Haithabu, die Wikingersiedlung am Haddebyer Noor, war aus Holz und Lehm errichtet – und dennoch kein einfaches Dorf, sondern eine echte Stadt. Doch was ist mit Wikingerstadt eigentlich gemeint?
Haithabu lag günstig an der Schlei und hatte dadurch direkten Zugang zur Ostsee. Über das Dannewerk, eine beeindruckende Befestigungsanlage, bestand jedoch auch ein gesicherter, kurzer Weg zur Nordsee. Diese strategische Lage trug maßgeblich zum Erfolg Haithabus bei, da die Händler nicht mehr den weiten Umweg um die Jütische Halbinsel fahren mussten, sondern durch die Stadt in beide Richtungen reisen und sich in der Mitte treffen konnten.

Ein Blick in das Freilichtmuseum vor Ort (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Haithabu war durchgehend bewohnt, jedoch nicht immer gleich stark besiedelt. Je nachdem, ob gerade Marktzeit war oder nicht, trafen sich hier Wikinger aus verschiedenen Regionen, um zu handeln. Dies lässt sich auch an den Gräbern ablesen, die zeigen, dass offenbar auch Frauen für den Handel nach Haithabu gereist sind – an hübschen Funden wie Schalenspangen lässt sich das erkennen, die be Ausgrabungen in den Gräbern dieser Frauen gefunden wurden. Aber vor allem Männer aus unterschiedlichen Gegenden kamen hier zusammen, um Waren auszutauschen und Geschäfte zu tätigen.

Grabinventar einer Frau in Haithabu gefunden (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Haithabu gilt heute als die Vorgängersiedlung von Schleswig. Nachdem die Stadt im Mittelalter verlassen wurde, fand an dieser Stelle nie wieder eine Besiedlung statt, was die archäologische Forschung enorm begünstigt. Denn hier hat niemand ein Loch gegraben oder etwas zerstört, was die Funde gefährdet hätte. So können mithilfe von archäologischen Untersuchungen die Geschichten Haithabus bis in ihre Details nachgezeichnet werden. Besonders interessant ist dabei: schon 965 berichtete der spanische Kaufmann At-Tartúschi über Haithabu und bezeichnete es als eine sehr große Stadt – dies ist ein klarer Hinweis auf die Bedeutung Haithabus als Handelszentrum.
Wie Haithabu zu Zeit der Wikinger aussah
Wie die Stadt einmal ausgesehen hat, ist heute relativ genau bekannt. Ein großer Vorteil bei der Forschung sind die gut erhaltenen Holzbauten, die man in Haithabu bei Ausgrabungen finden konnte. Das Holz wurde durch die Lage an der Schlei im Wasser hervorragend konserviert. Besonders bemerkenswert ist die Entdeckung einer umgestürzten Giebelwand, die vollständig erhalten war. Ein solcher Fund ermöglicht, mit großer Genauigkeit zu rekonstruieren, wie die Gebäude ausgesehen haben könnten, den bei diesem einem Haus weiß man ja ganz bestimmt wie die Giebelwand aussah.

In dem Museum sind die Häuser in verschiedener Bauart nachgebaut (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Es zeigt sich im archäologischen Befund: Eng bebaute Gassen, ein Stadtwall, der alles umgibt und eine gut konstruierte Hafenanlage. Ausgrabungen im ältesten Stadtkernbereich in Haithabu zeigen, wie dicht diese Stadt bebaut war. Ein Netz von rechtwinklig angelegten Wegen durchzog die Stadt. Dadurch war sie wie ein Raster gegliedert, in dem die einzelnen Hausparzellen standen. Die Wege, die dieses Raster unterteilt haben, wurden in verschiedensten Techniken errichtet, weil der Boden an einigen Stellen sehr unterschiedlich ist. Sie orientierten sich an Bachläufen, welche die Stadt durchzogen.

Von weitem sehen die Hausrekonstruktionen von Haithabu echt eindrucksvoll aus (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
So verlaufen alle Wege parallel oder senkrecht zu diesen Bachläufen hin bzw. von ihnen weg. Zum Teil handelt es sich um Bohlen und Spaltbohnenwege. Da bei ihnen das Holz erhalten ist, konnten Dendrochronologische Analysen (Holzringanalysen) durchgeführt werden. Diese Analysen bestätigten, dass das Wegnetz von Haithabu ab 810 errichtet wurde. Es entstand in Baumaßnahmen, die vom Stadtherren aus Steuergeldern finanziert wurden.

Eine Gasse in der Rekonstruktion im heutigen Wikingermuseum in Haithabu (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Diese Maßnahme ist aus Schriftquellen überliefert. Die Gebäude und die Wege waren relativ klein angelegt. Die Giebelseiten der Häuser waren jeweils zu einem der breiteren Wege hin ausgerichtet. Zwischen den Häusern verliefen schmalere Wege, diese waren eingeengt zwischen den Grundstücksgrenzen, die die Menschen oftmals mit Zäunen zusätzlich abgesteckt hatten.
Das Freilichtmuseum heute
Die archäologischen Ausgrabungen zeigen, dass in Haithabu Waren aus der ganzen bekannten Welt gehandelt wurden. Man fand Handelsgüter aus Istanbul, England und Island. Auch Pingsdorfer Keramik, oder wunderschöne Glasperlen zeugen von der internationalen Bedeutung Haithabus als Handelsstadt. Heute findet man hier eher ein idyllisches Bild:

Von weitem wirkt Haithabu heute wie ein idyllisches Dörfchen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Heute können Besucher das Freilichtmuseum von Haithabu besichtigen, das die Wikingersiedlung nachstellt. Es wirkt zwar eher wie ein kleines Dorf als eine große Stadt, doch vermittelt es einen Eindruck davon, wie die Menschen dort lebten und handelten. Besonders niedlich sind die Gallowayrinder, die auf den Wiesen grasen – sie bieten zwar keinen authentischen Eindruck der damaligen Zeit, sind aber wirklich putzig. Wer also das historische Erbe der Wikinger entdecken möchte, sollte Haithabu unbedingt besuchen und sich von der Faszination dieser einzigartigen Stadt begeistern lassen. Was könnte spannender sein, als durch eine der bedeutendsten Handelsstädte der Wikingerzeit zu schlendern und in die Vergangenheit einzutauchen?
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Literatur:
Elsner, Hildegard Elsner, Wikinger Museum Haithabu: Schaufenster einer frühen Stadt 3. Auflage, Neumünster 2004.
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Eine gute Zusammenfassung findet man in dem Buch: „Spurensuche Haithabu: Archäologische Spurensuche in der frühmittelalterlichen Ansiedlung Haithabu. Dokumentation und Chronik 1963-2013“.
Gebundene Ausgabe: 640 Seiten
Verlag: Wachholtz; Auflage: 4., Aufl. (15. Mai 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 9783529017971
ISBN-13: 978-3529017971
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Hui, nice. Habe grad’ gestern den ChronoLink zur Ausgrabungsdoku im NDR von 1960 gefixt :: https://mprove.de/chrono?q=54.49147,9.5687&z=13.97&t=18&m=DK73198&o=0.8&s=1&i=1
Krass, danke – der Film ist ja Uralt!
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