Wikinger Mode: Die Bedeutung der Schalenspange als Schmuckstück der Frauen

Es scheint aktuell modern zu sein, sich ein Bild von Wikingern und Wikingerinnen zu machen, an das man sich modisch adaptieren kann. Oft mal werden dabei wilde Frisuren, und seltsame halbseitige Rüstungen getragen. Nicht selten brechen wir Historyfreak und Archäonerds dabei in schallendes Gelächter aus. Der Grund: Wir wissen, wie die Menschen sich wirklich gekleidet haben – und das hat mit den durchaus fantasievollen Kleidungsstücken oft wenig zu tun.

Blonde Frau mit Schwert vor eindrucksvoller Bergkulisse. Sie trägt ein blaues Minikleid mit Pelzärmeln.

Also anders gesagt – Fantasievoll, aber: Nein! Definitiv nicht! (Bild: Pixabay)

Und, ich würde diese Kleidungsstücke vielleicht sogar modisch interessant finden, wenn sie nicht behaupten würden, es seien Wikingerkleidung. Deshalb werfe ich heute für euch ein Blick auf die Schalenspange – denn diese Spange habe bei keinem dieser seltsamen Kostüme gesehen, und doch ist sie sehr typisch für die Mode der Frauen der Wikingerzeit:

Die Schalenspange

Schalenspangen sind nicht nur interessante Funde aus der Zeit der Wikinger, sie sind auch wirklich hübsch. Es handelt sich um eine Fiebelform, welche vor allem von reichen Frauen getragen wurde. Je reicher, umso edler war das Material und die Gestaltung einer solchen Gewandspange. Und andersherum, je weniger aufwändig, um so günstiger war diese schmuckvolle Gewandschließe.

Eine Schalenspange aus einem Guß, sie hat 6 Nubben, diese verlaufen in zwei Reihen nebeneinander.

Eine Schalenspange (Ausgestellt im Wikingermuseum in Ribe/Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Diese multifunktionalen Schmuckstücke wurden immer paarweise getragen und das hing ganz mit dem zu ihrer Zeit modernen Gewand zusammen, dass sie verschließen sollten. Die Frauen trugen eine bodenlange Tunika mit langen Ärmeln und darüber einen ärmellosen Trägerrock. Die Träger des Kleidungsstücks – man kann sich das Vorstellen wie Spaghettiträger – waren auf der Vorderseite allerdings nicht mit dem Kleid vernäht. Vielmehr wurden die Träger und das Kleid mit den Schalenspangen zusammen gehalten – im Prinzip so, wie mit einer stark verzierten Sicherheitsnadel. Sie wurden also links und rechts über den Brüsten getragen. Oftmals waren die Schalenspangen dann noch mit einer schmuckvollen Perlenkette verbunden.

Zwei Schichten Kleidung aus Leinen und Wolle, das hatte schon einen gewissen wärmenden Effekt für die Frauen, die im eher rauen nordeuropäischen Klima des Mittelalters lebten. Darunter wurde eine sehr auf Figur geschnittene, stark taillierte Untertunika getragen. Sie war rotbraun gefärbt, hierzu benutzte man Walnußsud. Eine gute Wahl wirkt Walnußsud doch zusätzlich noch antibakteriell. Die Damenmode der Wikingeroberschicht ist dabei nicht im luftleeren Raum entstanden. Dass die Kleidung genau so getragen wurde, ist relativ sicher belegt. Denn Kleidungsstücke dieser Art wurden bei Ausgrabungen in Haithabu gefunden. Und die Textilien waren hier außergewöhnlich gut erhalten.

Rekonstruktion der Kleidung. Die Schalenspangen halten eine Kette, die mit Glasperlen bestückt ist zusammen. Über dem Kleid trägt die Frau einen Roten Mantel.

Im Wikingermuseum in Ribe ist eine solche Kleidung rekonstruiert (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Sie orientierte sich an der neusten Mode aus der Region, die wir heute Frankenreich nennen, aber auch am Klima. So gibt es archäologische Funde von Wintermänteln, die noch über dieser schmuckvollen Kleidung getragen wurden. Diese bestanden aus gewalkter und damit wasserabweisender Wolle und waren mit Daunen und Fellen gefüttert. Sie sehen optisch unseren heutigen Wintermänteln sehr ähnlich. Die Wikingerfrauen waren also nicht besonders kälteresistent – sie hatten einfach nur, besonders kuschlige und warmhaltende Winterkleidung. Oder wie man bis heute in Norddeutschland sagt: Es gibt kein falsches Wetter – es gibt nur falsche Kleidung.

Schalenspangen waren aber auch eine große Handwerkskunst

Schalenspangen deuten also, wie auch bei andern Wikinger-Fibeln, immer direkt darauf hin, welche Kleidung eine Frau getragen hat. Die ovale Schalenspange ist dabei eine der häufigsten Fiebelarten des skandinavischen Frühmittelalters zwischen dem 8. bis zum 11. Jahrhundert. Sie gelten deswegen als typisch für diesen zeit-kulturellen Raum, man kann einen Fundplatz bei dem Fund einer Schalenspange also sofort grob in die Menschheitsgeschichte einordnen – aber sie sind nicht so einheitlich gestaltet, wie man es bei dieser Formulierung vielleicht denken könnte. Nicht nur durch das Zeitalter hinweg entwickeln sich die Wikingerstile und das Modeempfinden der Wikinger immer weiter. Es gibt auch regional Unterscheide im Geschmack.

Zwei Schalenspangen, die Offenbar nicht so wertvoll sind. Das Metall ist grün angelaufen.

Zwei einfacher gestaltete Schalenspangen, die je in einem Guss gefertigt wurden. Ausgestellt in Haithabu (finde hier mehr Infos zu der Wikingerstadt, und schaue mit mir in das Freilichtmuseum vorort/Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Zudem spielten die Fähigkeiten derjenigen eine Rolle, die diese Schmiedekunst anfertigten. Wer versuchte eine solche Schalenspange herzustellen, dabei aber kaum eine Ausbildung hatte, und dazu noch wenig Talent hatte, der konnte eine besonders kunstvolle Schalenspange nicht erschaffen. Von daher war eine kostbare Schalenspange immer mit viel technischen Knowhow und handwerklichen Geschick verbunden – und das hatte nicht jeder. Eine Ausbildung in diesem Bereich war notwendig. Und auch wenn wir uns das nicht vorstellen konnten wie heute, mit Berufschule und Abschluss, ist damit durchaus gemeinst, dass man jahrelange Erfahrung in Metallbearbeitung brauchte um eine gute Schalenspange zu produzieren. So gab es einschalige Schalenspangen aus einem Guss, die weniger Geschick in der Herstellung erforderten.

Blick auf kaputte Gussformen aus Ton. Es ist noch gut zu erkennen, wie das Muster für den Guß in die Form eingeprägt war.

Gussformen der Wikingerzeit zeigen Arbeitsschritte bei der Herstellung der Schalenspangen (Ausgestellt im Wikingermuseum in Ribe/Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Aber auch doppelschalige Schalenspangen. Bei diesen wurde eine Schale als Grundgerüst gegossen und eine Zierschale auf dieses draufgesetzt. Eine Technik, mit der man optische Effekte erzielen konnte, ganz abhängig davon welche Feinschmiedetechniken beherrscht wurden. Insgesamt lässt sich sagen: Je reicher eine Familie, umso kostbarer waren die Gewandschließen, die sie sich leisten konnten. Diese hatte nicht nur die Funktion, die Kleidung an Ort und Stelle zu halten, sondern es wurde auch ein möglichst hoher Stand damit ausgedrückt. Und so gibt es Schalenspangen aus äußerst hochwertigen Metallen, verziert mit kostbaren Steinen, und gefertigt mit höchstem handwerklichen Können. Damit hat man in der wikingerzeitlichen Gesellschaft dann durchaus Aufsehen erregt. Und wen man sich diese Fibelart heute in Museen ansieht, dann kann man das durchaus verstehen. Denn gerade die besonders kunstvoll gearbeiteten Schalenspangen rauben einem bis heute den Atem.

Ein wirklich edle reich verzierte doppelschalige Schalenspange mit aufgelöteten Spiralen.

Diese kostbare Schalenspange aus Silber wurde eindeutig von einer Person angefertigt, die die Handwerkskunst kunstvoll beherrschte (Ausgestellt in Haithabu/Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Sie sind teils so filigran gearbeitet, dass man sie heute auch nur herstellen könnte, wenn man äußerst geschickt ist in handwerklicher Hinsicht. Um so trauriger finde ich es, dass dieses Schmuckstück, das in einfacher Form durchaus teil, der alltäglichen Lebensrealität der Wikingerinnen war, in der popkulturellen Darstellung kaum vorkommt. Es ist skurril – Wikinger werden überhöht gezeigt, ihre Religion überdreht aufgezeigt, mit seltsamen, und manchmal teils rechtsextremen Stereotypisierungen. Aber das, was die Wikinger wirklich auszeichnet – zum Beispiel die grandiose Handwerkskunst wir dabei vergessen.

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Litertur:

Heidemarie Eilbracht: Edelmetallschmuck der Wikingerzeit – Analysen und Interpretationen. In: Berlin Studies of the Ancient World 35.

Hildegard Elsner: Wikinger Museum Haithabu: Schaufenster einer frühen Stadt, Neumünster 2004.

Nathalie Peter: Kunsthandwerk der Wikinger, BA-Arbeit, Bamberg 2015.