Moin – Ein Wort, das mehr ist als ein Gruß: Was es bedeutet und warum es ein Kulturgut ist

Langzeitleser*innen wissen, ich nutze die Kategorie Nerdlexikon immer wieder, um einzelne Kulturgüter in Form eines kleinen leichtverdaulichen Lexikoneintrages zu zeigen. Dieses Mal ist es anders. Mein heutiges Kulturgut ist ein Wort. Ich kam auf die Idee, nachdem ich einen Tweet gelesen habe, der das Wort Moin zum Kulturgut erheben will. Ich finde das gut, denn gerade in meiner Zeit in Österreich habe ich gemerkt, wie wenig bekannt das gute alte „Moin“ doch ist. Ein Beispiel: Ich gehe gut gelaunt am Nachmittag an einen Nudelstand, will etwas bestellen, sage fröhlich „Moooin“ und werde erst einmal richtig dumm angeraunzt, es wäre 16 Uhr, ich solle mein Leben in den Griff kriegen, wenn das für mich noch morgens wäre. Und vorbei ist die gute Laue. Das passierte nicht einmal – eher so 10.000 Mal am Tag – also zumindest hat es sich so angefühlt. Und das ging hin bis zu Leuten, die sich für witzig hielten, wenn sie mir nahelegten, dass jemand, der es nicht auf die Reihe kriegen würde, Nachmittags nicht mehr „Guten Morgen“ zu sagen, doch am besten gleich von der Brücke springen sollte. Zitat: „An dir geht doch eh nichts verloren“. Und weil meine norddeutsche Seele natürlich nur dann redet, wenn es notwendig ist, und von daher ausgesprochene Wörter als ungefilterte Wahrheit wahrgenommen werden, weil man für sinnlosen Beleidigungen unnötig Worte verplempert – das ist halt so bei mir, war das absolut verletzend und beleidigend. Jeder Tag war für mich ein Spießrutenlauf. Aber zurück zu meinem Lieblingswort:

Ein riesiges Denkmal, das sie Schrift #Moin bildet vor einem Park mit vielen Blumen.

Die Stadt Bremen grüßt alle Passanten mit diesem wunderschönen Moin (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Also nur zur Klarstellung: „Moin“ heißt NICHT „Guten Morgen“. „Moin“, ist eine Ableitung aus dem Wort „Moi“, das ist plattdeutsch für „gut“ – wobei, da wo mein Platt herkommt, spricht man das Wort eher aus wie „moui“, betont das O in Moin dafür aber um so intensiver. Wie dem auch sei – man ergänzt bei Moin, also das Wort gut, mit einem N, und schafft damit Platz für alles, was passend erscheint. Übersetzt könnte man sagen, es heißt soviel wie „Guten´“. Oder wie es einige auch aussprechen „Gudn´“. „Moin“ steht übersetzt also für „Guten Morgen“, „Guten Mittag“, „Guten Abend“ usw. Es ist quasi nichts anders als ein „Hallo“, das zu jeder Uhrzeit passend ist. Aber im Gegensatz zu Hallo, ist Moin nicht so formal, sondern es ist viel herzlicher gemeint und gedacht, als ein Hallo. Vielmehr wünscht man der Person, die man anspricht, ganz persönlich, direkt und von vollem Herzen etwas Gutes. Aber ein Moin kann noch mehr:

Man erkennt an einem Moin schon eine ganze Menge. Mit einem herzlichen „Mooooin“ kann man z. B. zum Ausdruck bringen, wie von Herzen man sich freut jemanden zu sehen. Mit einem fröhlichen „Mooiin“ kann man Freude verbreiten. Man kann sogar ganze Gespräche führen. Jemand er eher geschwätzig ist, wird vielleicht eher mit „Moin Moin“ grüßen. Stößt man auf eine Person vor dem ersten Kaffee, die gar keinen Bock auf Konversation hat, kann das ein knurriges, aber kurzes „Moin“ schon zu verstehen geben, ohne weitere Diskussion. Und das ist super, den auch in einem geknurrten Moin steckt Wertschätzung – wobei man damit ausdrücken kann, dass man gerade echt eher seine Ruhe haben will, dass das aber nicht böse gemeint ist. Wenn man auf jemanden keine Lust hat und ihn nicht herzlich begrüßen will, dann sagt man in der Regel auch nicht Moin. Und das auch, obwohl es sich eigentlich gehört, Nachbarn auf der Straße mit einem Moin höflich zu grüßen. Zerstrittene Nachbarn zum Beispiel würden das Wort zum Beispiel nicht unbedingt nutzen, wenn sie sich begegnen. Oder sie würde es so sagen, dass völlig klar ist, wie das Moin gemeint ist. Das ist eine Frage der Betonung. In der Regel bleibt man aber durchaus herzlich. Auch, wenn man gerade eher schweigsam bleiben will. Was man ja auch deutlich zum Ausdruck bringen kann, je nachdem wie man sein Moin betont. Dementsprechend ist das Wort „Moin“ bereits ein ganzes Gespräch. Für Gäste ist das manchmal eine Lernsache, da hört man manchmal Formulierungen wie „Moinchen“ oder „Guten Moin“ – Für mich ein Anlass Zahnschmerzen zu bekommen – Das schlimmste, was ich jemals gehört habe, war Moini – Denn es heißt einfach nur „Moin“ – ganz simpel.


Auch in skandinavischen Ländern sagt man Moin, oder ähnliche Worte. Das war toll auf meinem Schüleraustausch in Finnland. Dort heißt es einfach „Moi“. Ich habe also schnell eine gemeinsame Sprache gefunden, auch wenn ich bis heute nur ein paar Sätze Finnisch sprechen kann. Es war heimelig und klang sehr vertraut. Auch in anderen Regionen gab es das Grußwort Moin einmal, in vergangenen Tage. In der Schweiz, in Polen und in Berlin zum Beispiel. Aber dort hat es sich nicht durchgesetzt. Vielleicht lieg das daran, dass wir Nordlichter sehr dicht an den Skandinaviern und noch dichter an Regionen leben, in denen noch einige Menschen Plattdeutsch reden. So wie in meiner Familie aus Ostfriesland, die überwiegend Platt spricht und in der niemand auf die Idee kommen würde, etwas anders als Moin zu sagen, um jemanden herzlich zu begrüßen. Und ein Moin, das kommt immer von Herzen.

City of Moin Digga steht um das Motiv eines Ankers herumgeschrieben.

Aber man muss schon sagen, die norddeutschen Städte sind schon sehr stolz auf ihr Moin. Dieses Graffiti habe ich z.B. in Hamburg gefunden (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Wie alt das Wort ist, ist unklar. Es gibt Theorien, nach denen ist das Wort erst im 20. Jahrhundert entstanden, andere glauben, es sei älter, einige sagen, es sei dänisch, andere leiten es aus dem Platt oder dem Niederländischen her. Ganz Ostfriesin behaupte ich natürlich: Das Wort Moin kommt aus dem Plattdeutschen. Denn immerhin: Plattdeutsch ist ursprünglich keine Schriftsprache gewesen, wer weiß, was sich da an Alltagssprache erst spät in Aufzeichnungen geschlichen hat. Und auch wenn das nicht stimmt, es hat sich bei uns im Norden einfach durchgesetzt – und ich kenne keinen, der diesen Schatz aufgeben wollen würde. Es ist ein Wort mit 1.000 Bedeutungen und ganz viel Herzlichkeit. Und vielleicht könnt ihr nach diesen Ausführungen jetzt auch verstehen, warum es für mich jedes Mal extrem verletzend war, wenn ich angepöbelt wurde, ober man mir den Tod gewünscht hat, mir erklärt hat, ich hätte mein Leben nicht unter Kontrolle, nur weil ich den schönsten und herzlichsten mir bekannten Gruß zu einer anderen Person gesagt habe. Und trotzdem:

Moin

(Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Ich konnte mir in Österreich mein „Moin“ einfach nicht abgewöhnen, es gehört zu mir und ich finde es schön, weil ich mit keinem anderen Wort so sehr ausdrücken kann, dass ich meinem Gegenüber mein Herz öffne. Als ich schließlich nach Deutschland zurückkam, war mir das so richtig bewusst geworden. Ich wurde beim Bäcker in Österreich ein letztes Mal so richtig dumm angeschnauzt für mein Moin. Holte mir ein letztes Mal einen Reiseproviant in Österreich. Dann, nach 13 Stunden im Reisebus habe ich mir am Hamburger Hauptbahnhof erstmal einen Kaffee und einen Hanseaten geholt. Als mein dortiges „Moin“ mit einem sehr herzlichen „Moin“ begrüßt wurde, habe ich mich endlich wieder ein bisschen wohler in meiner Haut gefühlt. Es gab einfach niemanden mehr, der mich dafür beleidigt, dass ich freundlich und von ganzem Herzen grüße. Und ich hoffe, mit diesem kleinen aber feinen Beitrag etwas mehr Klarheit in die Sache gebracht zu haben, damit in Zukunft weniger beleidigt und gemotzt und mehr gemoint wird.

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Literatur:

https://www.fehmarn.de/blog/der-moin-code

https://www.aurich-tourismus.de/ostfriesische-anekdoten/typisch-ostfriesisch/moin

https://www.duden.de/rechtschreibung/moin__moin_

Redewendung Moin

Der kleine Knigge zum schönsten Gruß der Welt

14 Gedanken zu „Moin – Ein Wort, das mehr ist als ein Gruß: Was es bedeutet und warum es ein Kulturgut ist

  1. Liebe Miss Jones,
    hach, Moin ist einfach meine Lieblingsgrußformel. Es hat so viele Vorteile. Ich muss mir keine Gedanken um die Uhrzeit machten und es klingt nett. Bei mir im Rheinland, also Mittelrhein, darf man es getrost übernehmen und anwenden. Habe noch nie eine böse Reaktion gehört.
    Klar, ich habe es aus dem Norden gerne übernommen. Wie war das noch mit dem „Moin, moin“? Sagt man nur als Tourist?
    Liebe Grüße
    Renate

      • Hier im Norden Schleswig-Holsteins ist Moin-Moin sowohl eine besonders freundliche Begrüßung, als auch die reguläre Antwort auf das einfache Moin. Das einfache Moin als Antwort auf ein einfaches Moin ist quasi die verhaltene Variante, wenn beide schlecht geschlafen haben.

        Ich liebe es, im Ausland (= Hamburg und südlich 😉 mit Moin zu grüßen, das ist purer Lokalpatriotusmus.

      • Nee, nee, nee – dat is dumm tüg „Moin Moin“ und „geschwätzig“. „Moin Moin“, gesprochen ohne Pause dazwischen, ist die Antwort auf „Moin“. Wenn ich mit mein‘ Vadder zum Markt ging und er wurde mit „Moin“ gegrüßt, bestand die Antwort circa 200 mal in Hut lüften und „MoinMoin“ – jedenfalls in Husum. Von Husumern aber zu behaupten, sie seien geschwätzig, ist wie von Olaf Scholz behaupten, er sei ein guter Redner.

        • Hier einer Liste alles Bedeutungen von moin moin, den mir Leute mit dem Anspruch auf 100% Korrektheit zugestellt haben:
          1. Man sagt es nur auf dem Land
          2. Man sagt es nur in der Stadt
          3. Man sagt es nur zu Freunden
          4. Man sagt es nur im Kundenservice
          5. Man sagt es, nur wenn man aussagen will, dass man Lust hat zu reden
          6. Man sagt es nur, wenn man etwas kaufen will
          7. Man sagt es nur zu Fremden
          8. Man sag es nur zu Freunden
          9. Man sagt es nur als Tourist
          10. Man sagt es nur Morgens
          11. Man sag es nur Mittags
          …. Meine Güte nochmal! Regional unterschiedlich heißt, da gibt es keine Regel, die überall gleich ist…

  2. Moin Miss Jones.Komme grad aus dem Harz,und die Leute guckten beim Moin,als ob ich 2 Köpfe hätte.Hatte Harz eigentlich in Norddeutschland verortet,naja,ich bin da stoisch

  3. Pingback: Der älteste Auerochse Europas | Miss Jones

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  5. Das Wort ‚mooi‘ gibt es übrigens immernoch im Niederländischen, was ja aber genauso wie alle Plattdeutsch-Varianten zur niedergermanischen Sprachfamilie gehört. Danke für Deinen Artikel, denn jetzt weiß ich als in den Niederlanden lebende Hamburgerin wo ‚Moin‘ herkommt und hab jetzt so eine schöne Verbindung zwischen Herkunft und Wohnort.

  6. Pingback: Miss Jones im Glück | Miss Jones

  7. „Da kommt wen Schipp ut Holland, dat het ein mojn Wind“ – ein altes Lied, das meine Mutter kannte (Nordfriesland). Im Niederländischen soll moin auch die Bedeutung von gut haben…
    Moin, moin ist in der Regel freudiger und offener gemeint, also tendenziell geschwätziger.
    Moin kann kurz und bündig gesprochen werden. Meistens ist auch die Stimmung so, wenn es so ausgesprochen wird.
    Moin kann auch zweisillbig ausgesprochen werden: moi-oin. Das ist eigentlich fast so wie moin moin, nur melodischer. Eben gute Stimmung ausstrahlend.
    In diesem Sinne: Allzeit ein Moin-Moin oder Moi-oin auf den Lippen.
    Ein Flensburger

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