Direkt neben der Hofkirche im Herzen Innsbrucks liegt das Tiroler Volkskunstmuseum. Es handelt sich um ein Museum, für das man Zeit einpacken sollte, denn hier gibt es auf 3 Etagen viel zu entdecken. Es ist ein perfekter Ausflugsort für einen Regentag im Österreichurlaub. Ein schöner Zeitvertreib für die ganze Familie, denn dieses Museum hat auch an Programme für Kinder ab dem Schulalter gedacht. Außerdem gibt es eine ganze Menge rekonstruierter Bauernstuben aus der Neuzeit, die man hier gemeinsam entdecken kann.
Das Museum ist unglaublich groß und man droht sich zu verlaufen, hinzu kommt, das die Beschriftungen leider immer wieder recht dürftig sind, sodass ein wirklicher Lerneffekt oft ausbleibt. Deswegen ist der Museumsbesuch zwischendurch auch immer wieder ermüdend. Eine Vielzahl an Gegenständen aus der Tiroler Kulturgeschichte werden gezeigt. Aber warum hier eine Reihe an Hobeln aus dem 16. Jahrhundert ausgestellt werden und dort ein Meraner Saltner erschließt sich dem Besucher leider genau so wenig wie die Frage, was ein Meraner Saltner überhaupt ist. Wer das Museum besucht, der ist also eingeladen herzlich über wunderschöne Objekte zu staunen, es dann aber dabei auch leider zu belassen. Wunderschöne Möbel werden ausgestellt, aber leider eher in einer Möbelhausatmosphäre.
Signifikant heraus fällt dabei die pathetische Präsentation des Maximiliankenotaphes. Dieser befindet sich in der benachbarten Hofkirche und wird mit einer Show der besonderen Art präsentiert. Gruppenweise gelangt man durch abgedunkelte Räume, in denen mit Licht und Soundeffekten die Geschichte von Kaiser Maximilian I. inszeniert wird. Schließlich gelangt man zu dem Kenotaph selbst. Dabei handelt es sich um ein Grab, dass für den Kaiser angelegt wurde, in dem er aber nicht bestattet ist. Mit der Anfertigung des Grabmonuments wurde schon zu Lebzeiten Maximilian I. begonnen, der 1519 nach seinem eigenen Wunsch in der Wiener Neustädter Burg bestattet wurde. Allerdings konnten die 28 Bronzefiguren nicht zu seinem Grab verbracht werden, da diese zu schwer sind und durch den Boden durchgebrochen wären. Schließlich landete das gewaltige Grabmonument in Innsbruck. Dort wurde es erst 1584 fertig gestellt. Einige der Bronzefiguren sind Werke von Albrecht Dürer.
Der Maximiliankenotaph ist sicherlich das Highlight bei diesem Ausflug. Aber es gibt im Volkskunstmuseum noch viel mehr zu entdecken. Das Tiroler Volkskunstmuseum wurde 1888 aus dem Tiroler Gewerbemuseum heraus entwickelt. Dabei handelte es sich um eine Sammlung die das Ziel hatte, dass durch die Industrialisierung langsam verschwindende Handwerk zu bewahren. Und so kommt es, dass es hier einige Ausstellungstücke gibt, an denen gerade Living History Freunde und Reenactmentfans ihre Freude haben werden. Einen Bändchenwebstuhl aus dem 20. Jahrhundert beispielsweise. Mit solchen Webstühlen wurden Zierborten gewebt.
Für Freunde der neuzeitlichen Kunst gibt es hier ebenfalls eine Menge zu entdecken. Die Anzahl der in und um die Bauernstuben herum ausgestellten Kachelöfen ist bemerkenswert. Ofenkacheln sind gerade in der Archäologie ein Themenfeld für sich. Kenner können von einer gut erhaltenen Kachel nicht nur auf den Zeitraum der Entstehung und auf die Region rückschließen, teilweise lassen sich die Handwerksmeister die diese Kunstwerke schufen direkt erschließen. Eine solche Sammlung ist also für die Wissenschaft sehr bedeutend. Beispielsweise um Vergleiche zu finden, wenn bei einer Ausgrabung Ofenkacheln auftauchen, die untersucht werden sollen. Im Tiroler Volkskunstmuseum findet man Öfen aus dem Barock und dem Rokoko. Die Öfen in dieser Ausstellung sind unglaublich schön und deswegen nicht nur für Kenner, absolute hingucker.
Besonders zum Staunen bringen einen aber immer wieder kleine Ausstellungstücke in dem Tiroler Museum. Eine Krippensammlung widmet sich der Erzählung der Weihnachtsgeschichte. Die Darstellung der Weihnachtsgeschichte mit kleinen Figuren ist in Tirol seit dem 17. Jahrhundert belegbar. 1608 wird das allererste mal, in der Jesuitenkirche ein solches Krippenspiel aufgestellt. Doch 1782 verbot Kaiser Josef II. diesen Brauch. Daraufhin wanderten die kunstvollen Figuren von den Kirchen in die Wohnstuben der Menschen ein. Oftmals waren die Krippen sehr liebevoll und detailreich gestaltet. Es handelt sich um selbst geschnitzte Figuren, die viele einzelne Abschnitte der Weihnachtsgeschichte zeigen.
Aber nicht nur die Kunst steht im Tiroler Volkskunstmuseum in Vordergrund, sondern auch die Lebensumstände. Und so gibt es getrennte Ausstellungsbereiche, die sich mit dem reichen und dem prekären Leben auseinandersetzen. Hier werden Sorgen, Nöte und Angst der Menschen gezeigt. Alles wirkt ein wenig dunkel, in dem ohnehin schon sehr düsteren Museum. Besonderer Angstfaktor war im Leben der Menschen, wie in der Geschichte der Menschheit generell, natürlich das Thema Geburt. Nicht wenige Frauen starben im Kindbett. Das ist durch die moderne Medizin fast vergessen, aber es handelt sich um eine tiefe Angst, die nur wenige Dekaden zurück liegt. In dieser Hinsicht, ist es fast schon erleichternd für die Besucher*innen, wenn das neugeborene Baby, natürlich im tiroler Gewand, im hellen Lichte präsentiert wird.
Alles in allem, lässt sich das Tiroler Volkskunstmuseum in gewisser Hinsicht mit dem hessischen Landesmuseum in Kassel vergleichen. Auch im Kasseler Museum befinden sich Ausstellungsobjekte der Handwerksgeschichte der Neuzeit. Und auch in Kassel handelt es sich um wirklich unfassbar interessante Ausstellungsobjekte. Doch während in Kassel Familien eine Frusterfahrung machen müssen, da Kinder in der Ausstellung kaum angesprochen werden, hat das Tiroler Volkskunstmuseum daran gedacht ein Programm zu schaffen, dass Kinder mitnimmt in die Geschichte Tirols. Andererseits hat es das Kasseler Museum geschafft die Ausstellungsinhalte auf einem sehr schönen Niveau zu inszenieren und zwar so, dass die Inhalte für einen Besucher leicht verständlich sind, und daran mangelt es im Tiroler Volkskunstmuseum sehr.
Zusammengefasst lässt sich aber sagen, dass man in diesem Museum einen Regentag verbringen kann, und diesen damit verschönert. Verschiedenste Ausstellungsobjekte laden zum Staunen ein und das gezeigte Kunsthandwerk ist von sensationeller Qualität. Die Kreativität die Menschen haben können zeigt sich hier in voller Blüte. So sind die hier gezeigten Objekte ein must-see für kreative Köpfe. Wer ein Handwerk liebt, und sich gerne Kreativ austobt, der wird hier eine Quelle der Inspiration finden. Aber: Leider fehlt am Ende oftmals der Aha-Effekt.
Literatur
https://www.gemeinde.bozen.it/UploadDocs/10252_Das_Kamel.pdf
https://www.habsburger.net/de/kapitel/28-schwarze-mander-und-ein-kaiser
https://webekamm.de/
https://www.alps-magazine.com/alpenleben/krippelezeit-tiroler-krippentradition/
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