Es ist eine der wirklich affigsten Geschichten, die ich jemals erlebt habe. Und es ist schon Jahre her. Ich hatte damals meine erste Exkursion nach Lampedusa hinter mir, und da viele Sachen gefunden. Und das wegen einer Methode der Archäologie, die Goldwert ist: die Luftbildarchäologie. Ich hatte Satellitenbilder der Insel ausgewertet und anhand der Ergebnisse davon interessante Orte aufgesucht.

Ich untersuche Schiffsfriedhöfe. Und die kann man auf Satellitenbildern ziemlich gut beobachten. Auch wie sie sich über eine lange Zeit verändern (Bild: Sattelite.Pro 2023/Screenshoot Geesche Wilts)
Meine Ergebnisse waren so gut, dass ich damit an die Presse ging. Und eine deutschlandweit bekannte Tageszeitung erklärte mir prompt:
Ihre angebliche Forschung ist offensichtlich eine Fälschung – denn Luftbildarchäologie gibt es gar nicht!
Das ist so ungefähr der größte Kokolores, den ich jemals gehört habe. Denn bereits der Fundplatz Biskupin wurde mit Luftbildern untersucht. Und das war in den 1930er Jahren. Damals nutzte man dafür noch einen Heißluftballon, um die Ausdehnung der Siedlung von oben zu sehen. Das waren Pioniere der Luftbildarchäologie.

Der Blick auf die beeindruckende Bergstadt Macchu Picchu – natürlich mach ein Betrachten aus der Luft Sinn, weil man so einen besseren Überblick bekommt (Bild: Keith Gandy (CC BY-SA 3.0)).
Heute nutzt man Bilder aus dem Flugzeug, dem Helikopter oder, wie ich, Bilder von Satelliten. Deshalb gibt es einige, die diese Art der Forschung auch ganz abgespaced, Weltraum Archäologie nennen. Also wenn jemand fragt, was ich beruflich mache:
Ich bin Weltraumarchäologin! 😉
Aber wie geht das? Fragst du dich vielleicht. Nunja: Das Prinzip ist ganz einfach. Du setzt dich an den Computer, rufst eine Satellitendatenbank auf, und screenst Gebiete von oben. Das heißt, dass du Schritt für Schritt, ganz sorgfältig die Satellitenbilder ansiehst und schaust, ob sich dort zum Beispiel Baustrukturen im Boden abzeichnen, oder dir etwas anders Seltsames auffällt.

Her zeichnen sich auf einem Acker bei Inheiden die Strukturen eines Kastells ab (Bild: Archaecopteryx [CC BY-SA 4.0]).
Ernsthaft! Miss Jones! Wie zum Geier soll, ich denn sehen, was unter der Erde liegt? Gibt es da ne Röntgenbrille? Oder was?
Nein, man muss einfach nur üben. Das Prinzip ist ganz einfach, es nutzt die Biologie der Pflanzen: Stecken z.B. noch Mauerreste im Boden, so ist es für Pflanzen schwieriger tief zu wurzeln, denn die Mauersteine sind im Weg. Sie wachsen dann oftmals anders, als in der Umgebung, wo keine Mauer im Boden steckt. Andersherum kann es aber auch sein, dass an einer Stelle z.B. ein Graben gewesen ist. Die Erde ist an so einer Struktur bis heute etwas lockerer und so können Pflanzen viel tiefer Wurzeln und gedeihen besser. Betrachtet man das Ganze aus der Luft, lassen sich Strukturen erkennen, die sich durch den Unterschied des Pflanzenwachstums abzeichnen.

Einfach erklärt: Da wo etwas im Weg ist, z. B. eine Mauer, wurzeln Pflanzen flach und wachsen schlecht. Dort wo der Boden lockerer ist, wachsen sie sehr gut (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Natürlich ist das eine vereinfachte Erklärung und es gibt noch mehr Faktoren, die beim Pflanzenwachstum eine Rolle spielen. Zum Beispiel das Wetter. So lassen sich in Dürrejahren außergewöhnlich viele Fundplätze beobachten. Mann kann sie also aus der Luft nicht immer beobachten, sondern nur dann, wenn die Umstände stimmen. Jahreszeit oder die Art des Bewuchses auf dem Fundplatz spielen dabei eine Rolle. Manchmal sind es Schatten, die sich abzeichnen, manchmal sind die Farben der Pflanzen, die in Abhängigkeit verschiedenster Faktoren verschieden wachsen. Und manchmal werden Fundplätze ganz neu entdeckt, nachdem ein*e Landwirt*in beschlossen hat, eine andere Pflanze anzubauen, die deutlichere Unterschiede im Bewuchs ausbildet. Die Luftbildarchäologie ist also eine Daueraufgabe.
Und das heißt, wenn ich mit dem Flugzeug irgendwo hinfliege, kann ich einen bisher unbekannten Fundplatz entdecken – oder ich muss mich einfach nur durch Google Maps wühlen?
Ja, im Grunde heißt es das. Auch wenn viele Funplätze schon bekannt sind und über einen langen Zeitraum vergleichend aus der Luft beobachtet werden. Aber auch du kannst das jetzt ganz bequem direkt von der Couch aus machen, indem du dir einfach Google Maps schnappst, und mit stundenlanger Geduld Landschaften screenst. Was du zudem brauchst, ist Ausdauer, und du musst dein Auge üben. Und das am besten mit Fundplätzen, die schon bekannt sind.

Ein Beispiel: Die Überreste einer Architektur aus der Zeit der Römer ist aus der Luft deutlich zu erkennen (Foto:Jacques Dassié [CC BY-SA 3.0]).
Wie muss ich mir so eine Lektion Luftbildarchäologie vorstellen?
Naja, um ehrlich zu sein hatten wir nicht nur Luftbildarchäologie, sondern auch andere Messmethoden geübt. Dabei hat der Dozent Bilder mit dem Beamer an die Wand geworfen. Wir mussten den archäologischen Befund finden und am besten schon gleich einordnen. Wie in einem Quizspiel. Nur dass wir das wirklich sehr exzessiv gemacht haben und es war jemand dabei, der sich auskannte, um alle möglichen Fragen zu beantworten und unser Auge immer weiter zu schulen.

Ein Grabhügel auf einem Acker, wie hier in Ochtershauses zeichnet sich natürlich deutlich ab auf dem Satellitenbild (Bild: Google Maps 2025/Screenshot Geesche Wilts).
Wenn du das zwei stunden am Stück macht, ist das Gehirn echt Brei. Aber nach einigen Monaten, die man so übt, fällt es immer leichter archäologische Fundorte aus der Luft zu erkennen. Und mir hat das damals soviel Spaß gemacht, dass ich immer noch stundenlang über Satellitenbildern sitzen kann. Das ist auch Teil meiner Dissertation. Denn ich beobachte meine Schiffsfriedhöfe vor Ort und aus der Luft. Und zu einer Schande muss ich gestehen:
Ich liebe es zu Fliegen
Versteht mich nicht falsch, ich weiß, es gibt den Klimawandel, und ich fahre auch in der Regel Bahn. Ich fliege nur, wenn es nicht anders geht. Aber ich klebe den gesamten Flug an der Fensterscheibe und kann meine Augen nicht von diesem wunderschönen Planeten lassen. Und ich finde dabei auch immer wieder Fundplätze. Besonders cool ist der Landeanflug auf Wien.

Hier ein Modell des römischen Hafens zu Betriebszeiten – ihr könnt ja mal versuchen, dieses Hafenbecken, das heute Lago Traiano heißt, selbst bei Google Maps zu finden. Ihr werdet überrascht sein, wie es heute aussieht (Bild: Rabax63 [CC BY-SA 4.0]).
Und das gilt für die Archäologie weltweit
In dem Sonderheft, das ich euch oben empfohlen habe, kann man deutlich sehen, wie ähnlich sich die verschiedenen Fundplätze der Kulturen aus der Luft sehen. Aber klar, es sind die Grundrisse von Gebäuden aus der Vorgeschichte. Und diese Gebäude waren in der Vergangenheit genau wie heute oftmals rechteckig. Andere Anlagen sind wiederum kreisrund.

Auf dem Luftbild sieht man deutlich: Hier ist eine fruchtbare, aber feuchte Region – hier sieht man das Umland vom Starnberger See – mit dem Bild möchte ich zeigen, nicht nur der Befund lässt sich erkennen, sondern auch in Zusammenhang mit seinem Umland besser verstehen (Bild: Hansen (CC BY-SA 3.0)).
Die Unterscheidungen der Fundplätze erfordert also eine gute Kenntnis über die Unterschiede vorgeschichtlicher Architektur. Der Teufel steckt dabei oft im Detail, so lässt sich ein Luftbild nicht immer zu 100% einordnen. Das muss dann durch Untersuchungen am Boden nachgeholt werden. Und deshalb fahre ich ja auch immer wieder zu meinen Schiffsfriedhöfen hin, und schaue vor Ort nach. Also Luftbildarchäologie gibt es sehr wohl, und du kannst sie sogar selbst machen.
Übrigens, Bloggen kostet Geld, und deshalb würde ich mich über ein Trinkgeld freuen.
Mein Tipp:
Archäologie in Deutschland; Sonderheft; 1 7 2020; Faszination Luftbildarchäologie – Die Welt aus der Vogelperspektive.
Meine Tipps für Google Maps:
Suche mal Peru nach den Nazcalinien ab
Oder schau dir mal den Flughafen Manching an – das eine Rollfeld durchbricht eine seltsam große runde Struktur – das liegt daran, dass hier mal ein keltisches Oppidum lag, eine Siedlung mit einer runden Struktur.
Du kannst auch Stätten besuchen, die als Ruinen frei liegen, und dir so einen Überblick verschaffen. Zum Beispiel den Palast von Malia, kann man auf dem Satellitenbild gut sehen.
Wenn du weitere tolle Orte kennst, bei der sich ein Satellitenbildbesuch lohnt, schreib es doch gerne in die Kommentare.
Pingback: Biskupin – Eine archäologische Sensation im Propagandafadenkreuz | Miss Jones
Pingback: Von riesigen kupferzeitlichen Siedlungen | Miss Jones
Pingback: Australische Feuer offenbaren die vergessene Wasserkultur der Gunditjmara | Miss Jones
Pingback: Wie Inka Erdbebensicher bauten | Miss Jones
Pingback: Websites via Bluesky 2025-03-16 – Ingram Braun