Während ich diese Worte hier schreibe, gibt es eine Ausstellung im Hamburger Museum MARKK, welche nur noch für kurze Zeit existiert besucht werden kann. Und das ist auch richtig und wichtig. Gezeigt werden die Benin-Bronzen. Sie sollen nach
Nigeria zurückgegeben werden. Und weil es sich um außergewöhnlich faszinierende Objekte handelt, mit einer Geschichte, die nun endlich doch ein glückliches Ende findet, möchte ich euch diese Geschichte einmal etwas näher erzählen:
Als die Portugiesen kamen
Seit 600 Jahren gibt es Benin-Stadt die Hauptstadt des Königreichs Benin, als im 15. Jahrhundert plötzlich unbekannte Schiffe am Horizont auftauchen. Portugiesische Schiffe begegnen einem reichen und mächtigen Königreich, das beherrscht wird von einem Oba. Dem Herrscher der Edo. Die Europäer sind beeindruckt. Die Mauern der Wehranlagen des Königreiches sind noch massiver als die Chinesische Mauer. Die Portugiesen sind gekommen um zu handeln. Gold, Elfenbein, Pfeffer und Sklaven sind die bevorzugte Handelsware der Europäer und im Gegenzug liefern sie die im Königreich seltene und dadurch begehrten und sehr wertvollen Rohstoffe für die Bronzeherrstellung.
Die Edo können nun eine Kunstform perfektionieren: Den Bronzeguss. Schon lange zeugen Armreifen aus Bronze in dieser Region von Reichtum, nun aber werden ganze Bronzefiguren hergestellt. Figuren die wichtig sind – Tierskulpturen, die Bedeutungen haben. Aber auch Figuren der Oba und ihrer Mütter. Dies dient der Erinnerung. Eine Obafigur wird nach dem Tod des Herrschers angefertigt, für einen Altar auf dem Seiner gedacht wird. Die Herrscher tragen charakteristische Netzkappen und Perlenketten aus Korallen. Wichtig ist auch die Darstellung seiner Mutter. Denn die Königsmutter gilt bei den Edo als die Beschützerin des Obas. Die Figuren werden im Palast aufgestellt, für die Ahnenverehrung. Der Oba praktiziert regelmäßig Rituale, um die Ahnen zu ehren und gleichzeitig die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten. Zusätzlich gibt es Reliefplatten, die wichtige historische Ereignisse dokumentieren,
wie ein bronzenes Geschichtsbuch. Ein spirituelles und historische Gedächtnis der Edo entsteht. Und das ab dem 16. Jahrhundert immer kunstvoller. Im 17. Jahrhundert hat sich der Handel mit Portugal dann voll entfaltet. Die Portugiesen berichten von dem afrikanischen Hafen, der einer europäischen Anlage in nichts nachsteht. Und auch die Edo dokumentieren den florierenden Handel, natürlich in Form von bronzenen Reliefplatten.
Und dann kommen die Engländer
Es sind die 1850er als die Briten beginnen ihre Handelsinteressen im Westafrikanischen Raum durchzusetzen. Zu einer Zeit, in der der Handel zwischen dem Königreich Benin und Portugal bereits seit bald 500 Jahren floriert. Die Briten, die vorrangig ihre Interessen als Großhandelsmacht durchsetzen wollen erschaffen dafür einen perfekten Vorwand. Offiziell sind sie gekommen die Sklaverei abzuschaffen. Sie erreichen Benin Stadt und unterzeichnen gemeinsam mit dem Oba Ovomramwen ein Freihandelsabkommen. Doch als Oba Ovomramwen weiter Ausfuhrzölle verlangt
werten die Briten dies als Vertragsbruch. Die Briten greifen an und nennen dies Strafexpedition. Wobei man vermuten kann, dass die einzelnen beteiligten Soldaten tatsächlich davon ausgehen, dass sie angetreten sind den Sklavenhandel zu beenden.
Am 12. Januar 1897 kommt es dann zu dem Befehl Benin-Stadt vollständig zu zerstören. 9 Tage dauert die Eroberung. Danach wird die Stadt systematisch geplündert und am 21. Februar 1897 in Brand gesteckt. Die Existenz des Königreich Benin ist beendet. 1914 setzen die Briten dann den Sohn des Exkönigs als Regierungsmarionette der Region, die nun auf den Namen „Protektorat südliches Nigeria“ hört, wieder ein.
Die Plünderungen
10.000 kostbare Bronzefiguren, wertvolle Elfenbeinschnitzereien und weitere Kunst wird abtransportiert. Der Palast und die Stadt dem Erdboden gleich gemacht. Besonders perfide: Die Engländer hatten vor dem Angriff genau durchgerechnet, ob sich der Angriff finanziell rentiert, wenn man die geplünderten Objekte danach verkauft. Dieser Kulturschatz wurde gezielt zerrupft und in alle Winde verkauft. Währe dies von
Privatpersonen gemacht worden, würde man von Hehlerware sprechen. 1897 kann man dies mit Diskursen rechtfertigen, welche afrikanischen Kulturen die Eigenständigkeit absprechen – die also im Kern rassistisch sind. Einige Sammler rechtfertigten sich selbst damit, dass man diese Kunstschätze ja retten würde. Eine Person, die sich dabei hervortut, ist Felix von Luschan, von der Afrikasammlung des Völkerkundemuseums Berlin.
Die Beninbronzen gelangen nach Deutschland
Schon frühzeitig gelangen die Objekte zu Felix von Luschan, der wie besessen jede Möglichkeit ergreift Kunst zu erwerben. Um 45.000 Stücke wächst die Berliner Sammlung in von Luschans Wirkungszeit. Dabei ist er eine ambivalente Person. Beispielsweise betrachtet er die afrikanischen Kulturen, nicht als rückständig, sondern glaubt vielmehr die weißen seien „Wild geworden“. Andererseits war er Befürworter des
Kolonialismus. Er kauft die Kunstschätze auf dem Londoner Markt in dem Wissen, das sie aus Plünderungen stammen die den Zweck haben die englische Kriegskasse zu füllen. Es sind viele Aufzeichnungen von Luschan erhalten aus denen hervorgeht, wie sehr er sich freute, wenn er Objekte beispielsweise fast zum Nulltarif erwerben konnte.
Fast 150 Jahre diskussion
Lange wurden die Edo nicht gehört. 1978 gibt es dann einen UNESCO Ausschuss für die Rückgabe geraubter Kulturgüter. Doch es braucht einen langen Atem bei der Durchsetzung. Es gibt Hass unter Kollegen. Herbert Ganslmayr beispielsweise, der sich als einer der ersten Deutschen Museumsdirektoren für eine Rückgabe ausspricht, wird im Kollegium als „Brechmittel“ bezeichnet. Und ganz ehrlich, ich selbst kenne solche Anfeindungen in Bezug auf das Thema aus dem Kollegium ebenso – und zwar zuletzt im Jahre 2019. Die Rückgabe wird beharrlich immer wieder thematisiert. Von verschiedensten Gruppen und natürlich von den betroffenen Kulturen.
Ein Argument aus der Museumslandschaft gegen die Rückgabe: Man würde seine besten Ausstellungstücke verlieren. Ein seltsames Argument, lagen in den letzten Dekaden die Beninbronzen doch überwiegend in Museumsdepots herum und waren gar nicht ausgestellt. Die Museen entwickelten Taktiken gegen die Rückgabe. finanzierten z.B. die Provenienzforschung nicht ausreichend. Provenienzforschung, ist der Wissenschaftsbereich, der die Herkunft von Objekten erforscht. Es galt also das Motto: wenn wir nicht wissen, ob etwas geklaut ist, müssen wir es auch nicht
zurückgeben. Schade, denn tatsächlich müssen auch nicht alle Objekte zurückgegeben werden. Zum Beispiel war das Handelsgeflecht mit Portugal ja lange funktionstüchtig und für beide Seiten florierend. Kunst, die völlig legal auf diesem Weg nach Europa gelangte, wurde rechtmäßig erworben. Aber auch um das nachzuweisen braucht es eine ausreichend finanzierte Provenienzforschung. Und wenn man bedenkt, dass einer der Bronzeköpfe 2017 bei Sotheby’s für 1,9 Mio. € versteigert wurde, ist es beschämend, das auf der anderen Seite die Finanzierung der Wissenschaft oft krankt.
Macron und der Anfang vom Ende der Diskussionen
Während ich mich 2017 wieder einmal beleidigen lassen musste, warum ich denn ausgerechnet Afrikanern Kulturschätze geben möchte, die Zitat „zu dumm seinen“ auf diese aufzupassen und weiteren rassistischen Bullshit aus dem Kollegium – verkündete Emanuel Macron, Frankreich würde binnen 5 Jahren alle geklauten Kunstschätze Afrikas zurückgeben. Plötzlich war Frankreich Vorreiter in Sachen Kulturgüterraub und Deutschland stand unter Zugzwang. Gleichzeitig wurde das Humboldtforum gebaut und umso fertiger es wurde, umso lauter aufgefordert die geklauten Kunstschätze zurückzugeben. Beispielsweise die Gruppe „Berlin Postkolonial“ machte eine Vielzahl
an Aktionen. Der Eröffnung des vielkritisierten Humboldtforums selbst ist es zu verdanken, dass der Kulturgüterraub zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, was auch der plakativen Darstellung durch Jan Böhmermann zu verdanken ist. Anfang 2022 wird dann im Hamburger Museum MARKK eine Ausstellung eröffnet, die die Beninbronzen, welche zuvor Jahrzehnte in den Museumsdepots verstaubten, zeigt. Und zwar um sie am Ende der Ausstellung im Dezember 2022 zurückzugeben. Das ist aber nur ein Startpunkt einer neuen Gerechtigkeit. Denn am 1. 7. 2022 gestaltet die Bundesregierung einen Vertrag mit Nigeria, der die Rückgabe aller Figuren aus deutschen Museen regelt.
Was bedeutet das?
Zum einen bedeutet eine Anerkennung der Bedürfnisse der beklauten Kulturen – eine Anerkennung als ebenbürtige Menschengruppen – wenngleich das viel zu spät kommt. Dies wird bzgl. der Beninbronzen vor allem durch die Zusammenarbeit mit nigerianischen Vertreter*innen auf verschiedensten Ebenen deutlich. Was bislang begann, war der Aufbau von Datenbanken wie Digital Benin. Eine Digitalisierung der Objekte, die dazu dient, dass Forscher*innen auf der ganzen Welt digitalen Zugriff auf
diese Kulturgüter haben. Außerdem wird ein Museum in Nigeria errichtet, in dem die Stücke gezeigt werden sollen (Eröffnung voraussichtlich 2025). Daran sind auch Vertreter der Edo beteiligt, welche heute nur eine Kulturgruppe in Nigeria sind. Bis heute haben die Edo einen Oba und dieser ist immer noch der spirituelle Anführer der Edo. Es ist seine Aufgabe, dass das Museum angemessen für seine Kultur gestaltet wird. Wichtig ist, dass die Figuren wieder zu dem Dienen, für das sie einst gefertigt wurden. Als spirituelles und historisches Gedächtnis der Edo.
Und wer sich jetzt noch einen Eindruck machen möchte von den in Deutschland befindlichen Objekten, welche im koloialen Kontext stehen, schaut in diese Datenbank: https://www.cp3c.org/benin-bronzes/
Oder schau in den Katalog Digital Benin: https://digital-benin.org/
Literatur:
https://www.spektrum.de/news/felix-von-luschan-jaeger-der-geraubten-beninbronzen/2036866?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/benin-bronzen-koennen-zurueckkehren-2058816
https://www.spektrum.de/news/beninbronzen-auch-fuer-deutschlands-museen-gestohlen/1899538
https://www.tagesschau.de/thema/benin-bronzen/
https://www.tagesspiegel.de/politik/nigeria-will-benin-bronzen-zurueck-raubkunst-streit-ueberschattet-eroeffnung-des-humboldt-forums/26707296.html
https://www.britishmuseum.org/about-us/british-museum-story/contested-objects-collection/benin-bronzes
https://www.khanacademy.org/humanities/art-africa/west-africa/nigeria/a/benin-and-the-portuguese
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