13.000 Jahre alte Fußspuren

Es ist regelrechtes Mistwetter. In der Umgebung eines fast ausgetrockneten Sees löst sich der Boden zu einer Matschlandschaft. Einige Jahrtausende zuvor war hier noch der fast unerschöpflich wirkende Lake Otero. Doch als die Eiszeit langsam zu Ende geht, verschwindet dieser See. Noch einige Tümpel existieren an diesem Tag, als eine junge Frau unbeirrt durch den Matsch stapft. Gut 5 cm sacken ihre Füße bei jedem Schritt ein. Unbeirrt geht sie immer weiter, mindestens 1,5 Km lang. Stoisch geradeaus – quer durch die Landschaft. Auf ihrer Hüfte trägt sie ein Kind. Mal auf der rechten und mal auf der linken Seite. Wenn es ihr zu schwer wird, läuft das ca. 2 Jahre alte Kleinkind auch selber ein Stück. Wird es dann zu müde, trägt sie es wieder. Hastig, mit ca. 6,1 Km/h läuft die Frau immer weiter durch die fruchtbare Landschaft New Mexicos vor 13.000 Jahren.

Eine Grafik mit einer in Leder gekleideten Frau, die ein Kind auf dem Arm hält. Die Landschaft ist matschig. Der Himmel ist grau, es regent in Strömen. Im Hintergrund laufen zwei Mammuts.

So kann man sich das Geschehen vielleicht vorstellen. (Bild: NPS Photos)

Woher wissen wir das?

Was einmal eine fruchtbare Landschaft war, ist heute der White Sands Nationalpark. Durch die Geologie dieser Gegend kristallisiert der Boden bei der Austrocknung. Kleine Gipskristalle entstehen. Als hier am Ende der Eiszeit immer häufiger der Regen ausbleibt, der See austrocknet, und hier als letzte fruchtbare Phase eine Tümpellandschaft existiert, bleiben die Fußspuren durch dieses geologische Phänomen im Boden erhalten. Die Gipskristalle leuchten leicht weißlich in der Sonne, daher auch der Name des Nationalparks: White Sand. Es ist deutlich zu sehen, die Frau hat das Kind getragen. Mal verlaufen die Kinderfußspuren parallel zu denen der Frau, mal nicht. Dafür sinkt dann ihr rechter oder ihr linker Fuß tiefer in den Boden ein. Der Abstand der Schritte spricht für die hohe Geschwindigkeit, mit der die Frau lief. Einmal rutscht sie aus und fällt fast hin. Ein anderes Mal macht sie einen großen Schritt über eine Pfütze. Sie hat kleine Füße. Es kann also auch sein, dass hier ein sehr kleiner Mann, oder auch ein Mensch im Teenageralter mit dem Kind eilig durch die Matschlandschaft schritt. Möglicherweise war es aber auch die Mutter oder eine Freundin oder Verwandte.

Fusspuren im weisen Sand. Deutlich zu sehen, sie stammen von Kind und Erwachsenen.

Kleine und große Fußspuren. (Bild: NPS Photos)

In welcher Welt lebten Frau und Kind?

Die Fußspuren sind uns heute erhalten wie eine Momentaufnahme der Geschichte. Aber es sind nicht die einzigen. Fußspuren von Tieren zeigen ein Bild davon wie die Welt vor 13.000 Jahren ausgesehen hat. Es sind Tatzenabdrücke von Wölfen, Großkatzen und von riesengroßen Pflanzenfressern wie Mammuts, Riesenfaultieren und auch einer prähistorischen Kamelart. Die Fußspuren der eiligen Frau zeigen: kurz nachdem sie ihren Weg entlang geschnellt war, kreuzt ein Mammut diesen. Ein Columbisches Mammut – diese Art ist im Nordamerika dieser Zeit heimisch. Das Mammut nimmt keine Notiz von ihren Spuren und läuft weiter durch die Landschaft. Ein Stück weiter entdeckt ein Riesenfaultier die Fußstapfen der Frau. Es bleibt kurz stehen. Sinkt dabei tiefer in den Boden ein. Es schnüffelt, scheint sich zu vergewissern, dass es in Sicherheit ist. Und läuft dann schnell weiter. Riesenfaultiere standen auf der Speisekarte der Menschen dieser Zeit sehr weit oben. Das Tier tat also gut daran sich davon zu machen.

Skelett eines Amerikanischen Riesenfaultiers. Ein Mann steht daneben und wirkt winzig im vergleich

Ein amerikanisches Riesenfaultier. So ein Riese wog leckere 460 Kg. (Ausgestellt im Muséum national d’Histoire naturelle, Paris, das Foto ist Gemeinfrei)

Woher kennen wir das Verhältnis von Mensch und Riesenfaultier aus dieser Zeit?

Die Antwort auf diese Frage ist tatsächlich ein Problem. Denn Funde, die Menschen in dem heutigen Wüstengebiet hinterlassen haben, sind tatsächlich nicht so häufig. Es gibt lediglich einige Steinsplitter die darauf hindeuten, das Werkzeuge und Waffen angefertigt wurden. Doch nicht nur die Fußabdrücke der hastigen Frau sind erhalten. Seit 70 Jahren wird in White Sands an weiteren Fußspuren geforscht. Ein besonderer Fund dabei ist die Geschichte einer Jagd. Spuren eines Riesenfaultieres in denen sich Menschenspuren abzeichnen. Es zeigt sich: Menschen verfolgen am Ende der Eiszeit ihre Beute durch die Tümpellandschaft. Ob sie das Faultier tatsächlich erlegen ist unbekannt. Aber Forscher*innen gehen davon aus, dass nur jede dritte Jagd dieser Zeit mit einem Erfolg endet. Doch auch ein anderer Fund erzählt die Geschichte der Menschen im ausgetrockneten Lake Otero Becken. Fußspuren von Kindern zeigen, wie sie vor 13.000 Jahren in Pfützen umherspringen und dem Anschein nach ein Kinderspiel spielen.

Eine Landschaft an einm Se. Hohes Gras, in weiter ferne Berge. Mammuts und Kamle werden von Säbelzahntiegern beobachtet.

Eine Idee wie die Landschaft in dieser Zeit ausgesehen haben kann. (Bild: NPS Photos)

Und wie endet die Geschichte von der Frau mit dem Kind auf dem Arm?

Das ist schwer zu sagen. Die Frau setzt das Kind schließlich ab. Wo sie es hingebracht hat, ob sie die Mutter ist, oder warum die das Kind weggebracht hat, ist unklar. Deutlich ist aber, sie geht den gleichen Weg allein und ebenso hastig wieder zurück. Der Weg ist glitschig und schlickig. Das Ganze ist also sehr anstrengend. Sie begegnet der Spur des Riesenfaultiers und läuft auf dem Rückweg quer durch dessen Fußspuren. Ebenso gelangt sie an die Stelle, an der in der Zwischenzeit ein Mammut entlang gelaufen ist. Auch über dessen Spuren läuft sie hinüber. Schnurstracks läuft sie dahin wo sie hergekommen ist. Hat sie vielleicht ihr eigenes Kind, wegen des Unwetters, in Sicherheit gebracht? Oder gibt es einen ganz anderen Zusammenhang zwischen der Frau und dem Kind? Klar ist nur: in New Mexico wurde eine Geschichte gefunden, die uns wie ein Foto die Zeit der Paläoindianer zeigt.

Die Fussspuren bei der Dokumentation. Deutlich zu sehen, sie verlaufen hin und dierekt daneben zurück.

Hin und Zurück, die Fußspuren zeigen dies deutlich.(Bild: NPS Photos)

Wenn du mehr solche spannenden Geschichten hören möchtest, dann lass doch ein Trinkgeld da und helfe der Autorin diese Homepage zu finanzieren.

Literatur:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0277379120305722?dgcid=author

https://www.nps.gov/whsa/learn/nature/fossilized-footprints.htm

https://theconversation.com/fossil-footprints-the-fascinating-story-behind-the-longest-known-prehistoric-journey-147520

https://eu.alamogordonews.com/story/news/2020/10/09/white-sands-national-park-fossilized-human-tracks-longest-world/5937926002/

https://www.smithsonianmag.com/smart-news/11000-year-old-new-mexico-footprints-track-adult-and-toddlers-trip-180976057/

Ein Gedanke zu „13.000 Jahre alte Fußspuren

  1. Pingback: Archaeology 2024-04-12 – Ingram Braun

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert