen? (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE))
Ein weiteres, wirklich bemerkenswertes Ausstellungsstück ist gar nicht weit von der Frauenfigur entfernt: ein neolithisches Jadeitbeil. Es besteht aus einem in der Jungsteinzeit besonders edlen Gestein. Meist stammen die Rohstoffe dieser Beilklingen vom Monte Viso in Italien. Denn nur hier gibt es diese Art Jadegestein. Dass man diese Steinbeile in Mitteldeutschland findet, zeigt also die weiten Handelsnetze dieser Zeit – mehr noch: Das hier ausgestellte Beil ist besonders groß. Das heißt, es war damals auch besonders wertvoll.

Gerne hätte ich an dieser Stelle mehr erfahren …. (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Überall in Europa tauchen sie auf. Leider erschließt sich dieser Fund in der Ausstellung nur den Personen vollständig, die sich schon intensiv mit Jadeitbeilen beschäftigt haben. Aber: An weiteren Beilen und Dechseln scheint es in Halle jedenfalls nicht zu mangeln. Sie regnen quasi von der Decke. Die Inszenierung des Neolithikums durch einen Beilregen darzustellen ist besonders kreativ und zeigt den Ideenreichtum, mit dem dieses Museum inszeniert ist.

Er sieht gut aus, aber was soll mir dieser Steinregen sagen? (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE))
Es geht mehr um die Wahrnehmung der Archäologie in Form von optischer Schönheit. Die Gestalter*innen sind dabei wahre Meister der Inszenierung. Allerdings leuchtet mir die Symbolik von regnenden Steinen nicht ganz ein. Ich finde es zwar schön, aber auch ablenkend. Der Raum wirkt unruhig, und der Sinn dieser Anordnung bleibt mir verschlossen. Die Aussage scheint nur zu sein: Wir haben viele Beile gefunden. Kein Kontext – nicht zu verstehen oder begreifen.
Die Nebrascheibe
Besonders hervorgehoben ist natürlich die Inszenierung der Nebrascheibe. Sie ist in einem dunkel gehaltenen Raum aufbewahrt, der mit einem Sternenhimmel beleuchtet ist. Wenn man die Möglichkeit hat, kann ich nur empfehlen das Ding Millimeter, um Millimeter einmal anzusehen.

Die Himmelsscheibe von Nebra. Das wohl bekannteste und meist diskutierte Objekt aus einem Hortfund (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Jedes einzelne Detail der Scheibe einmal genau anzusehen. Denn was man auf noch so hochauflösenden Bildern kaum erkennen kann, sind viele keine Schäden an dem Metallobjekt. Ich hatte zwar vorher schon gelesen, dass das Gold der Scheibe durch die Fundgeschichte zerkratzt wurde, bin aber doch überrascht, wie viele kleine Kratzer sich bei naher Betrachtung auf der Scheibe finden lassen. Schade, aber dennoch tut dies der Faszination gegenüber der Scheibe keinen Abbruch.
Warum das Landesmuseum trotz allem nicht mein Lieblingsmuseum ist!?
Das Landesmuseum in Halle unterscheidet sich stark beispielsweise vom Landesmuseum in Berlin. Das Konzept ist flüssiger und moderner. Während man beispielsweise in Berlin merkt, dass nur hin und wieder einzelne Ausstellungsbereiche erneuert wurden und man so das Gefühl hat durch ein unstimmig

Diese Hausurne wird sehr liebevoll in Szene gesetzt, ist aber leider kaum selbsterklärend für den Besucher (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Zusammengestückeltes hier modernes und da veraltetes Ausstellungshaus zu laufen, in dem alles ein bisschen chaotisch ist, ist in Halle alles sehr strukturiert. Es gibt überall im Museum den gemeinsamen Nenner, der einen Fokus auf eine Inszenierung der Funde legt. Gleichzeitig sehe ich es aber auch kritisch, dass die Menschen hier eher durch die Inszenierung beeindruckt werden, und die wissenschaftlich interessanten Fakten, wie beispielsweise zum Thema Jadtbeile, meiner Meinung nach zu kurz kommen. Es wird über Formen und Farben gestaunt – und nicht über Inhalte.

Alle Ausstellungsstücke sind in gewisser Weise inszeniert, wie diese Randleistenbeile (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Und das ist schade, gerade weil mir eines meiner absoluten Lieblingsmuseen in Verucchio gezeigt hat, dass das nicht notwendig ist. Dieses Museum, hat ein weitaus geringeres Budget als das Landesmuseum in Halle und hat es mit weniger künstlerischer, als mehr liebevoller Gestaltung geschafft, Funde simpel zu erklären. Dadurch rückt die Bedeutung, aber auch die Aussage der gezeigten Funde mehr in den Vordergrund. Das Konzept des kleinen Ortsmuseums ist also besser für das Verständnis der archäologischen Hinterlassenschaften geeignet. Eines ist jedoch bei beiden Museen außergewöhnlich: Die hohe Motivation und Freude der

Diese Fischschwanzdolche aus Flint gewinnen alleine durch die Art ihrer Beleuchtung an Ästhetik (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Mitarbeiter*innen. Auch wenn mein Lieblingsmuseum weiterhin in Veruccio steht, hoffe ich doch immer mal nach Halle zurückzukehren, denn neben aller Kritik, hat es mir sehr gut gefallen. Und in Sachen Ästhetik gibt es so manches Museum, dass hier noch etwas lernen kann. Denn das Konzept in Halle ist sehr dazu geeignet, nicht einfach Wissen zu vermitteln, sondern Menschen für Archäologie zu begeistern. Und deswegen empfehle ich auch jedem, sich hier einmal umzusehen.
Pingback: Kultur-News KW 16-2018 | Kultur - Geschichte(n) - Digital
Pingback: Das schönste Museum, dass ich je gesehen habe | Miss Jones
Pingback: Zwei Millionen Jahre Migration | Miss Jones
Pingback: Zugast im Hessischen Landesmuseum in Kassel | Miss Jones
Pingback: Die Kasseler Antikensammlung | Miss Jones
Pingback: Hausurne | Miss Jones
Pingback: Eine Frauenfigur aus der Jungsteinzeit | Miss Jones
Pingback: Wandelnde Mumie steuert Ufo durch die Zeiten | Miss Jones
Pingback: Gastbeitrag: Alle Wege führen nach Rom? | Miss Jones
Pingback: Kommentar: Gute Kinderprogramme in Museen sind wichtig | Miss Jones
Pingback: Kommentar: DNA-Analysen und die ultimative Wahrheit | Miss Jones
Pingback: Museen und die Darstellung von Geschlechterstereotypen | Miss Jones
Pingback: Was ist eigentlich Flint? | Miss Jones
Pingback: Jade in der Steinzeit – Beile auf Europareise | Miss Jones
Pingback: 10 Gründe warum die Steinzeit nicht für Beleidigungen taugt | Miss Jones
Pingback: Archaeology 2024-01-23 – Ingram Braun
Pingback: Archaeology 2024-01-22 – Ingram Braun
Pingback: Archäologiestudium? Was willst du damit mal machen? | Miss Jones
Pingback: Können denn alte Knochen so toll sein? | Miss Jones
Pingback: Ein Fussel offenbart Details aus der Zeit der Neandertaler | Miss Jones
Pingback: Neandertaler auf der Jagt nach gigantischen Elefanten | Miss Jones
Pingback: Warum Menschen verschieden groß sind | Miss Jones
Pingback: Skandale im Denkmalamt – Koblenz – was ist los mit dir? | Miss Jones
Pingback: Faszinierende Figuren aus der Jungsteinzeit | Miss Jones
Pingback: Seit wann gibt es eigentlich Hühnersuppe? | Miss Jones
Pingback: Von Niederlegungen, Horten und Depots | Miss Jones
Pingback: Vom Skelett zum Geschlecht | Miss Jones
Pingback: Männerbilder in der Archäologie – Jungs, ihr könnt mehr als das! | Miss Jones