Die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin ist ein besonderes Denkmal in der deutschen Geschichte. Von vornherein handelt es sich um einen umstrittenen Bau, da die Kosten des Gebäudes in die Höhe schießen. Im Zweiten Weltkrieg wird der sakrale Bau dann stark beschädigt und es entbrennt die Diskussion darum, wie man diesen Bau neu errichten könnte. Heute kann man die verbliebene Turmruine als Kriegsdenkmal besichtigen. Im inneren befinden sich die Reste prunkvoller Mosaike. Sie erzählen ebenfalls Teile der deutschen Geschichte, bzw. die Geschichte so, wie Kaiser Wilhelm sie sich zurechtgebogen hat. Aber eine interessante Frage ist dabei ungeklärt: Warum wurden eigentlich Mosaike in der Kirche angebracht, und keine Malereien?
Die Antwort liegt in der Frühzeit der Archäologie. Bereits im 18. Jahrhundert boomt die archäologische Erforschung des antiken Mittelmeerraumes. Oft erinnert diese Phase der archäologischen Forschung allerdings eher an Raubgrabungen. Es ist der Chic dieser Zeit, in adeligen Kreisen, sich originale Bodenmosaike in die Heimat bringen zu lassen. Napoleon hat bei seinen Kriegen schließlich einen ganzen Stab Kunst- und Geschichtwissenschaftler dabei, die die antiken Stätten “untersuchen”. Es ist eine Zeit in der man sich stilistisch gerne an der römischen Antike orientiert, auch bei Neubauten. Der Grund: Das scheinbar glorreiche römisches Reich wurde zum monarchistischen Vorbild. Und so entstehen die ersten neuen historisierenden Mosaike im Norden Europas. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird dann das Mittelalter gegenüber der Antike populär. Die Neogotik entsteht. Auch die Mosaike werden diesem Trend angeglichen. Die Darstellungen verfolgen dabei ein klares Ziel: Eine Orientierung an einer vermeintlich heroischen Vergangenheit.
Dabei kommt es zu einem besonderen Umstand: Nationalistische Strömungen entwickeln ein Missfallen an der Mosaikkunst, welche einen nicht als deutsch akzeptierten Hintergrund haben. Um diesem Deutschtum Ausdruck zu verleihen wird im Zuge dessen, die Mosaikkunst, von der Berliner Firma Puhl & Wagner in eine neue, etwas poppiger wirkende und dennoch historisierende, Form gebracht. Kaiser Wilhelm nutzt diesen nationalistischen Stil schließlich für einige Gebäude, und auch für die Gestaltung der Gedächtniskirche. Auf dies Weise versucht er, gegen demokratischen Kräfte, an der Monarchie festzuhalten. In diesem Sinne wird mithilfe der Mosaike einerseits Gottgefälligkeit demonstriert, um die christlichen Deutschen von seiner Machtposition zu überzeugen, und andererseits ist es der Versuch auch die Nationalisten hinter sich versammeln. Die Mosaike sind also auch Grundsteinchen für die Ideen des erstarkenden Nationalismus. Und diese Geschichte führt sich im Dritten Reich fort. Zwar muss der frühere Betreiber die Mosaikfirma verlassen, da er als Halbjude gilt, aber die Firma selbst erlebt die größte Blüte. Sie statten die Gebäude hochrangiger Nazis mit deutsch-nationalen Mosaiken aus. Die Zusammenhänge, die hinter der Mosaikkunst der vorletzten Jahrhundertwende stehen, sind also einer der vielen interessanten Hinweise dafür, wie früh sich ein übertriebenes nationales Geltungsbedürfnis gezeigt hat – Das sich dann in architektonischer Form kontinuierlich bis zum Dritten Reich entwickelte.
Literatur:
Rainer W. Leonhartd, Die Wiederentdeckung der Mosaikkunst im 19. Jahrhundert in Deutschland. In: Resturator im Handwerk 2/2018.
https://handwerk-in-neukoelln.de/start/raum-glas/objekte-aus-glas/puhl-und-wagner/