Er war als eine Erinnerung an Kaiser Wilhelm I gedacht, der Bau der Gedächtniskirche in Berlin. Sein Enkel, Kaiser Wilhelm II, hatte den Bau gemeinsam mit seiner Frau Auguste Viktoria geplant. Eine architektonische Verherrlichung der Macht der Hohenzollern entstand so im Herzen der Hauptstadt.
Die politische Aussage stand bei diesem Bau von vornherein im Vordergrund.
Das löste Kontroversen aus. Dabei im Vordergrund, der religiöse Zweck einer Kirche war so schon fast zu einer Randerscheinung verkommen. Die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche war vor etwas mehr als 100 Jahren so etwas wie der Berliner Flughafen heute. Wurde hier ursprünglich mit 6.410.000 Mark Baukosten geplant, hat man am Ende 10-mal so viel ausgegeben. 1888 war Kaiser Wilhelm verstorben, und schon 1890 begannen die Bauarbeiten, für den Bau, der an ihn erinnern sollte. Aber erst am 22. Februar 1906 wurde der Kirchenbau endlich fertiggestellt. Das gesamte Projekt war dabei sehr umstritten. Eines der wenigen heute erhaltenen Mosaike zeigt auch noch den Grund, der damals die Gemüter erhitze:

Königin Luise, schreitet voran zum Abendmahl, ihr folgt ihr Sohn Kaiser Wilhelm I mit seiner Frau Augusta (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Der Vorwurf war, dass hier eine Staatsreligion verordnet werden sollte. Oder zumindest, dass Kirche und Staat an dieser Stelle zu stark vermischt wurden. Die Darstellung stammt aus der Gedächtnishalle, die zu ehren Kaiser Wilhelm I. gestaltet wurde. Es zeigt, wie sich die Herrscherfamilie, angeführt von Königin Luise, zum Abendmahl begibt. Der Kunstkritiker Karl Scheffler sprach wegen solcher Darstellungen beispielsweise von einer
„reglementierten Staatsreligion, die als Moralpolizei auftritt und vor die sozialen Abgründe ihrer Zeit ihre reich verzierten Kirchenkulissen stellt.“
Das Hauptanliegen, warum sich Kaiser Wilhelm I so eng mit der Kirche verzahnt zeigte, war der Kampf gegen das Erstarken der sozialdemokratischen Organisationen, aber auch der Anarchist*innen. Der Kaiser band seine Monarchie an die Kirche in der Hoffnung, damit an die christliche Arbeiterbewegung anzuknüpfen und die christlichen Ideen, und damit ihn selbst, zu stärken. Er sah sich bedroht, durch den aufblühenden, freiheitorientierten und immer häufiger, atheistischen Geist in seinem Land.

So sah die Kirche 1900 aus (Bild: Gemeinfrei/Historisch).
Kaiser Wilhelm II wollte so zum anderen aber auch in eine Reihe gestellt werden mit dem, was er als Deutsche Geschichte verstand. Der Bau selber wurde von daher im neoromantischen Stil gebaut. Die Romantik war eine Architekturform, die er als „germanische Architektur“ verstand und die in dieser Zeit von Nationalisten zu Glorifizierungszwecken einfach umgedeutet wurde. Hinzu kam: Zahlreiche Mosaike wurden entworfen, die im Inneren dieses Sakralbaus Szenen einer vermeintlich glorreichen germanischen Geschichte zeigten. Dargestellt wurden dabei weniger historische korrekte Szenen, als mehr eine nationalistisch hübsch verbogene Form der Geschichte, die symbolisch gezeigt wurde.

König Rudolf I von Habsburg. Eine verherrlichte Darstellung zur Überhöhung der Deutschen Geschichte (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
So landete auch diese Darstellung von König Rudolf I von Habsburg in der Berliner Kirche. Rudolf I legte im 13. Jahrhundert die Grundsteine für den Aufstieg der Habsburger Monarchie, die weite Teile Europas entscheidend prägen sollte. Doch mit den preußischen Hohenzollern steht diese Geschichte eigentlich nicht in Verbindung. Wohl aber eignet sich die lange Geschichte der Habsburger dazu, besonders eindrucksvoll und herrlich zu wirken. Ein Mensch, mit der sich Kaiser Wilhelm II also gerne in eine Reihe gestellt hat.

Die Reste der Kirche heute – wegen der Kriegsschäden wird die Kirche auch hohler Zahn genannt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Die Reste der Gedächtniskirche tragen also vor allem Spuren davon, wie das Kaiserreich und der aufkommende Nationalismus Hand in Hand gegangen sind. Diese Art der Identitätspolitik war ein ideologischer Wegbereiter für die dann folgende Katastrophe. Es ist nur umso symbolischer, dass dieser Ort dann in einem von Nationalisten vom Zaun gebrochenen Krieg zerstört wurde, und heute als Mahnmal für den Frieden gilt. Ich denke, wir sollten aus dieser Geschichte lernen, und sie nicht wiederholen. Oder anders gesagt: man macht sich nicht zum Wegbereiter von Nazis.
Literatur:
Sevinc Arikan: Die Turmruine der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin.
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Mich haben damals die übertrieben goldenen Mosaiken auch beeindruckt. Das Grmanisieren entsprach aber wohl auch dem Zeitgeit damals.
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