Die Mode der Eiszeit – Kleidung vor 300.000 Jahren

Wann hat der Mensch eigentlich Kleidung erfunden? Das ist eine Frage, die nur sehr schwierig zu beantworten ist. Man geht davon aus, die erste Kleidung wurde aus Fellen gemacht und später wurde dann die Weberei entwickelt. Aber wann gab es die erste Kleidung? Und wie kann man das erforschen? Es ist einmal mehr der Fundplatz Schöningen, der ein neues Licht auf dieses Rätsel der Menschheitsgeschichte wirft. Aber erst einmal:

Was war bisher bekannt?

Es ist schwierig, Materialien zu erforschen, die nicht bis heute erhalten sind. Als ich bei der Gestaltung des Museums, wo heute die Schöniger Speere ausgestellt sind, ein Praktikum gemacht habe, bin ich bei meiner Recherche also einen anderen Weg gegangen. Ich habe recherchiert, seit wann es Kleiderläuse gibt. Denn klar ist: Wenn es Parasiten gibt, die etwas befallen, dann muss es das ja zu diesem Zeitpunkt schon

Ein Nackter Homoheidelbergensis - Wachsfigur die einen Pferdeschädel hält.

Ein Homo Heidelbergensis mit einem Pferdeschädel. Er ist nackt – wegen des Forschungstandes zu dem Zeitpunkt, wo diese Rekonstruktion entworfen wurde.

geben. Das Ergebnis war: Die DNA Forschung belegt, seit 75.000 Jahren gibt es die Kleiderlaus. Der Fundplatz Schöningen ist aber sehr viel älter. 300.000 Jahre alt. Hier Lebte der Homo Heidelbergensis an einem Wasserloch der Eiszeit. Und so war es wahrscheinlich, dass es in dieser Zeit schon Kleidung gab, weil Eiszeiten bekanntermaßen recht kalt sind. Und man kannte aus Südafrika den Fund von einem 200.000 Jahre altem Bett, das zeigt: Menschen mochten es schon früh kuschelig – aber es gab es keinen richtigen Beleg für Kleidung. Aber, mittlerweile gibt es neue Ergebnisse:

Von der Betrachtung alter Knochen

Es wurden neue Untersuchungen gemacht. Dabei wurden Höhlenbärknochen untersucht. Ein Beutetier des Homo Heidelbergensis. Und während wir heute, wenn wir plötzlich vor einem solchen bis zu eine Tonne schweren und drei Meter langen Koloss stehend nur denken würden “oh Shit” und das vmtl. dann auch unser letzter Gedanke wäre, dachte der Homo Heidelbergensis in so einer Situation vmtl. so etwas wie “Oh

Eine Zeichnung einen Höhlenbäres

Ein Höhlenbär (Bild: Benoît Clarys)

lecker”. Denn der Höhlenbär wurde stark von den Urmenschen gejagt. Es war ein allgegenwärtiges Beutetier dieser Zeit. Das weiß man, denn die Knochen dieses Bären finden sich an vielen Fundplätzen, sehr weit verbreitet im Paläolithikum (Altsteinzeit). Eine nähere Betrachtung der Knochen unter dem Mikroskop hat jetzt gezeigt, wie der Homo Heidelbergensis mit Braunbären umgegangen ist:

Kleidung aus Bärenfell

Es zeigt sich, die Tiere wurden fachgerecht und sorgfältig zerteilt. Die Schnittmarken an den Knochen zeigen, man hat die Bären von den Pfoten her zerlegt. Eine Handlungsweise, die nur Sinn macht, wenn man möglichst viel von dem Fell abziehen und verwenden will. Forscher*innen der Unis Leiden, Tübingen und dem Senckenberg

Mikroskopische Aufnahme eines Bärenknochens, die Schnittspuren sind deutlich zu sehen.

Deutlich zu sehen, sind die Schnittspuren an dem Knochen (Bild: Volker Minkus).

Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment haben dies an Funden aus Schöningen eindeutig zeigen können. Die Bären wurden offenbar nicht nur als Nahrung gejagt und um Werkzeug aus den Knochen herzustellen, sondern man hat die Felle genutzt und daraus vmtl. Kleidung gemacht. Und dass die Bären so zerlegt wurden, zeigte sich dann nicht nur in Schöningen. Auch an dem Fundplatz Bilzingsleben lässt

Einer der Mittelfußknochen, die untersucht wurden, auf einem Bärenfell.

Die Schnittmarke an dem Mittelfußknochen ist auch mit bloßem Auge gut zu sehen (Bild: Volker Minkus).

sich zeigen: hier hat man Bären mit der gleichen Strategie zerlegt. Das scheint eine bewährte Strategie gewesen zu sein, denn auch an jüngeren Fundplätze des Paläolithikums, wie beispielsweise den Neandertalerfundplatz Krapina, kann man in die Liste der Orte einsortieren, wo Bärenknochen aufgetaucht sind, die nach dieser Idee zerlegt wurden. Es scheint gut funktioniert zu haben und setzte sich deswegen über lange Zeit durch.

Und was bedeuten diese Funde

Streng genommen haben wir hier nur einen weiteren Hinweis darauf, dass Homo Heidelbergensis und er Neandertaler schon Kleidung kannten. Aber: Die Quellenlage verdichtet sich. Und man kann nach aktuellem Stand davon ausgehen: vor 300.000 Jahren war Kleidung aus Bärenfell bekannt, auch wenn man es nicht ganz abschließend beweisen kann. Schnittmuster oder Moden kann man daraus sicherlich nicht ablesen. Aber es ist ein Teil derjenigen aktuellen Paläoliothikumforschung, die ein

Ein Homo heidelbergensis paar, steht Arm in Arm da. Beide halten einen Speer locker in der Hand.

Es ist also durchaus möglich, dass ein solches Homo Heidelbergensispaar in Bärenfell gekleidet war (Bild: Benoît Clarys).

weiteres Vorurteil gegenüber unseren Vorfahren aus dem Weg räumt. Der Homo Heidelbergensis war eben kein grunzendes haariges Wesen. Er konnte Hightechwaffen herstellen und hatte Kleidung. Das heißt, er war seiner Umwelt nicht hilflos ausgeliefert, sondern jagte erfolgreich riesige Bären, um sich selbst sein eigenes Leben möglichst schmackhaft und kuschelig warm zu machen. Eine Vorstellung, die noch vor 25 Jahren nicht in die Vorstellungswelt, selbst vieler Forscher*innen gepasst hätte.

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Literatur:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0047248422001543?via%3Dihub

https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/archiv/archivfullview-pressemitteilungen/article/menschen-nutzen-baerenfelle-seit-mindestens-300000-jahren/