Flint – so nennen Archäolog*innen Feuerstein. Seit der Steinzeit, also seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte, wird er verwendet, um Werkzeuge zu bauen. Möglicherweise bestehen die meisten Werkzeuge der Steinzeit zwar aus Holz. Doch dieses ist regelhaft vergangen, sodass für die Forschung nur die Werkzeuge aus Stein übrig belieben. Dabei gibt es ein umgangssprachliches Missverständnis. Der Stein heißt im Volksmund Feuerstein, weil man mit ihm vermeintlich Feuer machen kann. Tatsächlich funktioniert das aber nur, wenn man ihn gegen Pyrit, eine andere Gesteinsart, schlägt. Die Funken die entstehen, wenn man zwei Flintsteine aneinander schlägt haben nämlich eine zu geringe Temperatur, um ein Feuer damit zu entfachen. Heute gibt es Flint als Werkstoff nur noch als Bauteil in einigen Gewehren. Das Wort Flinte stammt tatsächlich von einem Zündmechanismus, der mit einem Flintstein ausgelöst wurde. Heute werden dafür aber in der Regel andere, tauglichere Materialien verwendet.
Doch weil Flint 98% der Menschheitsgeschichte als unverzichtbares Material begleitet hat, ist es vermutlich der wichtigste Werkstoff, den es gibt. Doch bevor der Mensch dieses Gestein entdeckt hat, musste es sich erst einmal bilden. Deswegen einmal ein Blick weit zurück – in die Zeit der Dinosaurier:
Wie entsteht Flintstein?
Alles beginnt mit Ablagerungsprozessen. Es handelt sich dabei um Stoffe, die meist aus organischem Material bestehen und eine Schicht bilden. Anders gesagt: Tote Lebewesen, Reste von Pflanzen und ähnliches sind am Boden eines Gewässers liegen geblieben. Ein natürlicher Prozess der fortwährend geschieht. Eine Bodenschicht, genannt Sedimentschicht, türmt sich so auf. Diese ist zunächst recht locker. Dann passiert etwas das als Diagenese bezeichnet wird. Das ist der geologische Prozess, bei dem sich die Materialien in der Bodenschicht verhärten. Eine wichtige Rolle spielt dabei z.B. Druck.

Bis heute kann man Flintknollen in der Natur finden. So wie diese hier, die ich von einem Strandbesuch mitgebracht habe.
Ein Bestandteil der Flintentstehung ist die Verwitterung, ein natürlicher Prozess der anorganischen Chemie. Diese verursacht, dass sich die chemische Verbindung SiO2 in Knollen formiert. Bei Flint handelt es sich um einen Quarz, genauer gesagt um eine sehr feinkörnige Quarzverbindung. Es gibt sehr ähnliche Gesteine, wie zum Beispiel Hornstein. Diese Gesteinsarten werden immer wieder in einen Topf geworfen. Aufgrund ihrer chemischen Struktur gehören sie in die Gruppe der Silicate. Deswegen wird allgemein auch oft das Wort Silex für diese Werkzeuggesteine verwendet. Bei der Gesteinsbildung dieser Silikatgesteine kommt es zur Ausfällung anderer umgebender chemischer Elemente. Oftmals entsteht die Farbe des Gesteins durch diesen Prozess. So hat zum Beispiel die eisenhaltige geologische Umgebung bei Helgoland den Flint rot gefärbt. Und weil dieses Rot sehr selten ist, war der rote Helgoländer Flint im Neolithikum (Jungsteinzeit) ein begehrtes Statussymbol mit dem gehandelt wurde.
Eine Bodenschicht, in der man Flint findet, wird auch als Knollenhorizont bezeichnet. Die Gesteinsklumpen finden sich besonders oft in geologisch natürlichen Kreidevorkommen in Nordeuropa. Zum Beispiel auf Rügen. Gleichzeitig zu dem neolithischen Helgoländer Flinthandel entstehen in der Alpenregion Bergwerke. Denn hier hat sich der vergleichbare Hornstein entwickelt, meist in kalkhaltigen Schichten. Er besteht ebenfalls aus Ablagerungen, die sich verfestigt haben. Aber in dieser Region ist der Boden durch die sich bewegenden Erdplatten zu einem Gebirge aufgetürmt. Die Erdschichten mit den Silex-Ablagerungen sind dabei im Laufe der Jahrmillionen nach oben gedrückt. Die Sedimente befinden sich deswegen im Gebirge. Was heute die Alpen sind, war vor 200 Millionen Jahren einmal Meeresboden. Die Hornsteinknollen sind ein Beleg dafür.

Diese Pfeilspitze besetzt aus Hornstein wurde in einer Großsteinanlage in de la Glène gefunden (Bild: Didier Descouens [CC BY-SA 4.0])

Ein ganz schönes Gewusel in diesem Flint, wenn man durch die Lupe schaut (die länglichen Strukturen könnten Nadeln von Schwämmen sein). Mein Nerdtipp dazu: Wenn du einen Einschluss nicht so gut sehen kannst, hilft es manchmal, wenn du einen Tropfen Wasser auf die Oberfläche machst und auch durch ihn hindurchschaust.
Zu sehen sind in einem Flint Momente der geologischen Zeitalter, in denen die Bildung des jeweiligen Gesteins beginnt. Es handelt sich dabei um die Stoffe, die am Boden eines Gewässers lagen – oftmals kleine Organismen. Die Strukturen dieser Lebewesen sind im Flint noch heute zu sehen. Reste von Seegras finden sich genauso wie kleine Nadeln, ein Körperteil von Schwämmen. Je nach Region finden sich auch Einschlüsse von Radiolarien, das sind Miniaturfossilien, die ihre Namen daher haben, dass sie ganz rund sind. Sie sehen aus wie schwarze Punkte. Selten findet sich auch ein Feuerstein, in dem noch ein Schneckenhaus steckt. Mein Lieblingseinschluss heißt übrigens Foraminifere – ein Organismus der ganz viele kleine Zellen ausbildet und dadurch wunderschöne Formen annehmen kann. Schreib mir doch in die Kommentare, wenn du auch ein Lieblingsfossil hast.
Aber warum eignet sich dieses Quarzgestein denn nun so gut, um Werkzeuge daraus zu bauen?
Das liegt zum einen an der Härte. Es handelt sich also um widerstandsfähiges Material. Gleichzeitig bricht es gut. Man kann es dadurch leicht bearbeiten, denn wenn man im richtigen Winkel auf das Gestein schlägt, bricht es auseinander. Man spricht dabei von einem typisch muschelförmigen Bruch, den man mit Übung kontrollieren kann. Durch diese kontrollierte Art, das Material bearbeiten zu können, war Flint lange ein wichtiger Begleiter des Menschen. Die Werkzeuge, die aus Flint gearbeitet wurden haben sich dabei immer wieder verändert.

So unterschiedlich können Faustkeile aussehen. (Foto: Aus der Ausstellung im Wasserschloss Werdringen).
Am bekanntesten ist dabei wohl der Faustkeil. Ein Werkzeug, welches der Homo Ergaster erfindet. Um so ein Werkzeug herzustellen wird eine Flintknolle genommen und rundum werden so lange Teile des Steines abgeschlagen bis das Werkzeug die gewünschte Form hat. Ein Faustkeil ist so etwas wie ein Schweizer Taschenmesser der Steinzeit. Ein Allzweckwerkzeug mit scharfen Kanten auf zwei Seiten. Das Besondere an dem Flintmultitool ist: Man kann es nachschlagen. Ist eine Klinge stumpf geworden, kann man das Werkzeug durch einen gezielten neuen Abschlag wieder funktionstüchtig machen. In den frühen Phasen des Acheuléen (das ist die Zeit zwischen 1,76 Millionen – 150.000 vor heute), wird dafür ein harter Schlagstein verwendet. Doch die Steinschlagtechnik verbessert sich stetig. So entwickeln sich weiche Schlaghämmer aus Geweihen für die Werkzeugherstellung. Zwar verschwindet der Faustkeil erst nach fast 1,8 Millionen Jahren, also gegen 40.000 vor heute, endgültig aus dem Werkzeugkoffer der Menschen, doch er hat sich mit immer neuen Bearbeitungstechniken und Moden im Lauf der Zeit immer wieder verändert.

Gegenüber einem Faustkeil sieht so ein Abschlag zwar langweilig aus, aber es handelt sich um ein sehr nützliches Werkzeug (Foto: Wasserschloss Werdringen).
Zu dieser Veränderung kommt hinzu: Es werden noch viele weitere Steinwerkzeuge entwickelt. Zum Beispiel Schaber. Irgendwann kommen dann Abschlagklingen in Mode. Sie werden angefertigt, indem man von einer Flintknolle nur ein Stück gezielt flach abschlägt. Im Grunde hat man dadurch schon ein funktionstüchtiges Werkzeug. Gegen Ende der Steinzeit ist diese Art Werkzeug dominant und der Faustkeil lange vergessen. Man könnte meinen, dass kunstfertige Techniken mit Flint umzugehen in dieser Zeit ebenfalls vergessen sind. Vor allem, weil über einige Jahrtausende nur noch die weniger schmuckvollen Abschlaggeräte zu existieren scheinen. Doch als die Bronzezeit beginnt, Bronze aber im Norden Europas noch nicht bekannt ist, da zeigt sich die Flintkunst noch einmal in voller Blüte. Anscheinend hat sich schon rumgesprochen, dass es neue Waffen gibt, mit einer ganz besonderen Form. Zwar kennt man das Material nicht, aus dem diese gefertigt sind, aber auch im Norden wollen die Leute so coole Dolche haben, wie sie es bei den Menschen aus dem Süden gesehen haben. Also fertigen sie solche hübschen Fischschwanzdolche an:

Die Dolche haben den Namen von der Fischschwanzform des Griffes. Wenn man genau hinsieht, dann wurde hier sogar eine Gussnaht imitiert (Das Foto ist aus dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle).
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Literatur:
Für diesen Artikel habe ich zum Großteil Uniaufzeichnungen verwendet.
Jean-Marie Le Tonsrer, Faustkeile. In: Steinartefakte vom Altpaläoloithikum bis in die Neuzeit, Tübingen 2012.
Datenbank über Miniaturfosslien: https://www.ucl.ac.uk/GeolSci/micropal/welcome.html
Sehr schöner Artikel! Nett ist vor allem, dass ich nächstes Jahr bei einer meiner Führungen gleich zwei Flintbrüche (verschiedener Zeitstellung!) besuchen und erklären darf. Magst Du da die Nutzungen erklären, das kannst Du glaube ich besser als ich 😉
Herzliche Grüße aus der Oberpfalz
Lorna
So genau habe ich mich noch nie mit Flint beschäftigt. Sehr interessant. Wieder eine Wissenslücke geschlossen 🙂
Woran kann man denn erkennen, ob es sich um Flint oder Hornstein handelt?
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Liebe Miss Flint, gestern habe ich meine Flintsteinbeute heimgeschleppt und abends Deinen großartigen Blog gefunden. Vielen Dank für die Erklärungen! Es macht riesig Spaß in Deinen Aufzeichnungen zu stöbern. Herzliche Grüße aus dem Ostsee-Urlaub
Fatma
Moin!
Und viel Spaß noch mit dem Flint!
Ich wünsche noch einen unvergesslichen Urlaub – die Ostsee ist toll!
Herzlich
Miss Jones
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