Kommentar: Warum Museen heute vor allem für Kinder ansprechend sein müssen

Was machte ein Museum aus? Heutzutage vor allem, dass es Familienfreundlich ist. So ist zumindest eine Idee. Deshalb lohnt sich immer der Blick auf die Kinderprogramme, wenn man die Qualität eines Museums betrachtet. Dahinter steckt:

Die Idee vom lebenslangen Interesse an Kultur und Wissenschaft

Kinder sind eine der wichtigsten Besuchergruppen in Museen, heißt es. Nicht nur, dass es gut für die Bildung von unserem Nachwuchs ist; für ein Museum bedeuten begeisterte Kinder Familien, die wieder kommen. Einer meiner Dozenten in meinem Museumsmanagement-Zusatzstudium pflegte immer zu sagen, dass es die Kinder einer Familie sind, die am Samstag beim Frühstück entscheiden, wo der Wochenendausflug hingeht. Ein Museum steht in dieser Hinsicht in Konkurrenz zum Freizeitpark.

Die Felsbilder von Tanumshede sind in einer Felsenhöhle an die Wand gemalt. Am Boden ist eine Sandkiste.

Mit dieser beeindruckenden Kletter indoor Sandkastenhöhle in einem Grabhügel hat das Steinzeitdorf Dithmarschen eindeutig gezeigt, dass sie das verstanden haben (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Das heißt: Ein gutes Kinderprogramm, das Kinder fesselt, sorgt dafür, dass sie wiederkommen wollen. Dies hat noch mehr Aspekte. Hat ein Kind erfolgreich die Pubertät überstanden, entdeckt es seine alte Leidenschaft eher wieder, als ein Kind, das schlechte Erfahrungen in einem Museum gemacht hat. Ist dieser Mensch irgendwann erwachsen und hat eine eigene Familie, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass diese Familie wieder in ein Museum geht. Es zeigt sich also:

Es ist sinnvoll, im Museum Kinder zu begeistern.

An dieser Stelle sind Museen sehr frei in der Frage der Gestaltung. Es gibt Museen, die kleine Ecken zum spielerischen Lernen einrichten. Andere Museen inszenieren Sachen besonders gut und so beeindruckend, dass auch Kinder gerne wiederkommen, um sich wieder beeindrucken zu lassen.

Ein Mammut steht in einem Treppenhaus. Es ist so groß, dass es über zwei Stockwerke reicht. Die Installation steht in Hagen in Westfalen im Wasserschloss Werdringen.

Und ein Kind war bei meinem Besuch im Wasserschloss Werdringen absolut begeistert von diesem Mammut und den anderen Eiszeittieren, de hier gezeigt werden (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Dazu gehört zum Beispiel das Landesmuseum in Halle, mit seinen großartig arrangierten Fundstücken. Oder auch das Wasserschloss in Hagen, in dem ein überlebensgroßes Mammut die Besucher*innen im Treppenhaus begrüßt. Es gibt aber auch Museen, da fehlen Kinder im Konzept. Das wirklich wunderschön gemachte Landesmuseum für Vorgeschichte in Kassel hat ein paar herausragende Inszenierungen, die Archäologie einfach erklären. Leider scheinen die kleinen Besucher dabei aber nicht mitgedacht worden zu sein. Das ist schade.

In manchen Museen wird gar nicht an die Gäste gedacht

Meine schlimmste Erfahrung hatte ich im Museum, dass zu der Ausstellung bei den Grotten des Catull gehört. Ich hatte zu dem Zeitpunkt meines Besuchs bereits drei Semester klassische Archäologie studiert, aber das Fachsprachniveau in den Texten des Museums war so hoch, dass ich Mühe hatte zu verstehen, wovon geredet wurde, auch bei der deutschen Übersetzung. Man wurde mit Wissen bombardiert, ohne dass bei der Vermittlung daran gedacht wurde, dass es auch jemand verstehen soll. Was für die Erwachsenen ein Graus war, konnte ich noch schlimmer bei den jüngsten beobachten.

Der Ausblick von der höchsten Stelle der Grotten des Catull auf den Gardasee hinaus. Im Vordergrund sind einig Teil der Ruine dieser römischen Villa zu sehen.

Ansonsten sind die Grotten des Catull aber überaus sehenswert. Auch wenn man nicht viel darüber lernt, was das eigentlich für Ruinen sind, durch die man sich bewegt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ein paar völlig frustrierte Kinder sahen sich Filme an einer Videostation an, die viel zu lang waren und die ich selber so gerade eben verstand. Tatsächlich begannen sich die Kleinen irgendwann vor lauter Frustration zu prügeln. Das ist nicht cool. Und diese Ausstellung muss definitiv überarbeitet werden. Aber ich habe ja auch leicht reden – schließlich habe ich ja keinen Job in der Branche – was allerdings auch nur daran liegt, dass mich bislang niemand eingestellt hat, Ausstellungen zu überarbeiten (Du kannst mich übrigens auch dafür buchen).

Aber: Wissen zu vermitteln ist gar nicht so einfach

Immer wieder lest ihr in meine Museumskritiken ja, dass ich Label verteile. Ursprünglich habe ich das Label der Anstandsmumie vergeben. Denn mir ist aufgefallen, dass es immer wieder Museen gibt, die eine ägyptische Mumie oder auch ihren Sarkophag ausstellen, und das ohne weiteren Zusammenhang. Einfach weil man das Gefühl hat, man muss eine Mumie haben. Und das fand ich bescheuert. Dieses Phänomen ist seit einigen Jahren allerdings zunehmend aus den Museen verschwunden. Was nicht verschwunden ist, ist das zweite Label, das ich oft vergebe: die Klassische Hinstellung.

Vitrine mit 8 Kartonagemasken. Eine ist vergoldet, zwei sind braun bemalt, die anderen weiß.

Hingestellt: Kartonagemasken im ägyptischen Museum in Leipzig (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Dabei handelt es sich um Ausstellungen, in denen sich in den Vitrinen die Objekte stapeln. Und es wird nichts, oder viel zu wenig erklärt. Wer auch immer die Vitrine schaut, denkt sich „Ah, ein Dingsbums„, und geht ohne jeden Lerneffekt nach Hause. Im Ägyptischen Museum in Leipzig zum Beispiel. Hier werden zwar Sachen erklärt, aber es werden so viele Sachen in die Vitrinen geräumt, dass man meint, man wäre in der Edelkeramik Abteilung beim Kaufhof gelandet. Viel Erkenntnisgewinn kann man da nicht mitnehmen. Noch schlimmer: Das ethnologische Museum im Humboldtforum in Berlin.

5 Flachen der Moche Kultur. Alle Haben eine figürliche Darstellung am Bauch, alle sind unterschiedlich.

Hingestellt: Im Humboldtforum stehen diese Funde der Mochekultur herum  (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE))?

Hier soll das Konzept sein, dass die Objekte für sich selbst sprechen sollen. Das tun sie aber nicht. In Ostfriesland fragt man, wenn man sich unverstanden fühlt „Spreche ich Kisuaheli oder was?“ Und die Objekte, die im Ethnologiemuseum stehen, würden zum Teil, wenn sie sprechen könnten, wirklich Kisuaheli sprechen. Für einen Laien ist das Museum gänzlich ungeeignet. Aber: Für Kinder ist es schön – weil die kleinen Kinderspielecken in diesem Museum sind wiederum gut gemacht.

Man muss an beide Gruppen denken – aber bitte nicht zu doll!

Ein gutes Programm zu entwerfen, ist gar nicht so einfach. Ursächlich ist häufig, denke ich, der fachliche Elfenbeinturm. Die Schwierigkeit sich hineinzuversetzen in den Bildungsstand eines Kindes. Der erste Schritt ist dabei sich erstmal hineinzuversetzen in die Position einer x-beliebigen Person, die sich die Ausstellung ansieht. Denn man selbst weiß ganz oft, was man Aussagen will – Die Frage ist: Kommt die Botschaft auch an. Sehr gerne denke ich dabei an die eigentlich sehr gute Ausstellung 2 Mio. Jahre Migration, die ein Ausstellungsstück hatte, wo ich mit meinen Kollegen mit Stirnrunzeln davor stand, mit der Frage „Was soll das?„:

Haselnüsse in einer Plastikschale, daneben das Wort Rezent.

Um das Schild zu übersetzen – Da steht, dass das frische Haselnüsse sind. Aber: Was soll uns das jetzt sagen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE))?

Ein Aha-Erlebnis hatte ich in dieser Hinsicht im Tiroler Volkskunstmuseum. Ein Museum, das Wert darauf legt, auch die Kleinsten mit einzubeziehen. Eine Station ist ihnen dabei allerdings missglückt. Es geht um eine Art Trachten-Slotmaschine. Ich fand die Idee lustig. Man zieht wie an ein Einarmigen-Bandit und bekommt dann Trachten gezeigt. Dann muss man raten, welche Tracht aus welcher Region stammt. Aber ganz ehrlich, woher soll man das denn wissen?

Eine Slotmaschine. Vier Frauen in Trachten werden gezeigt. Darüber steht die Frage: Wer ist Italienerin?

Coole Idee. Hätte von mir sein können. Aber in der Umsetzung leider frustrierend. Und um ehrlich zu sein, hätte auch diese Umsetzung von mir sein können. Einfach weil man manchmal nicht merkt, dass man ein Spezialwissen hat, wenn man sich jeden Tag mit etwas beschäftigt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Klar wer das studiert hat, erkennt das selbst im Dunkeln, aber wer sonst? Das eigentlich lustige Spiel entpuppte sich schnell als unfassbar frustrierend. Es kam mir vor, als würde mir jemand die lange Nase zeigen, weil ich nicht wusste, wie welche Tracht aus welcher Tiroler Region aussah. Und das Gefühl gar keine Möglichkeit zu haben, etwas richtig zu beantworten ist ärgerlich. Dabei ist die Idee mit der Slotmaschine super, aber man sollte sich nicht wie in Depp zu fühlen, wenn man so ein Spiel spielt. Diese Installation war also nicht auf Augenhöhe konzipiert. Und das ist, denke ich, sehr wichtig, um Kinder für ein Museum zu begeistern.

Deswegen denke ich:

Museen sind toll, aber sie können auch frustrierend sein, wenn sowas wie bei diesem Spiel passiert. Ich denke nicht, dass das böse Absicht war, also dass es da irgendjemanden gibt, der*die sich darüber freut, wenn andere Leute keine Ahnung von Trachten haben und genervt das Feld räumen. Vielmehr scheint es wichtig zu sein zu überprüfen, ob ein Programm Leuten auch Freude breitet. Ob sie etwas mit dem, was sie gezeigt bekommen, oder ausprobieren dürfen, anfangen können.

Dazu braucht es eine Evaluation. Das heißt, es braucht Tests der Programme mit Freiwilligen. Viele Museen machen auch solche Tests. Ich denke, alle Museen sollten das regelmäßig tun und dabei auch ehrlich zu sich selbst sein. Das kann auch weh tun, wenn eine liebevoll ausgearbeitete Idee einfach nicht funktionieren will. Aber wenn man Ausstellungen immer wieder verbessert, und z.B. bei der Slotmaschine die Fragen einfacher macht, dann gewinnen wir alle. Denn Museen haben die Kraft, die Allgemeinbildung zu verbessern.

Und wenn Du jetzt denkst: Hey, so habe ich Museen noch nie gesehen – oder aber: Gut, dass es endlich mal jemand gesagt hat: Miss Jones zu betreiben kostet Geld. Deshalb würde ich mich über ein Trinkgeld freuen – aber auch über diene Idee für eine coole Ausstellung in den Kommentaren.

11 Gedanken zu „Kommentar: Warum Museen heute vor allem für Kinder ansprechend sein müssen

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