War Scrat aus Ice Age ein echtes Tier? Faszinierende Beweise aus der Wissenschaft

Wir kennen ihn alle, er ist einer der Promis der Eiszeit. Scrat, dieser kleine Kerl, der in den Kinderfilmen immer auf der Suche nach Eicheln ist und dabei mehrfach fast die Welt zerstört. Dieses liebenswerte Wesen, das immer wieder das größte Chaos anrichtet und doch immer wieder davonkommt.

Scrat aus dem Film Ice Age mit einer Eichel in der Hand

Yap – Scrat was Real … also zumindest in gewisser Weise (CC BY-SA 4.0).

Und selbst wenn er fast von Gletschern zerdrückt wird, es Eisberge regnet, oder ein Vulkan ausbricht, hat Scrat nur eines im Kopf – die Rettung seiner geliebten Eicheln. Und dabei ist er unfassbar resident, er überlebt quasi alles. Klar, Scrat lebte in der Eiszeit, und musste manches Abenteuer überstehen – also besser gesagt, er lebt in Kinderfilmen, die in der Eiszeit spielen, aber was ist eigentlich dran an dieser Geschichte? Gab es den putzigen Protagonisten wirklich? Die Antwort darauf finden wir am Fundplatz Schöningen:

Was wird in Schöningen denn genau erforscht?

Im Fundmaterial des Fundplatzes Schöningen ist ein ganzer Querschnitt der Flora und Fauna an einem Wasserloch der Zeit vor 300.000 Jahren. Der Naturraum der Eiszeit wird hier erforscht – und weil an einem Wasserloch natürlich viele Tiere vorbeikamen, um zu trinken, kann man hier auch einen tiefen Einblick bekommen in genau diese Lebenswelt in ihren verschiedensten Fassetten. Und zwischen diesen ganzen Funden fanden sich auch die Knochen des vergleichsweise kleinen Scrat. Das Fundgut geht von riesigen Knochen von Waldelefanten, bis hin zu winzigen Pollen.

Eine Collage mit einem blauen Himmel, einem Elefanten der auf einer Zeitung ausgeschnitten zu sein scheint, einem Adler aus einem Hochglanzmagazin, im Hintergrund ein Nashorn, an der Seite ein Riesenpilz auf einem Felsen.

Die Lebenswelt in der Eiszeit zusammengesetzt wie in einer Collage aus einzelnen erforschten Puzzleteilen (Darstellung aus dem Museum in Schöningen / Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Und all diese Funde werden in Schöningen untersucht. An dem Wasserloch fanden sich Knochen der verschiedensten Tiere dieser Zeit neben Waldelefanten auch Nashörner, Pferde, Rinder, Bären, Hirsche und Biber. Doch es gibt auch Funde von Kleinsäugetieren, Fischknochen, Froschknochen, sogar die Käfer dieser Zeit, werden in Schöningen erforscht. Die Überreste von mehr als 20 Kleinsäugetierarten sprechen hier von einer diversen und lebendigen Natur. Das Ökosystem der Zeit vor 300.000 Jahren lässt sich hier erforschen.

Winzige Knochen.

Die Gebeine von Scrat (oder einem anderen Desman) – Gefunden in Schöningen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Archäologie trifft hier auf Biologie, denn man kann hier in ein Ökosystem einer vergangenen Zeit blicken, um dadurch auch viel für uns heute erforschen – der Clou: Auch die Ökologie der Eiszeit war in sich stabil. Durch die Klimawandel der Vergangenheit ist es verschwunden. Tierarten sind ausgestorben – aber dass es Tiere an sich gibt, hat sich nicht verändert. Derzeit leben wir in einer Zeit, in der sich das Klima ebenso wandelt – nur dass die Prozesse, die damals Jahrtausende gedauert haben, heute in wenigen Jahren passieren – schaut man sich die Vergangenheit an, kann man vielleicht Wege finden, Ökosysteme für die Zukunft zu bewahren, die Lebensfähig sind. Und weil diese Arbeit heute so wichtig ist wie nie zuvor, bietet das örtliche Museum auch Ökologie Programme für Schulklassen an.

Wie sah die Landschaft denn zu Scrats Zeiten aus?

Der Fundplatz im Schöniger Braunkohletagebau war vor 300.000 Jahren ein größeres Wasserloch in der Umgebung eines Waldes. Im Verlauf der Zeiten hat sich der Wald mehrfach verändert. Es gab einen Eichenmischwald, in dem zunächst die Eichen immer dominanter wurden. Dann breitete sich die Hasel aus, bis sie 11% des Baumbestandes ausgemacht hat, ab da breiteten sich dann vermehrt Hainbuchen, Kiefern und Fichten aus.

Ein Diorama mit Wiesen, Wald und Bäumen

Darstellung aus dem Museum in Schöningen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Und bei Eichen sind jetzt alle Ice Age Fans hellhörig geworden. Denn wie wir alle wissen, liebte Scrat Eicheln, hat er vielleicht so viele gesammelt, dass der Eichenwald deshalb zurückging? Anscheinend nicht – das nur eine Korrelation, der Eichenwald und Scrat waren wie es aussieht ganz zufällig gleichzeitig an diesem Funplatz – Scrat mochte wahrscheinlich gar keine Eicheln. Denn:

Scrat ist ein Desman

Bei einem Desman handelt es sich um ein Wesen, das im Volksmund auch Bisamspitzmaus genannt wird. Dabei sind Desmana enge Verwandte der Maulwürfe. Wie Maulwürfe ernähren sie sich von Insekten und z.B. Würmern. Doch Desmanen leben etwas anderes als Maulwürfe. Sie bauen sich kleine Nester an Wasserstellen, die so gebaut sind, dass man sie nur zur Seeseite hin betreten und verlassen kann. Clever: Denn so können feindliche Landtiere ihre Nester nicht erreichen. Und das ist auch wichtig – denn anderes als im Film sind Desmanen leicht angreifbar und sehr verletzliche Tiere.

Zwei Desmane an einem Ufer. Eine schwarzweiße Zeichnung

Zwei Desmana Moschata (Bild: Gustav Mützel – Gemeinfrei).

Desmanen haben eine halb aquatische Lebensweise und deswegen z.B. auch Schwimmhäute an den Hinterläufen oder einen besonders platten Schwanz, mit dem sie gut schwimmen können. Tatsächlich hat man am ehemaligen Wasserloch in Schöningen nicht einfach Scrat gefunden, sondern die Überreste gleich mehrerer Desmanen. Aber: Man ist sich bislang nicht sicher, zu welcher Desmanunterart die hier gefundenen Tiere gehören. Die Knochen sind sehr klein, bei so einem kleinen Tier und sehen sich recht ähnlich. Am ähnlichsten scheint aber das Desmana Güldenstädt zu sein, aber es gibt auch Ähnlichkeiten zu zwei anderen Desmanarten. Die genaue Evolution der Desmanen bis heute ist aber schwer nachzuvollziehen, weil solche kleinen Knochen oftmals schwer zu finden und einzuordnen sind, und auf regulären Fundplätzen anderer Zeitalter findet man diese Tiere nicht, da hier oft ein Fokus auf der Erforschung der Menschen liegt, und von denen halten sich Desmane fern. Das größte Problem für die Forschung und die Desmanen ist aber:

Scrats Nachfahren sind vom Aussterben bedroht

Im 19. Jahrhundert wurden die Kleinsäugetiere in Europa gejagt. Der Grund: Das besonders weiche Fell wollte man für Pelzmäntel haben. Die Populationen haben sich seit dem nicht erholt. Heute gibt noch Desmana Moschata im Russisch-Ukrainischen Grenzgebiet und den Pyrenäen Desman im Norden der iberischen Halbinsel. Bei dem Desmana Moschata handelt es sich um die größten heute lebenden Maulwürfe, die es gibt. Sie werden ca. 21 cm lang, haben einen ebenso langen Schwanz und sie wiegen bis zu 220 g. Und auch wenn das für einen Maulwurf groß ist, handelt es sich damit um ein vergleichsweise kleines Tier. Desmane haben eine für Insektenfresser ungewöhnlich stark ausgeprägte Sozialstruktur.

Der Kopf des Desman mit der ausgeprägten Nase schaut aus dem Wasser beim Schwimmen.

Ein Pyrnäen Desman. Die Nase besteht aus zwei Knorpelröllchen, und sieht der von Scrat echt ähnlich 😉   (Bild: Aihartza (CC BY 4.0)).

Das Hautproblem, dass sie heute bedroht ist, Wasserverschmutzung und dass ihr Lebensraum immer mehr zerteilt wird. Entgegen der Annahme, die man nach den Ice Age Filmen treffen könnte, hat Scrat niemals einen großen Schaden angerichtet. Vielmehr sind diese kleinen Säugetiere ein Anzeichen von einem gesunden und intakten Ökosystems. Und deswegen sind Desmane nicht nur kurios und sympathisch, sondern auch wichtig für die Erforschung von Ökosystemen. Sie sind ein Anzeiger einer wenig verschmutzten Umwelt. Deshalb haben sie es heutzutage auch schwer – mit dem Insektensterben stirbt ihre Lebensgrundlage. Gleichzeitig sollten wir aber genau deshalb diese kleinen Kerle schützen und achten, denn sie können uns zeigen, wie gut wir aus unsere Umwelt aufpassen. Dass sie mit Scrat einen sympathischen und prominenten Botschafter haben, finde ich sehr gut – nur sollten wir öfter auf die Geschichte seiner Familie hinweisen. Den die könnte, wenn wir besser auf die Umwelt acht geben, auch irgendwann wieder bei uns heimisch werden.

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Literatur:

Thijs van Kolfschoten: Die Kleinsäugerreste aus dem Rheinsdorf-Interglazial von Schöningen. In: Die Schöninger Speere – Mensch und Jagd vor 400.000 Jahren, Hannover 2007.

Thijs von Kolfschoten: Vom Elefanten bis zum Desman – Die Schöninger Tierwelt vor 300.000 Jahren. In: 300.000 Jahre Spitzentechnik – Der altsteinzeitliche Fundplatz Schöningen und die frühesten Speere der Menschheit, Darmstadt 2018.

Hartmut Thieme, Dietrich Mania, Brigitte Urban und Thijs van Kolfschoten: Schöningen (Nordharzvorland) – Eine altpaläolithische Fundstelle aus dem mittleren Eiszeitalter. Archäologisches Korrespondenzblatt 23, 1993, S. 147–163.

https://www.iucnredlist.org/species/6506/22321477

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Desmane

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Pyren%C3%A4en-Desman