Museen und die Darstellung von Geschlechterstereotypen

Es gibt viele Museen, die in irgend einer Weise, Kulturen oder auch Verhaltensweisen abbilden. Gerade im Bereich Geschichte, oder auch Kunstgeschichte und natürlich auch in der Archäologie ist das einer der Hauptbestandteile. Es geht darum dem Besucher Lebenswelten zu zeigen und zu erklären. Und diese Lebenswelten können ganz unterschiedliche Bereiche abdecken. Museen besitzen dabei einen ganz besonders hohen Grad an Authentizität. Der Grund: Hier wird der Stand der Forschung gezeigt. Museen sind nicht nur Arbeitgeber*innen für die Gestalter*innen von Ausstellungen, Kassierer*innen und dem Personal das euch eine Führung gibt. Hinter den Kulissen wird in Museen auch oft geforscht. Und nicht selten wird aus dieser Forschung dann, wenn sie weit genug ist, eine Ausstellung gemacht.

Pergament mit der Aufschrift: "Museen haben also quasi das Siegel "Wissenschaftlich geprüft" auf ihrer Eingangstüre stehen."

Um so wichtiger mal einen Blick darauf zu werfen, wie Geschlechterrollen unter diesem Siegel gezeigt werden. Teilweise wirkt das nämlich aus Forscher*innenperspektive etwas überholt. Das liegt auch daran, dass ungern Geld ausgegeben wird für so etwas Systemunwichtiges wie die moderne Gestaltung eines Museums. Und so fand sich bei meinem letzten Besuch im Museum in Schloss Gottorf in Schleswig, vor 1 1/2 Jahren, noch eine Vitrine, die ein Frauengrab zeigte, wie es aussehen würde, wenn es nach heutigen Kategorien mit Beigaben ausgestattet werden würde. Bestandteil dieser Ausstattung: Eine Nähmaschine welche von der Optik her ihre Blütezeit in den 50er Jahren hatte. Oder anders gesagt ein Gegenstand der genauso alt ist, wie das mit ihm verbundene Rollenbild. Aber auch in neueren Museen fallen bei der Darstellung von Geschlechtern einige Dinge auf. Deswegen möchte ich einen Blick in das Vorgeschichtsmuseum in Kassel werfen.

Bild einer Pfaff 91 Nähmaschiene aus den 60ger Jahren. Sie ist Beigefarben.

Oder wer assoziiert heute lebende Frauen mit einer solchen Nähmaschine? (Foto: Alexa)

Dieses Museum wurde 2016 neu gestaltet. Und es ist wirklich schön geworden. Dazu gibt es auch einen wirklich sehr empfehlenswerten Katalog, er heißt unter unseren Füßen. Ein wunderbares Werk, für alle die Einstiegsliteratur in die Deutsche Archäologie suchen. Es gibt sogar einen Teilbereich der Ausstellung, der sich mit der Geschichte des Frauenwahlrechts auseinandersetzt. Zwei Stockwerke tiefer werden dann aber antiquierte Stereotype bedient. Es gibt eine Miniaturdarstellung von Jägern und Sammlerinnen. Und diese strotzt vor Klischees. Beispielsweise werden ausschließlich Frauen beim Sammeln gezeigt. In der Hauptsache sind Männer zu sehen, welche weniger häuslich dargestellt sind. Und das ist nicht wirklich der aktuelle Forschungsstand. Tatsächlich zeigt sich zunehmend, dass Rollenbilder möglicherweise in der Zeit vor der Sesshaftwerdung viel weniger ausgeprägt gewesen sind, oder aber sich nicht entlang der Arbeitsteilung ausgebreitet haben.

Eine Darstellung einer Sammlerin in dem genannten Museum

Die Frage ist: Woher will man wissen wie Geschlechterrollen ausgesehen haben? Und das in einer Zeit in der es sehr wenige Funde gibt. An einem Steinwerkzeug lässt sich jedenfalls nicht ablesen, ob es von einem Mann oder aber einer Frau gefertigt wurde. Tatsächlich gibt es einige Hinweise darauf. Zum Beispiel die Knochen. An ihnen lässt sich erkennen wie ausgeprägt die Muskeln eines Menschen gewesen sind. Man kann also erkennen wie stark ein Mensch zu Lebzeiten war. Je stärker der Muskel, umso stärker hat sich ein Knochen mit ihnen geformt. Das Problem ist nur: Bzgl. vieler Bereiche der Zeit der Jäger*innen und Sammler*innen Kulturen, gibt es nicht genug bekannte Knochen um eine statistisch verifizierte Aussage treffen zu können. Anders ist das zu Beispiel in Bezug auf die Jungsteinzeit. Hier zeigt eine Untersuchung der Universität Cambridge: Frauen der Vorgeschichte wahren körperlich fitter als heutige Olympiaruderinnen. Das heißt: sie haben ihre Körper irgendwie trainiert. Ein Hinweis darauf, dass sie gemeinsam mit den Männern die körperlich anstrengenden Aufgaben des Alltags bewältigt haben.

Pergament mit der Aufschrift: Die Aufgabenteilung war vielleicht eher endlang der parsönlichen Talente gegliedert, als das sie an Geschlechterrollen geknüpft wurde.

Aber zurück zu der Darstellung der Altsteinzeit aus dem Kasseler Museum. Denn es gibt noch andere Hinweise darauf, wie Frauen gesehen wurden. Sie scheinen in der von Bedeutung gewesen zu sein, das zeigt sich in zahlreichen Figuren. Besonders gerne werden korpulente Frauen mit ausgeprägten Rundungen dargestellt. Die älteste bekannte Darstellung dieser Art ist die Venus von Hohle Fels. Die 40.000 Jahre alte Figur stammt aus dem heutigen Baden-Württemberg und wurde aus Elfenbein gefertigt. Das Zeitalter in dem sie gefertigt wurde bezeichnet man als das Aurignacien. Ihm folgt das Gravettien, das ist die Zeit zwischen 30.000 und 20.000 Jahren vor heute. Diese Zeit kann vielleicht sogar als das Zeitalter der starken Frauen bezeichnet werden, eine Bezeichnung die von dem Fund von Frauenfiguren abgeleitet wird.

Eine Abbildung der Venus von Hohle Fels. Es handelt sich um eine Figur mit einem winzigen Kopf, und einem riesiegen Körper. Die Fru hält die Arme unter den Brüsten, die äusserst groß sind. Wie ist Korpulent und Nackt sodas ihre Vulva zu erkennen ist.

Die Venus von Hohle Fels (Bild: Ramessos  [CC BY-SA])

Auch in den darauf folgenden Zeiten hat es auffällig viele Frauenfiguren gegeben. Das Problem ist nur, wir wissen nicht, was das Auftreten dieser Figuren wirklich bedeutet. Die Interpretationen dazu gehen in die verschiedensten Richtungen. Von einer Fruchtbarkeitssymbolik, über die Darstellung von Schönheitsidealen, hinüber zu Selbstporträts aber auch magische Gesundheitszauber werden angenommen. Eine sexistische Deutung, welche eher unsere heutige Sichtweise als Grundlage hat, ist die Idee es handele sich um steinzeitliche Pin Up Girls, die Männern sexuelle Lust bereiten sollen. Klar ist, um solche Figuren zu verstehen, muss man den kulturellen Kontext kennen. Und dieser ist bei diesen Figuren schwer zu entschlüsseln. Klar ist auch die Figuren kamen aus einer Zeit, in der kleine Menschengruppen über den Kontinent zogen, für die es eine Existenzbedrohung war, wenn eine Frau zum Beispiel im Kindbett starb. Die Frage ist also: Papyrusblatt mit der Aufschrift: Warum werden Frauen, in musealen Ausstellungen zum Thema Steinzeit, auch heute noch, in so unrühmlichen Positionen abgebildet?

Aber nicht nur die Ungleichheit bei der Aufgabenverteilung fällt bei der Betrachtung von der musealen Darstellung von Frauen auf, sondern zum Beispiel auch ausgewählt präsentierte Nacktheit. So umgibt z.B. einige Darstellung aus dem Landesmuseum in Halle ein Hauch von erotischer Nacktheit. Dargestellt wird zum Beispiel eine Frau mit Punkten auf den Brüsten. Diese können Archäologisch tatsächlich belegt werden. Es gibt nämlich wirklich Reste von Frauendarstellungen und von Frauenbrüsten aus dieser Zeit. Es handelt sich um Lehmbrüste, die einmal die Wände von Pfahlbauten geziert haben, und die ins Wasser gefallen sind. Ein skurriler Fund, bei dem nicht wirklich klar ist, warum die Pfahlbaubewohner*innen ihre Wände so verziert haben. Unklar ist auch warum die Frauenbrüste mit Punkten versehen waren und vor allem wie. Waren es Ziernarben? Tätowierungen? Handelt es sich um Bemalung? Oder schlichtweg und einfach um gepunktete Kleidung? Die Darstellung im Landesmuseum in Halle ist also eine Interpretation von einem Fund, der nur in einem gewissen Rahmen erforschbar ist. Die Frage ist also warum Steinzeitfrauen dargestellt werden müssen wie moderne Tattoo Models. Das ist zwar heutzutage todschick, aber wieder nur ein Weg die Gegenwart in die Vergangenheit zu projizieren, und zwar anhand von einem umstrittenen Schönheitsideal.

Lehmbrüste die mit Punkten aus Kalk bemalt sind. Die Brüste stammen aus einem Archäologischen Fund eines Pfahlbaudorfes am Bodensee.

Ein Paar der archäologisch bekannten Lehmbrüste aus dem Bodensee. (© Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg)

Etwas erotischer dargestellt wirkt im Landesmuseum in Halle allerdings auch ein bekannter männlicher Protagonist. Zwar ist das Bild nicht sosehr überzeichnet, aber ich frage mich, warum ist der denkende Neandertaler eigentlich so nackt? OK, ich würde vmtl. auch bemängeln, dass es keine belege, dafür gibt, wie die Kleidung der Neandertaler ausgesehen hat. Aber es ist klar, es gab Kleidung. Zwar wurde keine Kleidung gefunden, aber die DNA von Kleiderläusen zeigt, dass diese sich vor 170.000 Jahren entwickelt haben, in dieser Zeit lebten die Neandertaler. Und wenn sich Parasiten entwickeln konnten, die in Kleidungsstücken leben, dann muss es auch schon Kleidung gegeben haben. Hinzu kommt, Neandertaler waren Eiszeitbewohner*innen. Heute ist Forscher*innen klar, dass es sich um eine sehr begabte Menschenart handelt, dass diese Menschen ihre Leben nackt im Schnee verbracht haben, ist dann doch eher unwahrscheinlich.

Ein Neandertaler. Er hat seinen Kopf auf seine Faust gestützt und schaut grübelnd in die Welt. Er hat einen Dreitagebart und eine Kurzhaarfrisur.

Der nackte Der denkende Neandertaler aus dem Vorgeschichtsmuseum in Halle.

Dabei ist es irgendwie eine gute Nachricht, dass gezeigt wird, dass die Menschen der Steinzeit auch schön gewesen sind, dass sie Ausstrahlung hatten und ein Schönheitsempfinden. Dass es nicht um, wie in alten Filmen z.B. am Anfang war das Feuer, um grunzende Keulenschwinger handelt. Die Frage ist nur, muss man das wiederum so extrem zeigen? Ich vermute, das ist Geschmackssache. Die Aufgabe von Museen ist es ja auch Wissen zu vermitteln. Mit dem Eingang erwähnten Siegel wissenschaftlich geprüft wird ein zusätzliches Vertrauen erweckt. Dinge die in einem Museum gezeigt werden, werden von Laien geglaubt, sie fließen in das Menschenbild, das wir haben mit ein. Und deswegen ist es immer schwierig Menschen so zu zeigen, als hätte es in der Vorgeschichte nur Supermodels gegeben. Die Frage ist also, wie wollen wir die Menschen der Vorgeschichte zeigen und erklären. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, und kann trotzdem daneben gehen. Und gerade in der Darstellung der Steinzeit gibt es an dieser Stelle immer wieder Diskussionsbedarf. Und deswegen können wir uns auch auf zukünftige Ausstellungen zum Thema Steinzeit freuen. Denn erst in der Zukunft werden wir sehen, wie sich zum einen die Forschung weiter entwickelt, zum anderen aber auch, wie sich die Art Wissensvermittlung weiter entwickeln wird. Und das ist nicht zuletzt auch ein Phänomen unserer eigenen Gesellschaft.

Danke für die anregenden Gedanken. Wer bezahlt eigendlich diesen Blog? Waaas, das macht die Autorin selbst??? Aber man kann ein Trinkgeld dalassen, um ihre Arbeit zu unterstützen.

Literatur:

Sibille Wolf: Faszination Frau – weibliche Darstellungen der Altsteinzeit. In: Die Kunst der Mammutjäger – Eiszeiten – Die Menschen des Nordlichts, Hamburg 2017.

https://edoc.unibas.ch/51230/1/20170215140811_58a452bbb827d.pdf

https://www.cam.ac.uk/research/news/prehistoric-womens-manual-work-was-tougher-than-rowing-in-todays-elite-boat-crews

https://www.pfahlbauten.at/blog/die-busenwand-aus-dem-bodensee

Die Laus, die auszog, die Klamotten zu erobern

7 Gedanken zu „Museen und die Darstellung von Geschlechterstereotypen

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  5. Nur ein kleiner Hinweis zum Neandertalerdenker aus dem Landesmuseum Halle: Der denkende Neandertaler ist deshalb nackt, weil die Figur auf der berühmten Statue “Der Denker” (Le Penseur) von Auguste Rodin basiert und diese Statue ist halt ebenfalls nackt. Die Inszenierung stellt den Neandertaler bewusst in der denkenden Position dieser berühmten Statue dar um gegen das Klischee des “minderbemittelten Urmenschen” zu arbeiten und rekonstruiert keine reale Situation. So sind die Neandertalerkollegen im Nebenraum mit dem Waldelefanten auch bekleidet 😉

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