Die gebannten Geister der Iniet

Auf den Inseln Melanesiens lebt bis heute eine Kulturgruppe, die Tolai genannt wird. Und diese Kultur hat viele komplexe Aspekte – es ist eine der Kulturgruppen, die ich wirklich gerne eines Tages besuchen möchte. Es handelt sich um eine Inselkultur, die man im östlichen Papua-Neuguinea und noch weiter östlich antrifft. In Hamburg im Museum am Rothenbaum (kurz: MARKK) werden Objekte ausgestellt, die diese Kultur zeigen. Dort habe ich diese hübsche Figur gefunden und mich gefragt:

Was ist das für ein Frosch?

Die Tolai haben eine fassettenreiche Religion und praktizieren Ahnenverehrung. Aber: Aus vielen Teilen der Religion waren die Frauen ausgeschlossen. Deswegen sind Männerbünde entstanden, die sich um die Religionsausübung gekümmert haben. Auf der Halbinsel Gazelle gibt es den Bekanntesten dieser Männerbünde: Den Iniet Bund – Eine Gesellschaft machtvoller Männer, denen magische Fähigkeiten zugesprochen wurden. Der Bund ist berühmt-berüchtigt, weil die Geschehnisse, die in diesem Männerbund passieren, nicht allen zugänglich sind. Die Männer in diesem Bund waren

Ein Frosch. Er besteht aus Draht und rotem Stoff. Die Augen sind aus Knochen.

dabei nicht gleichrangig, sondern es gab eine starke Hierarchie, und man wurde erst nach und nach in die Geheimnisse eingeweiht. Es gibt also Initiationsriten, die ein Mann innerhalb dieses Bundes durchlaufen muss. Und zu einem dieser Riten gehört, dass man eine Kalksteinfigur zu Ehrensymbol bekommt. Es ist ein Symbol der Zugehörigkeit. Diese Figuren zeigen Menschen oder Tiere. Und bei besonders bekannten Iniet ist es manchmal auch ein Porträt der Person. Die Figur, die ich euch hier zeige, besteht aus anderen Materialien, Sie wurde anfangs des 20. Jahrhunderts angefertigt – eine Zeit in der die Tolai mit anderen Materialien experimentiert haben.

Und was machen die Iniet?

Es handelt sich, um einen Bund, in dem Männer sich treffen, um verschiedenste religiöse Praktiken auszuführen. Zum Beispiel, die Kräfte der Ahnen zu bannen, aber auch medizinisches Wissen zu teilen, um Heiler auszubilden. In bestimmten Hierarchiestufen wurden magische Praktiken erlernt, mit denen man das Wetter ändern konnte oder fliegen konnte. Aber auch Krankheit und Tod konnten die Iniet praktizieren. Sodass die ehemals Deutsche Kolonialverwaltung die Iniet schließlich 1903 verboten hat. So ist viel Wissen über die Riten und Praktiken, die diese Männergruppen ausgeübt haben, verloren gegangen. Man weiß, dass es Maskentänze

Eine Maske aus Bambus aus Papier. Sie sieht aus wie ein Vogel, und hat ein riesieges Auge.

Die Tolai sind pragmatisch mit dem Verbot umgegangen. Vielleicht haben einige der Tänze in den Maskentänzen, die heute noch gemacht werden, überlebt. Es gibt nämlich bis heute auch ganz öffentliche Tänze, die werden mit solchen Masken, in die keine Schädel eingearbeitet sind durchgeführt.

gab, und dass Schädelmasken angefertigt wurden – die heißen so, weil man dafür echte menschliche Schädeldecken als Aufhängung für die Maske verwendet hat – die Schädel wurden vermutlich aus den Gräbern besonders mächtiger Iniet entnommen. Doch heute ist ein Teil dieser Kultur unbekannt und die Iniet haben einen schlechten Ruf. Auch weil bei den Tolai selbst das Wissen darüber, dass hier auch Heilkunst gelehrt wurde, in den Hintergrund gerückt ist. Diese alte Iniet Figur ist also ein letztes Relikt dieser Kulturgeschichte, die fast verschwunden ist. Aber: es soll noch einzelne Männer geben, die die alten Rituale noch im geheimen Praktizieren.

Und warum ist das jetzt ein Frosch?

In den Figuren wurden die Hilfsgeister der einzelnen Mitglieder gebannt. Und diese Geistwesen konnten eben auch tierischer Gestalt sein. So ist bis heute bekannt, dass vor allem die Iniet, die als Geistwesen einen Adler hatten, als besonders hochstehend und mächtig angesehen wurden. Andere Inietfiguren zeigen Menschen, sie können sogar zweiköpfig sein. Ein Geist wurde in der Vorstellung der Iniet also ganz unterschiedlich wahrgenommen. Und diese Geisterfiguren wurden in der “a pal na Kaia” aufbewahrt und nur für Ritualen herausgeholt. Das ist eine Geisterhütte, die nur Mitglieder betreten durften. Interessant ist: Einige Steinfiguren gelten dabei als Sitz des Geistes, andere wiederum als der Geist selbst. Dabei konnte sie nicht jeder anfassen,

Nahaufnahme: Jede Naht ist zu erkennen. Ein Frosch. Er besteht aus Draht und rotem Stoff. Die Augen sind aus Knochen.

und wenn wurden nicht alle Figuren mit den bloßen Händen berühmt. Ihre Magie war dafür viel zu stark. Und weil die Magie so stark war, wurde teils Staub von den Figuren abgeschabt und in Medikamente gemischt, um besondere Heilkräfte zu entfalten. Es scheint ambivalent. Einerseits waren einzelne Männer eng mit ihrem Hilfsgeist verbunden und ihre Figur war dringend notwendig. Andererseits scheint das auch nicht immer der Fall gewesen zu sein. So werden die Figuren auch manchmal einfach nach Ritualen liegengelassen, oder an ein anderes Dorf weiter gegeben. Weil das Wissen verloren gegangen ist, kann man das nicht so genau erklären.

Ist jedes dieser Figuren ein gebannter Geist?

Das ist nicht unbedingt klar, frühe Missionare in der Region beschreiben, dass die Tolai ihr Kunsthandwerk grundsätzlich betrieben. Nicht immer ist es dabei so, dass man einen rituellen Zusammenhang sehen kann. Die Iniet selbst bestellten nämlich ihre Figuren bei Künstlern, die Übertragung des Geistes fand erst später im Ritual statt, nachdem sie die Figur dem Künstler abgekauft hatten. Aber für ein Museum macht es

Ein Frosch. Er besteht aus Draht und rotem Stoff. Die Augen sind aus Knochen.

sich natürlich besser, das so zu dokumentieren, vor allem in der Zeit des frühen 19. Jahrhunderts, als dieser Geheimbund gerade verboten wurde. Und ein Künstler der Tolai, der seine Figur an einen Missionar verkauft, kann sicherlich mit einer guten Geschichte auch mehr Geld bekommen – bei den Tolai besonders wichtig war und ist das Muschelgeld – aber was das ist, erzähle ich ein anderes Mal.

Spannend – ohne Miss Jones hätte ich nie etwas davon gehört – wenn du das denkst, dann kannst du mich ja in meiner Arbeit mit einem Trinkgeld unterstützen, den Bloggen kostet Geld, und ich gehe zusätzlich Jobben, um meine Arbeit hier zu bezahlen.

Literatur:

Antje Kelm: Muschelgeld und Maskentänze – Die Kunst der Tolai in Papua-Neuguinea. In: Mitteilungen aus dem Museum am Rothenbaum, Band 51, 2018.