Eine der Standardfragen für Archäologiestudies ist: „Und was willst du damit mal machen?“ Die Frage kommt meistens von Menschen, die so oder so keine Ahnung von dem Fach haben. Meistens eine Form von unterschwellig toxischer Giftspritzfrage. Zum Beispiel beim Familienessen von Tante Erna, die versucht zu zeigen, dass ihr Kind das erfolgreichere ist. Dabei schwingt im Hintergrund ein fast freudiges „Du versaust dir dein Leben“ mit. Das Problem ist – Tante Erna hat gar nicht so unrecht. Denn im Berufsleben unterzukommen, bringt viele Absolvent*innen zur Verzweiflung – deswegen gibts heute ein wenig anekdotische Evidenz. Aber erstmal:
Was sind überhaupt die klassischen Arbeitgeber in der Archäologie?
Tatsächlich gibt es viele Arbeitsfelder, für die Archäologen ausgebildet sind. Theoretisch haben wir vielfältige Grundlagen für den Quereinstieg in vielen verschiedenen Branchen. Aber es gibt drei klassische Arbeitgeber: Museen, Landesämter und Grabungsfirmen. Und wenn man Glück hat, dann kann man vielleicht sogar an eine Uni kommen. Das mit der universitären Karriere ist ein Thema für sich. Hier einmal zu den anderen möglichen Arbeitgebern:
Museen und das Problem mit dem Berufseinstieg
Zum einen arbeiten Archäolog*innen in Museen. Es gibt mittlerweile an einigen Universitäten Zusatzausbildungen zu diesem Feld. Ich habe zum Beispiel Museumsmanagement zusätzlich studiert. Das ist sinnvoll, denn das Arbeitsfeld Museum erschließt sich nicht unbedingt durch das Studium. Und Museumsmanagement wurde vor allem damit beworben, dass in Museen händeringend nach Fachkräften gesucht wird. Das Problem: Meistens wollen die Museen ein anderes Hauptfach, weil sie oft eine falsche Vorstellung von der Archäologie haben – es sei denn, es handelt sich um Archäologiemuseen. Sie wissen gar nicht, welches Know-how wir mitbringen.
Beispielsweise hält sich der Glaube hartnäckig, wir hätten wenig Kenntnisse über Ortsgeschichte, oder aber würden uns nur mit lang vergangenem beschäftigen. Tatsächlich setzen wir uns aber mit Sachkultur auseinander. Die kann aus allen Zeiten der Menschheitsgeschichte kommen. Es ist also eine Falschbehauptung, aber einer der häufigsten Gründe, warum meine Bewerbungen an Museen abgelehnt wurden. Auch wenn es immer einer meiner Träume war, zu mindestens für einige Zeit in einem Museum zu arbeiten – vielleicht ist es ganz gut, dass mich hier einfach keiner will – Denn das Museum ist einer der Arbeitsplätze, wo es viele befristete Arbeitsstellen gibt und viele schlecht bezahlte Positionen. Man muss oft viele Volontariate machen, bis man an eine bessere Stellung kommt. Und im Gegensatz zu anderen Berufen ist hier eine Promotion oft Voraussetzung, um an ein Volontariat zu kommen.
Landesämter
Jedes Bundesland in Deutschland hat ein Amt für Bodendenkmalpflege – und ja, auch für diese Arbeit habe ich als Vorbereitung ein extra Seminar an der Uni belegt. Es gibt viele Archäolog*innen, die auch für die Arbeit an Baudenkmalämtern qualifiziert sind – aber dort gibt es die gleichen falschen Vorurteile wie in den Museen. Deswegen werden Bewerbungen an Denkmalämtern meist ebenfalls mit der Falschbehauptung, man sei nicht qualifiziert, abgelehnt. Die Bodendenkmalämter hingegen sind speziell für den Schutz archäologischer Denkmäler zuständig. Auch wenn wir für diese Stellen ausgebildet sind, ist es oft schwierig an solche Posten zu kommen. Der Grund: Es gibt dort nicht so häufig freie Stellen. Die Stellen, die es häufiger gibt, sind für Studies.
Wenn es eine andere freie Stelle gibt, dann wird diese häufig an jemanden vergeben, der im Hause schon als studentische Hilfskraft gearbeitet hat. Diese Person kennt die Abläufe und das Haus bereits. Aber: teilweise sind diese Studierendenjobs schlechter bezahlt als Nebenjobs in der Gastronomie. Deswegen kann sich nicht jeder leisten, einen solchen Job während des Studiums anzunehmen, um sich diesen Vorteil zu erarbeiten. Wenn man dann doch im Landesamt landet, dann muss man hoffen eine tolle Abteilung zu erwischen. Es gibt Jobs, da ordnet man nur Akten, oder wäscht Tag ein Tag aus Scherben. Ich habe schon Kolleg*innen an ihren Jobs verzweifeln gesehen.
Grabungsfirmen
Ich kenne viele Leute, die sich entschieden, haben selbst eine Firma zu gründen. Wenn irgendwo eine Baustelle ist, wo bei einem Fundplatz gebaggert wird, müssen die Bauherren erst eine Ausgrabung bezahlen. Dafür engagieren sie eine Grabungsfirma. Man kann schon, als Studie anfangen bei so einer Firma zu jobben.
Je später man anfängt, sich auf Stellen in einer Grabungsfirma zu bewerben, umso schwieriger wird es. Der Grund: man bringt keine Ausbildung mit. Grabungen nehmen nur einen zu kleinen Teil des Studiums ein. Das wird von vielen Arbeitgebern in diesem Feld bemängelt – stellt euch mal vor, man wäre in der Tischlerausbildung nur 2 Wochen in einer Werkstatt gewesen. Das reicht nicht. Die Universitäten sehen sich allerdings nicht als Ausbildungsstätte, deswegen wird sich an dieser Situation längerfristig nichts ändern. Die Situation ist nahezu absurd: Grabungsfirmen suchen händeringend Arbeitskräfte und Archäolog*innen suchen händeringend Jobs. Aber die Ausbildung für die naheliegendste Tätigkeit fehlt den Archäolog*innen nach dem Uniabschluss.
Gibt es noch weitere Arbeitsstellen
Klar gibt es weitere Arbeitgeber, die Archäolog*innen einstellen. Relativ viele Kolleg*innen, die ich kenne, arbeiten beispielsweise im Verlagswesen. Andere jobben als Guides, wieder andere machen etwas ganz anderes. Ich kenne nicht wenige, die auf Nebenjobs hängenbleiben. Das ist schade, denn wir haben so einige Qualifikationen. Gleichzeitig sind diese Qualifikationen durch den straffen Bacelor-Masterstundenplan teils nur schwach vertreten. Man muss in zu kurzer Zeit zu viele unterschiedliche Dinge lernen. Das von oft zu wenigen Dozenten, da archäologische Institute gerne mal personell knapp gehalten werden. Das heißt: Die Dozenten müssen den Studierenden Fähigkeiten vermitteln, die sie selbst gar nicht haben, weil sie ein anderes Spezialgebiet mitbringen. Aber weil eine Uni alle diese Themen unterrichten muss, muss es halt jemand vom Personal machen, auch wenn es da eigentlich niemanden gibt, der weiß, wie das geht. Das kann gar nicht klappen.
Einige versuchen, sich auf ein Berufsfeld zu spezialisieren. Genau das wird einem auch geraten. Aber einerseits wächst man seinen Dozent*innen ziemlich schnell über den Kopf, wenn man versucht sich zu spezialisieren und andererseits stimmt auch das nicht mit der Berufswelt überein. Denn nur, wenn man Glück hat, findet man überhaupt einen Job. Den nimmt man an, um irgendwie weiterzukommen – egal ob man sich auf diesen Bereich spezialisiert hat oder nicht.
Das Leben mit mehreren Jobs
Immer wieder üblich in der Archäologie: Arbeitsverträge mit wenigen Stunden in der Woche. Das heißt, man freut sich über jeden Arbeitsvertrag, den man ergattern kann. Man bewirbt sich auf die Stellen, die es gibt. Die können sehr explizit ausgeschrieben sein. Beispielsweise wird jemand gesucht, der Experte ist für die Keramik der frühen Hallstattzeit in Südbayern. Solche Ausschreibungen gibt es oft. Aber weil es sehr viele Kulturen gibt und sehr viele Materialien muss man schon Glück haben, dass genau dann, wenn man Arbeit sucht, eine Stelle ausgeschrieben ist, wo exakt diese spezifische Qualifikation gesucht wird. Deswegen bewirbt man sich oft auf Stellen, die weit weg von der eigenen Spezialisierung liegen. Arbeitet 10 Stunden die Woche im Mittelalter Freilichtmuseum, 10 weitere in einer Bibliothek und hat nebenbei noch einige Stunden als Dozent*in an der Uni zum Thema Jungsteinzeit. Sich während des Studiums zu spezialisieren, kann also Fluch und Segen sein. Das Gegenteil zu tun, ebenso. Denn: Niemand weiß, ob und wo man am Ende beruflich landet.
Die Frage „Was willst du damit einmal machen?“, ist also für viele nicht nur ein toxischer Giftspritzer in einem Gespräch mit der missgünstigen Tante Erna. Selbst wenn man das genau weiß und gut ausgebildet ist, viele renommierte Artikel veröffentlicht hat, weiß man nicht, wo man landet. Was soll man also auf die Frage „Was willst du damit einmal machen?“ Antworten? Wenn man Tante Erna fröhlich erzählt, dass man gerne an einem Denkmalamt arbeiten möchte – Dann wird sie Jahre später, wenn man stolz einen Job in einem Museum ergattert hat, kommentieren, dass man ja doch eigentlich an einem Denkmalamt arbeiten wollte…
Stopp: Nicht vergessen, Miss Jones finanziert sich durch eure Trinkgelder!
Literatur:
Sascha Piffko: Berufsschule Archäologiestudium? In: Archäologische Informationen 46, Early View
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