“Sharing Heritage – Die Teilhabe am kulturellen Erbe als Bürger- und Menschenrecht” war der Titel der DGUF Tagung 2018. Nachdem ich 2016 teilgenommen habe, freute ich mich ganz besonders darauf einige alte Gesichter wieder zu sehen, und neue Gesichter zu treffen. Ich machte mich also auf den Weg nach München.

München Hbf ein weiter Weg, da musste ich früh für aufstehen!
Ich fuhr mit dem Bloggerticket nach München. Das bedeutet, dass ich keinen Tagungsbeitrag bezahlen musste, dafür Berichtete ich einmal vorab, und Twitterte die Inhalte für euch unter #DGUF2018. Außerdem habe ich nun für euch einen Bericht über die Geschehnisse in München verfasst.
Wurden meine Erwartungen erfüllt?
Um die Frage zu beantworten, muss ich natürlich kurz einmal zusammenfassen, was meine Erwartungen waren. Bevor ich nach München fuhr, hatte ich die Erwartung, mit den verschiedensten Archäolog*innen auf Augenhöhe zu diskutieren. Das Thema Bürger*innenbeteiligung sollte dabei im Fokus stehen, und dazu sollten die verschiedensten Perspektiven eingenommen werden. Besonders habe ich mich auf einen kritischen Umgang mit Identitätskonzepten gefreut; ebenso auf einen Vortrag über Provenienzforschung, von dem ich mir scharfe Kritik und ein striktes politisches Standing erhoffte. Themen wie Dark Heritage und Öffentlichkeitsarbeit sollten im Fokus stehen.
Im Jahr 2016 schrieb ich über die Jahrestagung unter der Überschrift „Balsam für die Seele“. Denn die Art der konstruktiven Diskussion haben damals viele als sehr befreiend und guttuend empfunden. Auch diese Art der Diskussion erhoffte ich mir in München vorzufinden, auch wenn ich vorab Bedenken bezüglich der Lokalitäten in München äußerte, denn ein Teil dieser Diskussionen findet immer auch beim gemeinsamen Abendessen statt.
Diskussionen hat es tatsächlich gegeben, und viele davon waren sehr interessant. Auch wenn ich den Eindruck hatte, das die Diskussionen 2016 in Berlin irgendwie freier und ungezwungener gewesen sind. Vor allem waren es damals mehr Diskussionen in Kleingruppen. Ich hätte mir auch in München mehr Kleingruppendiskussionen statt großer Plenumsdiskussionen gewünscht, weil es vielen Menschen in kleinerer lockerer Runde leichter fällt etwas zu einer Diskussion beizutragen. In diesem Sinne wurde meine Erwartung nur zum Teil erfüllt.
Inhaltlich wurden viele der Themen, auf die ich mich gefreut hatte, behandelt. Meine Hoffnung war es, das Thema Bürger*innenbeteilung so allumfassend und von vielen Seiten wie möglich zu betrachten. Dies ist auf der Tagung auf jeden Fall gelungen, auch wenn einige Perspektiven fehlten. Meine Gedanken zu den wirklich schönen Vorträgen möchte ich euch nicht vorenthalten. Die Vorträge wurden gefilmt, und werden in der Zukunft noch auf Youtube zu sehen sein. So könnt ihr sie euch selber ansehen. Deswegen habe ich mich dazu entschieden hier nur zehn der Vorträge zusammen zu stellen und zu diskutieren.

Die Beiträge wurden gefilmt, und sind bald auf Youtube zu sehen
10 Vorträge von der DGUF-Tagung
Bevor die Tagung begann führte Diane Scherzler in das Thema mit einigen wichtigen Worten ein. Sie erwähnte, dass die Bedeutung des Denkmals steigt, und verwies darauf dass die Zerstörung von Kultur auch immer die Zerstörung von Menschen bedeutet. Dadurch ist die Teilhabe an Kultur aber auch immer Konfliktbehaftet.
Katharina Möller begann dann mit dem ersten Vortrag der Tagung. Sie erläuterte, dass die Teilhabe am kulturellen Erbe auf den Füßen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht. In Artikel 27 ist verankert, was allgemein als ein Recht auf Beteiligung am kulturellen Erbe gefasst werden kann. Sie erläuterte, dass diese Bürger*innenbeteiligung auch demokratisch sein muss, was ein aktives Mitbestimmen bei Entscheidungsprozessen bedeutet. Sie unterschied hierbei zwischen dem Top-Down-Modell, welches Bürger*innenbeteiligung eher als Konsum betrachtet und mit Museumsbesuchen gleichsetzt, und dem Bottom-Up-Modell, bei dem die Forschung von ehrenamtlichen Forscher*innen ausgeht, die aber von Fachwissenschaftler*innen begleitet wird. Mit ihrem Vortrag gab Katharina Möller eine gute Einleitung in das Thema der Tagung.
- Elisabeth Monamy (Archeomuse)
Sharing Heritage. Eine Selbstverständlichkeit?
Der Vortrag von Elisabeth Monamy, der direkt im Anschluss folgte, gefiel mir besonders gut, da sie damit begann, das Thema auf eine Basis zu stellen, welche allen Anwesenden noch einmal ins Gedächtnis rief, was Archäologie überhaupt ist. Hierzu zeigte sie verschiedene Definitionen des Faches. Sie verwendete eine Definition von Wikipedia. Diese Idee gefiel mir, da die Online-Enzyklopädie sicherlich näher am Gedanken der Bürger*innen liegt als eine kompliziert formulierte fachliche Definition. Sich dies ins Gedächtnis zu rufen, zeigt den Archäolog*innen auf, als was sie eigentlich verstanden werden und was die Aufgabe ist, die sie aus der Perspektive der Gesellschaft haben.
Die Definition die sie schließlich herausstellte, lautete, dass es in der Archäologie darum geht, verschwundene Gesellschaften zu rekonstruieren. Dabei stellte sie das Problem heraus, dass fachwissenschaftliche Publikationen oftmals schwer zu verstehen sind, wobei die Fragen, die an Archäolog*innen allgemein gestellt werden, oftmals sehr klischeehaft sind. Um innerhalb dieses Spanungsfeldes leistungsorientiert zu arbeiten, schlug Monamy vor Archäologie stilecht, anschaulich, farbenfroh und erlebbar zu vermitteln. Ihre Beispiele waren: archäologische Kochkurse, Ausstellungen im öffentlichen Raum oder Science Slams. Gleichzeitig mahnte Monamy an, dass bestimmte Teile der Vergangenheit immer weiter aus den Lehrplänen verschwinden. Auch dies trägt dazu bei, dass das Wissen über das Fach Archäologie in der allgemeinen Bevölkerung immer geringer wird.
Die Ideen der farbenfrohen Wissensvermittlung und des niederschwelligen Zugangs sind, finde ich, sehr positiv. Monamy erwähnte dabei leider nicht, dass es sich um Arbeit handelt, welche teils zusätzlich von Archäolog*innen geleistet werden muss. Prekäre Arbeitsverhältnisse und die volle Konzentration, die die Arbeit an einem wissenschaftlichen Projekt erfordert, sind aber oftmals Faktoren dafür, dass dieser Teil zu kurz kommt. Außerdem werden innerhalb der Fachwelt Arbeiten welche außerhalb des gewohnten akademischen Rahmens stattfinden weniger bis gar nicht gewürdigt, wenn nicht sogar zum Teil belächelt.
2. Sigrid Peter (Verein zur Erhaltung und Erforschung der Burg Ried am Riederberg)
“Die sitzen doch alle im Elfenbeinturm!” Oder: Spannungsfelder in der Zusammenarbeit zwischen BürgerInnen und ForscherInnen
Die ehrenamtliche Archäologin Sigrid Peter folgte mit ihrem Vortrag aus der Perspektive der ehrenamtlichen Archäologie. Auf diesen Vortrag habe ich mit besonders gefreut, denn sie gibt einer Gruppe Archäolog*innen eine Stimme, welche viel zu selten gehört wird. Und dennoch kann sie die wichtigste und entschiedenste Gruppe sein, wenn es darum geht, Verständnis für denkmalpflegerische Maßnahmen in der Bevölkerung zu erzeugen.
Sigrid Peter machte zunächst klar, dass viele Bürger*innen kein Interesse an der Geschichte haben, vor allem weil die Wissenschaft für sie etwas Abstraktes ist, und so ein falsches Bild von der Archäologie entsteht. Für eine Lai*in, der in ein Museum geht, sieht Archäologie oft aus, wie Müll hinter Scheiben. Die Bedeutung einzelner Funde ist oftmals unverständlich.
Auch ich bin schon auf dieses Phänomen gestoßen. Denn für die archäologische Wissenschaft sind Textilfunde immer wieder ganz besondere Funde, aufgrund ihrer Seltenheit, aber auch aufgrund dessen, dass sich sehr viel an ihnen erforschen lässt. In meinem Lieblingsmuseum sind Textilfunde aus der Bronzezeit ausgestellt. Doch neben den anderen Funden wirken sie für die Betrachter*in wie alte Putzlappen hinter einer Glasscheibe. Aus dieser Erkenntnis heraus begrüße ich die harten Worte, die Sigrid Peter hier gefunden hat.
Weiterhin kritisierte sie die fehlende Augenhöhe, auf denen ehrenamtlichen Archäolog*innen begegnet wird. Die Problematik hierbei ist, dass Archäolog*innen oft nicht nachvollziehen können, dass ehrenamtliche Helfer*innen wenig Grundwissen mitbringen, da sich beispielsweise die archäologische Terminologie schwer erschließen lässt. An dieser Stelle drehte die Studentin der Erziehungswissenschaft den Spieß um, und begann dem überwiegend archäologischen Fachpublikum Begriffe aus ihrer Disziplin vorzuhalten.
Abschließend erwähnte Sigrid Peter, dass sie sich nicht nur einen niederschwelligen Zugang wünschen würde, sondern machte auch Vorschläge zur Ausgestaltung dieser. Sie empfiehlt beispielsweise Menschen einer entsprechenden Umgebung in ihrer Feierabendzeit anzusprechen. Archäologen sollten beispielsweise Kneipen von Dörfern und kleinen Orten besuchen, in deren Umgebung eine Untersuchung stattfindet, um darüber aufzuklären. Also an die Orte zu kommen, wo sich die Menschen bewegen. Denn ein großes Problem ist oftmals, dass die Angebote an Bürger*innen in der Arbeitszeit der Menschen liegen. Außerdem seien Angebote für Archäologie-Interessierte oftmals weit weg, und kostspielig.
Ich komme am Ende des Vortrages zu einer sehr zwiegespaltenen Haltung, über die ich immer noch nachdenke. Denn ich möchte einerseits die Empathielosigkeit, die einige Archäolog*innen gegenüber fachlicher Unkenntnis ehrenamtlicher Helfer*innen zeigen, unterstreichen. Andererseits sehe ich aber auch eine gewisse Empathielosigkeit bei Sigrid Peter selbst. Denn es wäre beispielsweise zwar schön, in der Feierabendzeit Programme und Begegnungen zu schaffen, bei denen interessierte Menschen an der Archäologie partizipieren können, doch auch ein*e Archäolog*in möchte in der Feierabendzeit Feierabend haben. Die Frage ist, wie viel Kapazität, also Arbeitszeitressourcen, und Gelder dafür überhaupt bereit stehen. Arbeitsverträge in dem Berufsfeld sind oft genug ohnehin schon prekär, und zeitlich knapp bemessen. Die Frage ist also letztendlich, inwieweit die Probleme, die Sigrid Peter berechtigterweise sieht, überhaupt unter diesen Bedingungen angegangen werden können.
3. Carmen Löw (Kuratorium Pfahlbauten)
Denkmalschutz in Hallstatt – Eine lehrbuchartige Kommunikationskrise in Österreich
Mit einem etwas anderem, aber nicht weniger wichtigem Thema beschäftigte sich Carmen Löw. Sie erläuterte die Geschehnisse, die sich 2010 in Halltsatt ereigneten, als ein Ortsteil von der Denkmalschutzbehörde unter Ensembleschutz gestellt werden sollte. Die Anwohner*innen und Bewohner*innen der betroffenen Häuser protestierten teils massiv gegen diese Idee des Denkmalschutzes. Ursächlich dafür war neben einer Kommunikationskrise auch der Umgang mit den betroffenen Personen.
Über dieses Denkmalschutzvorhaben wurden die Hallstätter über Umwege informiert. Es gab zunächst keine direkte Kommunikation. Dies führt zu einem massiven Gefühl der Fremdbestimmtheit. Diese wurde dadurch verstärkt, dass die zuständige Behörde dieses Problem nicht wahrnahm, und sich auf eine Art und Weise verhielt, welche für die Hallstätter*innen sehr arrogant gewirkt haben muss. Beispielweise wurden Fotografien von den Häusern angefertigt, um diese für denkmalpflegerische Zwecke verwenden zu können. Die Bewohner*innen der Häuser wurden im Vorhinein allerdings nicht gefragt, sondern die Fotos wurden einfach angefertigt. Besondere Wut erzeugte, dass die Häuser auch von innen fotografiert wurden, und das Fotograph*innen ungefragt teils einfach in die Schlafzimmer herein gingen, um dort zu fotografieren.
Hierbei handelt es sich um ein Verhalten, welches durchaus dazu geeignet ist Menschen in Rage zu bringen. Das dies den zuständigen Behörden nicht klar gewesen ist, zeigt wie wichtig es ist, dass Archäolog*innen lernen, wie Kommunikation ablaufen muss. Es bedarf einer tiefergehenden Ausbildung in diesem Sinne, denn ein Beispiel wie in Hallstatt darf sich nicht wiederholen.
4. Roland Linde (Schutzgemeinschaft Externsteine)
“Die Externsteine – Ein Natur- und Kulturdenkmal im Spannungsfeld von Esoterik, Neuheidentum und Wissenschaftsskeptizismus
Ein weiteres Beispiel vom Umgang mit den Bürger*innen erläuterte Roland Linde. Die Externsteine sind ein umstrittener Teil der deutschen Kulturlandschaft, und so kommt es hier zu besonderen Phänomenen die sich an anderen Denkmälern in dieser Form eher selten beobachten lassen. Denn die Externsteine haben für bestimmte Gruppierungen, welche sich nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen, verschiedene Bedeutungen.
Beispielsweise hat dieser Ort in rechten und rechtsradikalen Kreisen eine besondere Bedeutung. So wurde hier am 1. Januar 2017 eine Irminsul aufgestellt. Dabei handelt es sich um ein Symbol, welches in rechten Kreisen häufig verwendet wird. Allerdings gibt es auch Neuheid*innen, und pagane Gruppen welche dieses Symbol verwenden. Diese bewegen sich oftmals in einer Grauzone. Die errichtete Irminsul war in schwarz-weiß-rot bemalt, so dass die Resonanz in diesen Kreisen sehr gespalten war. Die Farbgebung wurde von einigen Gruppen aufgrund des Bezuges zum Dritten Reich kritisiert, nicht aber das Symbol Irminsul selbst. Bei der Irminsul handelt es sich in diesen Ideologien um den wieder aufgerichteten Weltenbaum. Sie ist gestaltet in Anlehnung an eine Darstellung auf einem mittelalterlichen Kreuzabnahmerelief bei den Externsteinen. Hier wird ein Objekt gezeigt, welches von den meisten Wissenschaftler*innen als Stuhl bezeichnet wird. Rechtsradikale sehen in der Darstellung allerdings die gefällte Irminsul.
Es gibt also einen stark ausgeprägten Germanenmythos, der sich an diesem Ort manifestiert, und der von Wilhelm Teudt begründet wurde. Im 20. Jahrhundert handelte es sich hierbei zunächst um einen Ausflugsort, der dann später von Heinrich Himmler zu einem Prestigeprojekt gemacht wurde. Die Externsteine wurden massiv in den nationalsozialistischen Kult eingebaut; die Mythen die hierbei geschaffen wurden, blieben aber auch nach 1945 in den Köpfen der Menschen erhalten. Auch neuheidnische Gruppen beziehen sich auf die Externsteine, und begehen Sonnenwendfeiern an dieser Stelle.
Außerdem gibt es Hippiegruppen und esoterische Gruppen welche sich an diesem Platz zu verschiedenen Anlässen tummeln. Ein Problem stellen ab einen gewissen Punkt “Wilde Camps” und Sonnwendfeiern dar, bei denen der Ort von Menschenmassen und auch Saufgelagen heimgesucht wurde, was der Natur und dem Denkmal schadete. Daher wurde ein Camping- und Lagerfeuerverbot an dieser Stelle erlassen.
Die tatsächlich einzige an dieser Stelle nachweisbare Religion ist das Christentum, was diese Stätte in der Nachnutzung durch diese Bevölkerungsgruppen im Grunde interessant macht. Es ist eine interessante Fragestellung warum sich ein einzelner Ort in dieser Weise subkulturell etabliert. Leider ist Roland Linde auf diesen Punkt nur sehr peripher eingegangen. Im Grunde handelt es sich um ein spannendes Forschungsfeld, und es könnte ein interessantes Projekt sein, diese Interpretationen und Nachnutzungen zu dokumentieren und zu diskutieren.
Roland Linde berichtete davon, dass er tendenziell gute Erfahrungen damit gemacht hat gemeinsam mit einzelnen Gruppen zu diskutieren, dass das Verhalten der Menschen, vor allem bei den ausschweifenden Partys, den Ort schädigt. Denn die Menschen wollen diesen Ort ja ebenfalls bewahren und schützen, da sie ihn auf verschiedensten Ebenen verehren. Die Feierlichkeiten finden zwar immer noch statt. Allerdings hat sich der Rahmen geändert, und nur noch ein harter Kern, welcher in dieser Hinsicht verantwortungsbewusster zu sein scheint, trifft sich hier.
Der Vortrag hat die Problematik, die sich an den Externsteinen manifestiert, gut dargestellt. Ich hätte mir allerdings eine tiefere Erläuterung im Umgang mit Rechtsradikalen gewünscht. Vergangenen Herbst war ich auf der Tagung „Odin mit uns!“ – Fachtagung zu Wikingerkult und Rechtsextremismus; auch hier habe ich mich bereits mit dem Bezug zwischen Rechstextremismus und archäologischen Themen auseinandergesetzt. Dennoch scheint es mir, dass diesem Thema immer noch mit einer gewissen Hilflosigkeit begegnet wird. Nicht zuletzt deswegen würde ich mir eine weitere Fachtagung zu diesem Thema wünschen.
5. Christian Bollacher und Barbara Hausmair (Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Esslingen Referat 84.2 Operative Archäologie)
“Dark Heritage – “Lagerarchäologie” zwischen Bürgerinitiativen, Denkmalpflege und Geschichtsvergessenheit.”
Auch der Vortrag von Christian Bollacher und Barbara Hausmair widmete sich dem Nationalsozialismus, allerdings in Form der Erforschung von Dark Heritage. Im speziellen ging es hierbei aber um die Erforschung von Lagern der NS-Zeit. Diese Ausrichtung archäologischer Forschung ist noch relativ neu. Deswegen ist es immer besonders interessant, sich mit ihr auseinander zu setzten, vor allem weil es viele Archäolog*innen gibt die auf diesem Gebiet keine Expertise haben. Das ist ein Problem, da bis zu 40.000 Lager existiert haben, welche dadurch nicht fachgerecht betreut werden können.
Dabei sind Denkmäler über das öffentliche Interesse definiert, was bedeutet, dass es sich bei den Überresten von Lagern um Denkmäler handelt, welche teils eben auch in der Bodendenkmalpflege betreut werden müssen. Das sieht allerdings nicht jede*r so, gerade weil oftmals rechte Stimmen in der Öffentlichkeit vertreten sind. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass diese Form der Archäologie weiter ausgebaut und gefördert werden muss, um das Wissen über die Zustände in den NS-Lager zu konservieren.
Das Duo referierte, welche Problematiken sich bei der Dokumentation von Hinterlassenschaften dieses noch sehr jungen Zeitalters ergeben. LiDAR-Scans und Luftbilder sind hierbei ihr wichtigstes Hilfsmittel. Auch Aussagen von Zeitzeug*innen oder Nachbar*innen können wichtig sein. Dabei zeigt sich aber ein grundsätzliches Problem: Die Erinnerung an die NS-Zeit weckt in der Regel negative Gefühle. Familiengeschichten und gesellschaftliche Diskurse werden aufgebrochen. Man muss sich zwangsläufig mit einem rechten Rand auseinandersetzen, und Orte des Terrors werden immer wieder Angriffsziel von antisemitischen und/oder rechtsgerichteten Gruppierungen.
Gleichzeitig ist das Wissen der Anwohner*innen oftmals enorm. Nicht selten kennen sie jeden Stein, oder besitzen alte Fotoalben. Es hat sich gezeigt, dass Aufrufe an die Nachbarschaft, zum Beispiel in örtlichen Vereinen, dazu führen, dass dieses Wissen der Forschung zur Verfügung gestellt wird. Beim Hinterfragen dieses Phänomens hat sich herausgestellt, dass die Menschen gefragt werden möchten, und oftmals auch nicht wissen, dass ihr Wissen für die Forschung relevant sein könnte.
Auch dieser Vortrag zeigte wiederum, dass Archäolog*innen anscheinend oftmals unsicher sind im Umgang mit Rechtsradikalen. Christian Bollacher erwähnte die Angst der Archäologie, dass man rechte Pilgerstätten erschaffen könnte. Natürlich sind solche Befürchtungen begründet, aber vor dem Thema die Augen zu verschließen, wird nicht zu einem guten wissenschaftlichen Umgang führen. Ich schließe daraus, dass es mehr Diskussionen zu diesem Thema bedarf, und dass Strategien des Umgangs erdacht werden sollten.
6. Marcus Cyron (Wikimedia Deutschland)
“Sharing Heritage in der Wikipedia: Das Internetlexikon und seine Schwesterprojekte als Global Player bei der weltweiten Dokumentation von Kulturgut”
Der Vortrag von Marcus Cyron widmete sich einem anderen Themenfeld. Er beschrieb die Onlineprojekte von Wikipedia und die dazugehörigen Projekten, die auf Bürger*innenbeteiligung basieren. Ein Anfang wurde 2010 in den Niederlanden gemacht, als der Fotowettbewerb „Wiki Loves Monuments“ ins Leben gerufen wurde. Dabei ging es darum, Bilder von Kulturdenkmalen zu sammeln. Der Fotowettbewerb hatte einen großen Zuspruch und wurde gut angenommen, sodass begonnen werden konnte, eine Bilddatenbank aufzubauen.
In Deutschland wird ebenfalls versucht, Denkmale online zu erfassen. Da der Denkmalschutz allerdings Ländersache ist, stellen die einzelnen Bundesländer unterschiedlich motiviert ihre Denkmallisten zur Veröffentlichung zur Verfügung. Baden-Württemberg beispielsweise lehnt es vollständig ab, Denkmallisten zu veröffentlichen, und auch die Zusammenarbeit in Niedersachsen ist problematisch. Ein Problem stellen oftmals illegale Sondengänger*innen dar, die diese Informationen nutzen könnten. Auf der anderen Seite hat sich in Österreich gezeigt, dass die Onlinelisten zum Teil um Denkmäler ergänzt wurden, die dem Denkmalamt selbst gar nicht bekannt gewesen sind. Die Arbeit dieser Form archäologischer Bürger*innenbeteiligung hatte also auch einen positiven Effekt für die Ämter.
Letztendlich stellt sich allerdings auch die Frage, wie sinnvoll es ist, zu jedem denkmalgeschützen Haus einen Wikipedia-Artikel zu verfassen. Und es ist auch eine noch offene Frage, wie Bodendenkmale in diesem Onlineformat gut dokumentiert werden können. Eine weitere Problematik stellen oftmals Bildrechte dar, die kompliziert sein können. Die Frage wer die Bildrechte eines Artefaktes in einem Museum dabei eigentlich besitzt, ist allerdings nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Frage. Im Sinne des eingangs erläuterten Menschenrechtes auf ein Recht an der Teilnahme am Kulturellen Erbe müssten diese Bilder im Grunde genommen allen gehören. Museen verhalten sich zu diesem Thema sehr unterschiedlich. Einige Museen stellen Bilder beispielsweise nur für nicht-kommerzielle Zwecke zur Verfügung. Die Definition von nicht-kommerziell ist hierbei allerdings so eng, dass Blogger*innen diese Bilder nicht nutzen können.
Der positive Gewinn einer Online-Enzyklopädie lässt sich nicht bestreiten. Es war sehr interessant zu hören, wie Wikipedia mit dem Feld der Archäologie derzeit umgeht, und welche Projekte sich bewährt haben. Menschen die sich daran beteiligen wollen, werden immer gesucht, teilte Marcus Cyron zum Abschluss noch mit. Dieser Vortrag hat gezeigt, das ehrenamtliche Archäologe ganz verschiedene Gesichter haben kann, und auch online stattfindet. Es ist eine von vielen Arten, sich mit Archäologie zu beschäftigen. Die Problematik besteht hierbei darin, die immensen Datenmengen die die Hinterlassenschaften der Geschichte darstellen, zu bearbeiten. Projekte wie diese sind also mehr als nur ambitioniert. Ich habe mich sehr über diesen Vortrag gefreut, denn normalerweise wirkt Wikipedia für die meisten Menschen wie ein ganz alltägliches Werkzeug, die Arbeit dahinter bleibt oft unsichtbar, es sei denn sie wird kritisiert.
7. Meicke Gerchow (Denkmalnetz Bayern)
Denkmalnetz in Bayern – Sechs Jahre Erfahrungen mit bürgerschaftlichem Engagement zum Schutz unseres baukulturellen Erbes
Ein weiteres Projekt, dass auf Bürger*innenbeteiligung basiert, stellte Meike Gerchow vor: das Denkmalnetz Bayern, dass sich überwiegend mit Baudenkmalpflege beschäftigt, und sich aus über 160 Bürger*inneninitiativen zusammensetzt. Im Laufe der Arbeit des Denkmalnetzes hat dieses 15 Forderungen gestellt, welche zur Verbesserung des Denkmalschutzes beitragen sollen. Diese bezogen sich auf verschiedene Themenbereiche, wie Bildung und Ausbildung, rechtliche Punkte, aber auch beispielsweise auf die Erwirkung eines höheren Personalschnitts in den entsprechenden Behörden. Tatsächlich wurden einige der Forderungen des Denkmalnetzes umgesetzt, beispielsweise die Beteiligung der Bürger*innen im Baudenkmalschutz. Das zeigt, welche politische Kraft Bürger*inneninitiativen haben können.
Meike Gerchow ging auch auf das Verhältnis zum Landesamt für Denkmalpflege ein. Denn einerseits kritisiert das Denkmalnetz das Landesamt in gewissen Punkten, auf der anderen Seite, brauchen sie es aber auch ganz dringend. Das Verhältnis ist also teilweise ambivalent. Die Erfahrung zeigt aber, dass es möglich ist, mit Protesten und Demonstrationen Denkmalschutz durchzusetzen. Es gibt Beispiele wo ein aberkannter Schutz wieder zugestanden wurde. Um solche Ziele zu erreichen, ist es aber unbedingt wichtig, die Strukturen des Denkmalschutzes zu kennen, um das Anliegen den richtigen Personen vorzulegen.
Auffällig ist dabei die Ambivalenz des Denkmalschutzes in einigen Regionen. In München wird nach dem Eindruck der Initiativen vor allem die Gründerzeit geschützt, während andere bauhistorische Epochen in den Hintergrund treten. Besonders verärgert es die Bürger*inneninitiativen, wenn denkmalwürdige Häuser abgerissen werden. Ein besonders einprägsames Beispiel ist der Abriss des Uhrmacherhäusl im Münchener Stadtteil Giesig. Der Abriss des denkmalgeschützten Hauses war illegal, und Anwohner*innen verständigten die Polizei, die diesen Abriss zunächst stoppte. Am Folgetag kamen allerdings wiederum Bauarbeiter*innen, die das Haus in wenigen Minuten den Erdboden gleich machten. Dieser Vorfall sorgte landesweit für einen Medienaufruhr. Derzeit besteht die Stadt darauf, dass der Eigentümer, der dies zu verantworten hat, das Haus wieder in den Urzustand zurück versetzen soll, auch wenn es nicht möglich ist, ein zerstörtes Denkmal wiederherzustellen. Es geht der Stadt dabei vor allem darum, dass der Eigentümer keinen Profit aus seinem Verhalten ziehen kann.
Zum Abschluss warb die Vertreterin des Denkmalnetzes dafür, dass immer neue Mitglieder gesucht würden, und wer sich interessiert, sich für den Denkmalschutz einzusetzen, der ist herzlich willkommen sich zu melden. Außerdem würden sie sich sich freuen, wenn sich in Zukunft auch Initiativen zum Thema Bodendenkmäler mit in ihren Reihen befinden würden.
Ich fand es an ihrem Vortrag total schön, zu sehen, wie Initiativen für Denkmäler und ihren Erhalt kämpfen. Auch wenn ich es kritisch betrachte, denn tatsächlich kann nicht jedes Denkmal erhalten werden, und nicht alles muss meiner Ansicht nach geschützt werden. Es braucht auch Raum für das Heute. Dennoch ist der Schutz und der Erhalt von historisch gewachsenen Strukturen und von Bau- und Bodendenkmälern unglaublich wichtig für das Verständnis des Menschen in seiner Umwelt, und in Raum und Zeit an sich. Das stößt natürlich auf Konflikte und löst unterschiedliche Meinungen aus. Spätestens an diesem Punkt kommt es immer wieder zu Differenzen zwischen Initiativen und Ämtern. Diese Gräben können sehr tief liegen. Gleichzeitig kann ich mich Meike Gerchow nur anschließen, dass die Ämter für die Initiativen unendlich wichtig sind. Mich würde es freuen, wenn es andersherum mehr Verständnis gebe, und die Ämter die Wichtigkeit und die Möglichkeiten der Initiativen entdecken würden, und diese Kontakte weiter ausbauen, und das Potenzial von ehrenamtlichen Denkmalpfleger*innen besser nutzen würden. Denn letztendlich wollen alle nur das Gleiche: einen guten Denkmalschutz gewährleisten.
8. Ulf Ickerodt (Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein)
Öffentlichkeit, Teilhabe und Geschichtskultur und deren föderale Umsetzung – Ein archäologisch-denkmalpflegerischer Kommentar aus Schleswig-Holstein zu einer akademischen Scheindebatte
Der Vortrag von Ulf Ickerodt holte den Rahmen der Tagung wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn neben all den tollen Initiativen, in denen sich Menschen beteiligen können, gibt es auch noch die Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten des Denkmalamtes. Das heißt im Speziellen, dass die besprochenen Belange auf rechtlichen Füßen stehen. Fachlich ist Bürger*innenbeteiligung oftmals eine Herausforderung. Diese ist meist an einen speziellen Zeitgeist gebunden. Heutzutage ist beispielsweise das Thema Umweltschutz sehr populär. Die Idee der Denkmalpflege entstand aber zeitgleich mit dem Aufkommen nationalistischer Gedanken. Auch dies ist bis heute ein Einfluss, der den Denkmalschutz innerhalb der Entscheidung was denkwürdig sei beeinflusst. Denkmalpflege bedeutet also nicht nur ein zum Teil zweifelhaftes Erbe anzutreten, sondern gleichzeitig in dem Bewusstsein zu handeln, dass die gesellschaftliche Endwicklung einem Diskurswandel unterliegt, welche Denkmäler aus immer wieder neuen Perspektiven betrachtet und andere Thematiken fokussiert. Ulf Ickerodt setze diese Problematik in Zusammenhang mit dem Dunnig-Krüger-Effekt. Dieser beschreibt die eigene Selbstüberschätzung, bei gleichzeitiger Herabsetzung anderer Menschen und habe einen Effekt auf die Arbeit der Denkmalpflege, gerade auch in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Archäolog*innen.
Im Folgenden stellte Ulf Ickerodt die Struktur des Landesamtes Schleswig Holstein vor. Diese steht auf der Basis, dass alle Entscheidungen transparent sein müssen, und dass eine Informationspflicht besteht. Dies wird mit dem Rechtsstaatsprinzip bezeichnet. Es versichert, dass jede Entscheidung rechtlich überprüfbar sein muss. Es gibt Normen, nach denen gearbeitet werden muss, und „manche Kollegen wissen das.“ Erklärte Ickerodt. Die genauere Differenzierung und Strukturierung von Ämtern und Gremien unterscheiden sich regional, da die Denkmalpflege auf Länderebene geregelt ist. Damit sind auch die Zuständigkeiten unterschiedlich geregelt.
Ein Problem sieht Ulf Ickerodt an der Stelle, dass nicht alle Menschen welche in Gremien sitzen, einen entsprechenden archäologischen Sachverstand haben. Die letztendliche Endscheidung, was eine Gesetzesgrundlage wird, wird auf der Kultusministerkonferenz gefällt. Bei den Kultusminister*innen handelt es sich allerdings eher selten um Menschen mit einer archäologischen Fachausbildung, so dass auch diesen Menschen ein gewisses Grundwissen fehlt.
Einen Unterschied machte Ulf Ickerodt zwischen Denkmalschutz und Denkmalpflege. Denkmalschutz ist der Bereich, wo in Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird. Denkmalpflege seien die Aktivitäten, welche auf freiwilliger Basis geschehen würden. Dabei ist es möglich, für ehrenamtliche Forscher*innen oder auch Sondengänger*innen Genehmigungen für eigene Forschungen einzuholen. Diese Genehmigungen werden in der Regel erteilt. Stellt sich bei bestimmten Personen allerdings heraus, dass sie für die Forschung ungeeignet sind, kann es passieren, dass ihnen keine weiteren Genehmigungen mehr erteilt werden. So ein Verhalten kann zum Beispiel das Forschen ohne Genehmigung sein, oder aber auch das Beschädigen oder Unterschlagen von Kulturdenkmalen.
Die Frage die sich schlussendlich stellt ist: wie gestaltet ein Landesamt die Bürger*innenbeteiligung richtig? Letztlich unterliegen diese Prozesse einem rechtlichen Rahmen welcher besagt, dass jede natürliche und rechtliche Person sich an dern der Denkmalpflegeund an der Raumplanung beteiligen darf. Das bedeutet, dass jede Person, die sich meldet, an den Prozessen zu beteiligen ist. Aber im Grunde ist diese Struktur eine Alibistrukur, weil Stimmen die sich nicht melden, auch nicht angehört werden. Das bedeutet, dass diejenigen welche nicht von diesen Strukturen wissen, und nicht über die entsprechenden Sitzungen informiert sind, auch nicht partizipieren können.
Zusammengefasst finde ich es interessant die Rahmenbedingungen, in denen Ämter agieren können, näher zu kennen, und begrüße es, dass Ulf Ickerodt auch die Problematik der Alibibürger*innenbeteiligung benannt hat. Meiner Auffassung nach ist es einer der wichtigsten Baustellen der aktuellen Gesellschaft, Bürger*innenbeteiligung in bestimmten Bereichen weiter zu fördern. Gerade Themen wie Denkmalschutz und Raumplanung können zu massiven Veränderungen im Wohnumfeld von Menschen führen. Geschieht dies über ihre Köpfe hinweg, kann es zu einem Gefühl der Entfremdung für die Menschen kommen. Das ist das Gefühl einer Form absoluter Fremdbestimmung. Dies kann unnötige Konflikte hervorrufen.
9. Sophie Hüglin (European Association of Archaeologist)
Bewertende Abgrenzung oder begleitende Abwägung: der widersprüchliche Umgang mit dem kulturellen Erbe im 21. Jahrhundert
Der Vortrag von Sophie Hüglin erweiterte diesen Blickwinkel, in dem sie thematisierte, dass europäisch betrachtet das Verständnis von Denkmalschutz und Denkmälern sehr unterschiedlich wahrgenommen und umgesetzt wird. Oft handelt es sich dabei zu einen um verschiedene Ideen von Identitätsbezügen auf Denkmäler bis hin zu anderen Diskursen, welche dazu führen, dass sich das Verständnis von Denkmälern, also davon, was Denkmäler eigentlich sind, unterscheidet.
Beispielhaft führte sie an, dass Denkmäler und Natur im Angelsächsischen Raum nicht in dem Sinne getrennt gedacht werden, wie es im deutschsprachigen Raum der Fall ist. Umweltschutz und Archäologie sind von daher in Schottland in einer Behörde zusammengefasst. Landschaft und historische Landschaft werden dabei weniger voneinander abgegrenzt betrachtet, als vielmehr ein Zusammenhang begriffen. Diese Idee ist auch in diesem Sinne stimmig, da in der Wahrnehmung von Archäolog*innen im Grunde genommen alles Kultur ist. Diese Wahrnehmung wird aber von den meisten Nicht-Archäolog*innen in Deutschland nicht geteilt, da sie Natur und kulturelles Verhalten nicht in einem Zusammenhang sehen.
Dabei ist dieser Gedanke durchaus naheliegend. Gerade neuere Methoden wie LiDAR-Scans zeigen oft den Zusammenhang zwischen Mensch und Natur, da dieser die Landschaft nachhaltig geprägt hat. Der Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Kulturgüterschutz bringt Hüglin auf die Idee, dass man die Grundlagen des Denkmalschutzes rechtlich anders umsetzen könnte. Sie wirft ein, dass es für den Denkmalschutz eine Art Kompensation geben könnte, wie es im Umweltschutz der Fall ist. Wie sie sich diese Idee genauer vorstellt, hat sie leider nicht erläutert. Auch wenn es sicher spannend wäre, diesen Gedanken etwas weiter zu denken.
Generell ist der Gedanke, das Denkmäler erhaltenswert sind ein kulturell bedingtes Phänomen. Andere Kulturen in anderen Regionen der Welt haben andere Gedanken dazu. Die Frage, ob etwas beispielsweise unverändert bleiben muss,wird oft ganz unterschiedlich betrachtet. . In Japan gibt es beispielsweise lebende Denkmäler. Es handelt sich um Personen, welche bestimmte Tätigkeiten ausüben, die als Denkmal angesehen werden. Die Denkmalwürdigkeit bezieht sich in diesem Sinne auf diese Aktivität an sich.
Der Beitrag von Sophie Hüglin hat mir gezeigt, dass wir beim Denkmalschutz im Grunde genommen über einen gesellschaftlich verankerten Diskurs reden, welcher sich wie alle Diskurse immer wieder verändern wird. Die Frage danach, was also ein Denkmal und was schützenswert ist, und wie dies wahrgenommen wird, sollte also immer neu gestellt werden, und auch immer neu hinterfragt werden, in welchem Sinnzusammenhang die Archäologie sich eigentlich bewegt. In diesem Sinne ist Bürger*innenbeteiligung umso wichtiger, denn diese bringt einen fachexternen Blick auf eine solche zeitgeistabhängige Fragestellung mit. Diese würde sich vielleicht nicht von alleine innerhalb der archäologischen Strukturen stellen, denn die Vorstellungen innerhalb der fach-internen Kreise sind oftmals sehr deckungsgleich.
10. Jens Crueger (Digital-Historiker und Landtagsabgeordneter (SPD) in Bremen)
Öffentliche Beteiligung beginnt mit öffentlicher Sensibilisierung. Der Natur-, Arten- und Tierschutz als Beispiel für den Kulturgüterschutz.
Die Idee Naturschutz mit Archäologie zu verbinden fand sich auch im Vortrag von Jens Crueger wieder. Er argumentierte, dass sich eine breitere Argumentationsbasis ergibt wenn man Natur und Kulturschutz miteinander verbindet. Dabei ist die Frage, an welcher Stelle man über Natur, und an welcher man über Kultur redet, ohnehin eine philosophische. Die Analyse der Funktionalität von Argumentationsstrukturen hat dabei gezeigt, dass es im öffentlichen Bewusstsein bestimmte Punkte gibt, welche eine besonders starke Argumentationskraft haben. Dazu gehören Schönheit, Vielfalt oder Generationengerechtigkeit. Von solchen aus dem Natur- und Tierschutz kommenden Beobachtungen und Erhebungen kann der Kulturgüterschutz nicht nur lernen, sondern ebenso profitieren.
Die Beobachtungen zeigen, dass Menschen lieber tätig sein wollen, indem sie z.B. Bäume pflanzen, als sich argumentativ in einen politischen Prozess einzubringen oder eine Petition zu unterschreiben. Aus dieser Erkenntnis heraus könnte die Bürger*innenbeteiligung als aktives Moment in der Forschung gedacht werden, welches sich positiv auf die Archäologie auswirkt. Der Naturschutz zeigt auch, dass es möglich ist, ethische Konflikte öffentlich auszutragen und damit Diskussionen anzuregen.
Außerdem können Archäolog*innen von Naturschützer*innen lernen. Hierzu beschreibt Jens Crueger einige Analogien. Beispielsweise gibt es Rückzüchtungen von ausgestorbenen Tierarten. Dies ist auf interessante Weise damit vergleichbar, dass Teile des zerstörten Palmyra mit dem 3D-Drucker neu ausgedruckt wurden.
Der Einblick, den Jens Crueger uns auf der Tagung zum Thema Umweltschutz gegeben hat, war erfrischend und interessant. Die Argumente und Ideen, wie die Archäologie vom Umweltschutz lernen kann, sind dabei sehr einprägsam und hilfreich gewesen. Ich fand es allerdings schade, dass er sich soviel auf Umfragen gestützt hat. Klar spiegeln diese in gewisser Weise immer das öffentliche Interesse wieder, und klar sollte die Archäologie im öffentlichen Interesse handeln. Aber das ist auch eben oft widersprüchlich, und es ist nicht möglich alle glücklich zu machen. Sich zu viel auf Umfragen zu verlassen, kann zu einem Profilverlust führen, und dazu ein Fähnchen im Wind zu werden. Die Archäologie ist aber eine Wissenschaft, die streitbar ist, und auch bleiben muss, da sich in vergangen Kulturen Diskurse ohnehin schon ausgiebig manifestieren. Andererseits kann das reine Ausrichten an Mehrheitsumfragen zum dauerhaften Übergehen von Minderheiten führen, was ebenfalls Konflikte mit sich bringt. Diese Herangehensweise würde ich also ungern auf die Archäologie übertragen.
Diskussion
Die abschließende Diskussion verlief in drei Kleingruppen vor dem Haus bei strahlendem Sonnenschein. Auf diesen Teil der Tagung hatte ich mich besonders gefreut, da die Diskussion auf Augenhöhe mit so vielen versammelten Wissenschaftler*innen sehr selten stattfindet. Schade war nur, dass es nur diese eine Diskussionsrunde gab, und das diese sehr kurz war.

Eine der Diskussionsfragen
Das Worldcafé verlief in drei Runden mit drei Themenblöcken. Es war interessant zu beobachten, dass in der entspannten Atmosphäre verschiedene Diskussionsstile entstanden sind. Besonders aufgefallen ist mir die Rededominanz von Männern in einer überwiegend von Frauen besetzten Gruppe. In eher durchmischten Gruppen war dieses Phänomen eher ausgeglichen. Ansonsten war die Stimmung bei den Diskussionen entspannt, alle Teilnehmer*innen jeden “Ranges” redeten auf Augenhöhe miteinander, und genossen dabei gemeinsam das schöne Wetter. Interessant war, dass in den Diskussionen zu den drei verschiedenen Themen die immer gleiche Thematik im Fokus stand: die Kommunikationsfähigkeit zwischen Archäologie und Öffentlichkeit. Und zwar auf ganz verschiedenen Ebenen: Wie kommuniziert man richtig mit Sondengänger*innen? Wie geht man mit Konflikt und Widerstand im Denkmalschutz um? Welchen Mehrwert hat die Archäologie für die*den unbedarften Bürger*in? Welche Wünsche haben Archäolog*innen an Bürger*innen?
Die ganze Tagung schien sich in der Abschlussdiskussion darauf zu verdichten, dass dringend darüber geredet werden muss, wie eine gute Kommunikation eigentlich gestaltet werden kann. Einen besonders wichtigen Punkt brachte dabei Pascal Geier ein, der, genauso wie ich vor ein paar Wochen, das Thema Faszination an dieser Stelle in den Mittelpunkt seiner Argumentation rückte. Ich fand seine Aussagen so interessant, dass ich ihn dafür gewinnen konnte, einen Gastbeitrag zu verfassen, der sich mit der Frage beschäftigt: Wie transformieren wir Faszination in wissenschaftliches Interesse. Ebenfalls habe ich den Vortrag über das UNESCO-Weltkulturerbe Starnberger See in einem gesonderten Artikel behandelt, denn dieses Kulturerbe haben wir am Ende der Tagung gemeinsam besucht, und es lohnt sich einen näheren Blick darauf zu werfen.
Was habe ich auf der Tagung vermisst?

Der wichtigste Ort einer Tagung ist meistens der Kaffeestand.
Kommunikation ist tatsächlich etwas, dass ich auf dieser Tagung vermisst habe. Denn tatsächlich wurde viel darüber geredet und es waren auch ehrenamtliche Archäolog*innen eingeladen sowie das Bayrische Denkmalnetz. Aber letztendlich sind wirklich betroffene Personen, die oft auch eine Wut auf den Denkmalschutz haben, nicht bei der Tagung dabei gewesen. Der Vortrag von Carmen Löw ist in dieser Hinsicht besonders erwähnenswert. Sie hat sich sehr bemüht, die Position der Betroffenen nachzuvollziehen, und ihre Aufgabe dabei sehr gut gemacht. Tatsächlich wurde allerdings wieder nur über die Menschen aus Hallstatt geredet, und nicht mit ihnen. Was sind ihre Gedanken und Gefühle?
Wenn wir das Fazit aus der Tagung nehmen, besser kommunizieren lernen zu müssen, dann gehört dazu auch und vor allem das Zuhören. Damit dies geschieht, wäre es aber notwendig gewesen, diese Menschen irgendwie zu erreichen und einzubinden. Das ist sicherlich sehr schwer. Aber solch ein Vortrag von Menschen, die wirklich schlechte Erfahrungen mit ihrem Einsatz für ein Kulturerbe gemacht haben, hätte die Tagung mit Sicherheit bereichern können.
Darüber hinaus gibt es eben solche Denkmale, die nicht nur umkämpft sind von Initiativen, sondern selbst ein Politikum sind. Denkmalschutz ist eben immer auch politisch. Deswegen ist auch die Bürger*innenbeteiligung am kulturellen Erbe politisch. Dieses Phänomen wurde zwar immer wieder angerissen, aber wirklich diskutiert oder analysiert wurde es leider nicht. Betrachtet man dies aber mit der offenkündigen Notwendigkeit zu einer besseren Kommunikation, ist es unumgehbar sich mit dieser Problematik zu beschäftigen.
Ein weiteres Feld, was nicht angerissen wurde ist die Bürger*innenbeteiligung an der Erforschung kultureller Stätten im Ausland. Es gibt zahlreiche Projekte deutscher Archäolog*innen, die im Ausland durchgeführt werden. In der Regel handelt es sich um Ausgrabungen. Wie funktioniert dort die Einbindung der Bevölkerung in den wissenschaftliche Prozess? Gibt es das überhaupt? Und wie kann man dies umsetzen in Hinblick auf koloniale Strukturen, welche sich dabei auf psychologischer Ebene wiederholen können? Betrachten andere Kulturen, in deren Umfeld Archäolog*innen forschen, unsere Arbeit überhaupt als wertvoll für sich? Und welchen Effekt hat diese Arbeit auf die dort ansässige Bevölkerung? Was machen wir, wenn wir Fundplätze von noch existierenden Kulturen finden? Oder Kulturen welche offenbar gar nicht erforscht werden wollen? Wie ist der richtige Umgang mit diesen Fragen? Gibt es drauf überhaupt Antworten?
Zu diesem Thema hätte ich mir einen oder gleich mehre Vorträge gewünscht. Vielleicht eine ganze Fachtagung zu postkolonialem Verhalten. Dass dies gar nicht diskutiert wurde ist sehr schade, aber die Zukunft ist ja bislang ungeschrieben, und vielleicht gibt es ja in der Zukunft einen Ort wo ich diese Gedanken diskutieren kann.
Was war problematisch an der Tagung?
Diskussionen wurden oftmals erst beim Abendprogramm in ungezwungener Atmosphäre geführt. Im Vorhinein hatte ich diesbezüglich Bedenken geäußert. Ich befürchtete, dass es ernährungstechnisch schwierig für mich werden würde, weil vmtl. niemand an Vegetarier*innen wie mich gedacht hat. Außerdem befürchtete ich, dass ich komplett genervt sein würde als strikte Anti-Alkoholikerin umringt von betrunkenen Leuten im Biergärten.
Zwar durfte ich mir schon den ein oder anderen Rüffel anhören, weil ich diese Befürchtung lautstark geäußert habe. Tatsächlich aber haben sich meine Vorurteile über München vollständig bestätigt. Auch wenn ich ein paar kleine Ecken gefunden habe an denen es anders war, werde ich mich auch in Zukunft nicht freiwillig in diese Stadt bewegen. Denn tatsächlich sprengten die ausgesuchten Restaurants meinen Geldbeutel. Gleich der erste Abend begann mit der Erkenntnis, dass die vegetarischen Gerichte in dieser Stadt offenbar genau so teuer sind wie die Fleischgerichte, aber dass die Portionen halb so groß sind, so dass man sich gleich mehrfach etwas bestellen muss, um satt zu werden. In Folge dessen war es mir die restlichen Abende nicht mehr möglich, gemeinsam mit den anderen Archäolog*innen zu essen. Ich ging zwar hin, bestellte mir aber nur ein Getränk und blickte mit knurrendem Magen auf die Teller der Menschen um mich herum.
Neben dieser Erfahrung erstaunte mich die Teilnehmer*innenzahl. Tatsächlich hatte die Tagung sehr viel weniger Teilnehmer*innen als ich erwartet hätte, und ich frage vor allem, warum so wenig Münchener Student*innen an dieser Tagung teilgenommen haben. Für sie wäre es sicher ein wichtiger Ort gewesen, sich weiter zu bilden und zu vernetzen. Außerdem hätte ich gerne viele von ihnen auf der Tagung kennengelernt.
Aber auch aus anderen Städten kamen weniger Menschen als ich es mir erhofft hatte. Tatsächlich fragte ich relativ viele Studierende an meiner Uni. Einige sind zwar gekommen, aber die meisten winkten ab. Die gängigen Argumente waren: „Das ist zu weit weg!“, „Das liegt am anderen Ende der Republik, wie soll ich da hin kommen, die Fahrt ist zu teuer!“ Oder generell: „München ist zu teuer, wo soll ich da schlafen, das kann ich mir nicht leisten!“ Ich denke es ist in Problem, wenn eine Tagung zum Thema Bürger*innenbeteiligung in einem Rahmen organisiert ist, der tatsächlich bestimmte Gruppen so fast komplett ausschließt.
Im Vorhinein hatte ich in meinem Artikel unter dem gleichen Argument die Kinderbetreuung erwähnt. Tatsächlich meldeten sich zwei Mütter bei mir. Eine konnte sich Unterstützung organisieren, die Andere wäre gerne gekommen, konnte aber leider keine Kinderbetreuung für dieses Wochenende auftreiben. Das finde ich sehr schade, ist aber leider ein grundsätzliches Problem in dieser Gesellschaft. Und auch wenn es sämtliche Institutionen nervt, werde ich diesen Punkt immer wieder erwähnen, denn ich bin für eine Gesellschaft, an der alleinerziehende Mütter partizipieren können und Kinder einen Platz haben.
Vermutlich hätte die Kinderbetreuung in diesem Fall nur zur Teilnahme einer weiteren Person geführt. Ich frage mich dennoch, warum nicht mehr Menschen dem Aufruf nach München zu kommen gefolgt sind? Letztendlich handelt es sich um ein wichtiges Thema der zukünftigen Archäologie, und Bürger*innenbeteiligung bedeutet auch immer, dass es um viele Menschen geht, welche sich gerne engagieren, oder engagieren möchten. Die Frage ist, in wieweit diese Bevölkerungsgruppen mit einer Institution wie der DGUF erreicht werden können. Schön wäre es dennoch gewesen, mehr Diversität im Publikum vertreten zu haben.
Eine Enttäuschung war für mich außerdem der Abendvortrag von Harald Schulze von der Archäologischen Staatssammlung München. Bei meinem Ranking, warum ich zur Tagung nach München fahre, war dieser Vortrag tatsächlich auf Platz 3 gelandet. Im Nachhinein betrachtet würde ich ihn nicht einmal mehr auf den letzten Platz setzen. Nicht nur, dass der Vortrag in gewisser Weise sehr oberflächlich war, auch das geringe politische Standing und die schwache Reflexion politischer Zusammenhänge verstörte mich in diesem Zusammenhang. Schulze endete seinen Vortrag mit der Feststellung, dass er sich lieber an Gesetze halte, als an Moral zu denken. Solch eine extrem problematische Einstellung kann ich bei einem so wichtigen Themenfeld wie der Provenienzforschung nicht nachvollziehen.
Es ist Bestandteil einer aufgeklärten Gesellschaft, ihre koloniale und menschenverachtenden Vergangenheit aufzuarbeiten. Dies geschieht aber vor allem durch Reflexion und nicht durch das Zurückziehen auf eine Gesetzeslage. Gerade Provenienzforschung ist immer moralisch, sie bewegt sich in komplizierten politischen Strukturen. Natürlich ist das schwierig. Natürlich muss man dabei Stellung beziehen, und natürlich reiben sich andere Menschen an den Entscheidungen, und Entscheidungen sind streitbar und nicht zwangsläufig populär. Die Arbeit, die hier geleistet werden muss, ist politisch filigran und facettenreich und erfordert eine große Menge an Fingerspitzengefühl und Awareness gegenüber den Vorstellungen und Interessen anderer Kulturen. Das ist Bestandteil jeder Aufgabe, die in einem politischen Kontext steht, vorausgesetzt die politische Aufgabe wird mit Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein erfüllt. Ein Zurückziehen auf vermeintlich sichere gesetzliche Positionen ist von daher zu einfach und in postiver Formulierung zumindest grob fahrlässig. Hier hätte nicht nur ich mir ein deutlich stärkeres Bewusstsein für die damit in Verbindung stehenden Interessen und Probleme gewünscht – gerade weil es sich um den offiziellen Abendvortrag handelte.

Und was bleibt am Ende von der Tagung, außer ein verlassener Tagungsraum?
Abschließend muss ich sagen, dass ich es sehr schade fand, dass sich die Vorträge immer wieder auf Identitätskonzepte bezogen haben, diese aber weder definiert noch kritisch hinterfragt wurden. Identitäten wurden durchweg als Positivum betrachtet, mithilfe derer man Menschen dazu bewegen kann, sich für ein Denkmal einzusetzen. Dinge wie Ortsbezug und Herkunft wurden dabei in den Vordergrund gestellt. Das dies zu einer unguten Form des Lokalpatriotismus und Herrenmenschendenken im Sinne nationalistischer Überhöhung und Faschismus führen kann, wurde dabei nicht gesehen. Dabei ist diese Reflexion vermutlich eine der wichtigsten in der heutigen Zeit, und es bedarf dringend Konzepte und Möglichkeiten im Umgang mit dieser Problematik. Deswegen möchte ich nochmals für einen zweiten Teil der Tagung „Odin mit uns!“ – Fachtagung zu Wikingerkult und Rechtsextremismus plädieren
Was sollten Archäolog*innen von dieser Tagung mitnehmen?
Hier stellt sich nun aber die Frage, was hat diese Tagung für ein Ergebnis zu verzeichnen, was sind die Dinge, die besprochen wurden, die besonders aufgefallen sind, und die die Fachwelt zum Anlass nehmen sollte sich an dieser Stelle weiter zu entwickeln?
Zum einen ist klar geworden, dass es Archäolog*innen, und auch archäologische Institutionen gibt, die sich der Bedeutung und der Kraft von Civil Science nicht bewusst sind. Das frustriert zum einen die Menschen die sich gerne engagieren möchten, und auf der anderen Seite diejenigen, die sich durch ehrenamtliche Archäolog*innen gestört fühlen. Dabei ist es möglich, dass es eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit gibt, von der alle profitieren.
Dies ist vor allem wichtig bei der Beantwortung einer Frage, die in der Fachwelt eher selten diskutiert wird, die aber aus Sicht von Steuerzahler*innen, welche immerhin die Denkmalämter bezahlen, durchaus relevant ist. Die Frage ist: was ist Archäologie? und wozu brauchen wir das eigentlich?
Ein gut organisiertes und ausgebautes Engagement der Bürger*innen könnte auf dieser Ebene vielfach zu einer Stärkung des Faches führen. Problematiken könnten vor einer breiteren Öffentlichkeit thematisiert werden. Hierzu bedarf es, und das ist die vermutlich wichtigste Erkenntnis, die sich aus dieser Tagung heraus ableiten lässt: noch mehr Kommunikationskompetenz. In dieser Hinsicht würde es mich sehr freuen, wenn in Zukunft mehr über Kommunikation geredet wird, und dass Möglichkeiten geschaffen werden, wie Archäolog*innen die Kommunikation mit Bürger*innen verbessern können. Den diese Kompetenz macht das Fach zukunftsfähig.
Pingback: 10 Gründe warum Du zur #DGUF2018-Tagung nach München fahren solltest | Miss Jones
Hallo Miss Jones,
danke für den ausführlichen Beitrag zu einer Tagung, die ich gerne besucht hätte (war aber auf Forschungsreise)! Eine Verständnisfrage habe ich: Du schreibst: “letztendlich sind wirklich betroffene Personen, die oft auch eine Wut auf den Denkmalschutz haben, nicht zu Wort gekommen”. Das verstehe ich so, dass diese Gruppen gerne was gesagt hätten, aber nicht durften. Wie hat die DEGUF diese denn ferngehalten, denn das wäre ja wirklich der Hammer, wenn es so gelaufen wäre. Oder haben Andere so viel geredet und man hörte den Betroffenen gar nicht zu?
Deine Wünsche, was es auf der Tagung auch noch alles hätte geben sollen – mehr Themen, mehr Betroffene, mehr Zeit für Debatten – erscheinen mir zwar nachfühlbar, aber irgendwie auch naiv. Wenn ich das Programm anschaue, sind die beiden Tage doch voll mit Themen. Hätte man um 8 Uhr anfangen müssen? (echte Frage) Wenn Du eine Tagung organisierst, lädst Du Leute als Redner ein, und Andere melden sich von sich aus. Wenn die Vorschläge dieser zweiten Gruppe nicht schlecht sind, musst Du die meist annehmen (alles andere wäre unverschämt). Jetzt hat sich halt mutmaßlich aus den Themen, die Dir fehlen, niemand gemeldet. Was soll man denn dann konkret tun?
Liebe Grüße
Katja
Hallo liebe Katja!
Ersteinmal dankeschön für deine ausführliche Kritik, ich habe mich sehr gefreut sie zu lesen.
Und ja, natürlich ist mir klar, dass das zum Teil utopische Vorstellungen sind, deswegen wünsche ich mir zu einzelnen Themen ja noch weiterführende Tagungen. Weil alles kann man natürlich nicht bearbeiten. Und tatsächlich war diese Tagung sehr Umfassend, und enthielt sehr viele Blickwinkel.
Mit den Menschen die eine Wut haben, meine ich tatsächlich Menschen, die in Bürgerinitiativen sitzen, denen kein Gehör geschenkt wird, und die deswegen das Vertrauen in Institutionen schon lange verloren haben. Diese werden vermutlich nicht von einem “Call for Papers” von der DGUF erreicht, und selbst wenn, hätten sie vmtl. kein Vertrauen, und nicht das Wissen über die Möglichkeiten die eine Diskussion an dieser Stelle eröffnen könnte.
Trotzdem hätte ich es spannend gefunden, solche Menschen anzuhören. Vielleicht hätte man sie finden können, wenn man entsprechende Initiativen (die meisten haben ja eine Homepage) direkt anschreibt, und etwas Überzeugungsarbeit leistet. Es ist also tatsächlich schwierig einen Einblick in diese Perspektive zu bekommen. Aber es ist denke ich sehr wichtig, weil man an Fällen die so richtig schief gelaufen sind vmtl. am besten lernt, wie es in der Zukunft besser laufen kann.
Das sich das so liest als hätte die DGUF die Menschen direkt abgehalten war nicht beabsichtigt, und auch nicht gemeint. Gemeint war, dass kein*e Vertreter*in einer solchen Gruppe anwesend gewesen ist. Ich werde den Artikel daraufhin noch einmal überprüfen, und bedanke mich für diesen Hinweis.
HI, “Miss Jones” und Katja,
super, dass es hier eine echte Diskussion gibt. Also will ich auch gerne kommentieren.
Zuerst mal eine Verständnisfrage, Du schreibst: (ich) ” Twitterte die Inhalte für euch unter #DGUF2018″ – das verstehe ich so, dass Du während der Konferenz den Twitterkanal der DGUF übernahmst. Right?
Ich finde, Miss Jones, Du hast ein paar echt harte Art und Weisen, Deine Kritik auszudrücken, drin. Wäre ich der Redner zum Abend, wäre ich schon geschockt. Ich habe den Vortrag nicht gehört, da bin ich ganz ehrlich, und vielleicht war er wirklich nicht gut. Aber die Worte, mit denen Du das ausdrückst, “Im Nachhinein betrachtet würde ich ihn nicht einmal mehr auf den letzten Platz setzen”, finde ich hart.
Danke für das ausführliche Beschreiben vieler Vorträge, das ist total interessant! Ich ärgere mich, dass ich zu träge war, um zu kommen.
Ich verstehe, was Du meinst, wenn Du Katja antwortest, dass Dir klar ist, dass man vieles Inhaltliche gar nicht hätte auf der Tagung unterbringen können. Das ist eine superwichtige Ergänzung. Mir ging es beim Lesen Deiner Rezension nämlich genau wie ihr, dass ich das als Kritik an der Tagung verstanden habe. Vielleicht als Tipp: Wenn Du selbst schon findest, etwas sei vermutlich gar nicht leistbar gewesen, dann sage das doch deutlicher. Auch Dein München-Hating: Hast Du denn mal gefragt, warum der Ort rausgesucht wurde? Vielleicht (?) gab es dafür gute Gründe. Oder meinst Du echt, dass man nie eine Tagung in München abhalten sollte? Du klingst für mich im Text fast so, als hätte bestimmte Zielgruppen rausgehalten werden sollen. Ich kenne keine Veranstaltung, wo man nicht noch hätte tollere Redner, besseren Service, einen netteren Ort uvm. hätte raussuchen können. Vielleicht gab’s ja Gründe, dass das nicht ging. Vielleicht hätten solche Redner Honorare oder die Erstattung ihrer Reisekosten gefordert, und das hätte wiederum bedeutet, dass man das auf die Tagungsgebühren umlegen hätte müssen. Oder die Tagungsorganisatoren haben sowas halt nicht mehr geschafft (die DGUF arbeitet ehrenamtlich). Ich weiß es alles nicht. Du kritisierst Punkte im Vorfeld und im Nachhinein, aber hast die ganze Zeit wohl nicht dazu genutzt, die Organisatoren mal zu fragen, warum etwas so und nicht anders war. Mich hätte das jedenfalls echt interessiert.
Du hast schätzungsweise die Punkte, die Du an den Vorträgen kritisierst (beispielsweise, dass Identitätskonzepte weder definiert noch kritisch hinterfragt wurden) in den Diskussionen angesprochen. Was haben die Redner denn dann geantwortet? Gab es da Einsicht, haben die von Dir was gelernt? Das würde mich noch total interessieren.
Und vielen lieben Dank für Deine Arbeit mit diesem Blog!
Rebekka
Guten Tag Rebekka!
Ich möchte mich auch bei dir bedanken, denn echte Kritik zu bekommen und kein getrolle, ist tatsächlich etwas was im Internet nicht mehr so weit Verbreitet scheint.
Einmal kurz zum #DGUF2018. Ich habe nicht mit dem Account der DGUF gearbeitet, sondern als Miss Jones den #DGUF2018 mit Inhalt gefüttert. Du kannst alles auf Twitter nachsehen. Dazu brauchst du nur #DGUF2018 bei Twitter in der oberen Leiste eingeben.
Und das mit dem nichtmal auf den letzten platz bezieht sich auf eine Liste die ich angefertigt habe über Gründe nach München zu fahren. Diese kannst du unter: https://www.miss-jones.de/2018/04/02/10-gruende-warum-du-zur-dguf2018-tagung-nach-muenchen-fahren-solltest/ nachlesen. Also so aus meiner Perspektive würde ich kein zweites mal über 600 Km weit fahren, um diesen Vortrag zu hören. Aber es gab ja genug andere Gründe, und es hat sich trotzdem gelohnt.
Und wenn du dieses Jahr zu träge gewesen bist, nächstes Jahr trifft sich die DGUF in Bonn. Das ist etwas zentraler, und besser zu erreichen. Vielleicht bist du ja dann mit dabei!
… und was München angeht. Ich finde München tatsächlich einfach nicht wirklich toll. Es ist tatsächlich so, dass man wohl näher an Österreich heran wollte um es einigen Rednern leichter zu machen anzureisen. Aber da hätte man sich auch auf halben weg treffen können, wenn man mich fragt, und nicht quasi schon in ihrem Vorgarten. Wenn man so versucht hat die Tagungsgebühren kleiner zu halten, ist das eine Milchmädchenrechnung, denn so waren die Reisekosten dann halt höher, für die Tagungsteilnehmer. Das kommt aufs gleiche heraus. Mit dem Plus, dass die Lebensmittel- und Getränkepreise aus meiner Perspektive einfach doppelt, bis zu vierfach so hoch wahren wie in der Umgebung in der ich lebe. Es war zusammengefasst einfach ein teures Vergnügen!
Was das Nachfragen an ging, war ich in einer eher doofen Situation. Ich habe die ganze Zeit ein handschriftliches Protokoll geschrieben, gleichzeitig ein Digitales auf Twitter, gleichzeitig noch mit dem Fotografen kommuniziert, gleichzeitig Twitter und FB-Einträge Moderiert bzw. Onlinenachfragen beantwortet. Das hat dazu geführt, dass ich meistens so beschäftigt war, dass ich mit dem Protokoll in dem Moment fertig war, wo die Fragerunde beendet war. Die Inhalte habe ich selber in meinem Gehirn zu dem Zeitpunkt gar nicht eingespeichert, sondern direkt aufs Papier geschrieben. Ich wusste erst wieder worum es ging, als ich zu Hause dann meine Notizen durchgelesen habe. Dem entsprechend habe ich mich leider gar nicht selber an den Diskussionen beteiligen können, sondern habe diese stattdessen Dokumentiert. Dazu ist zu sagen, dass die Diskussionen oft sehr kurz ausgefallen sind, und das ich mich währenddessen schon über mich geärgert habe, dass ich in meine Multitaskingfähigkeiten keine weitere Fähigkeit mehr einbauen konnte.
Besonders überrascht war ich wie oft sich das Thema Identität in meinen Notizen befand. Das ist ein Phänomen, dass sich durch die ganze Tagung zog, dass dann nur ein*er Redner*in als Frage zu stellen, wäre auch in gewisser weise unfair gewesen, weil man sie*ihn dann dafür Verantwortlich gemacht hätte, was in den anderen Vorträgen mit vorgekommen ist. Aber ich wollte das nicht unerwähnt lassen, weil es tatsächlich auffällig ist.
Ich bedanke mich für diese Kritik, und hoffe deine Fragen weitestgehend beantwortet zu haben.
MFG Miss Jones
Liebe Miss Jones,
Wir freuen uns sehr, dass Sie da gewesen sind und mit Ihren ausführlichen Blogposts sowie Ihren Tweets unsere Tagung bereichert haben. Auch freuen wir uns, durch konstruktive Kritik zu lernen, denn besser zu werden, ist uns wichtig. Und wir danken Ihnen auch für alles Lob! 🙂
Richtig ist, dass wir als ehrenamtlich tätiger Verein leider nicht alle Wünsche erfüllen können. Das haben Sie auch gar nicht verlangt, aber wir möchten einfach allen hier Mitlesenden verdeutlichen, dass wir unsere Tagungen nicht in einer bezahlten Brotberufs-Zeit vorbereiten, wie es z. B. Forschungseinrichtungen tun, sondern in einem recht kleinen Team ehrenamtlich: Das heißt ganz konkret: Wir arbeiten abends, am Wochenende oder im Urlaub. Wir bemühen uns dabei immer mit hohem Einsatz über viele Monate hinweg, Tagungen von sehr hoher Qualität anbieten zu können. Sicher kann man sich immer mehr wünschen und auch zu Recht, z. B. eine Kinderbetreuung (die Planung erfordert, Personal, Räumlichkeiten, eine Versicherung). Eine Kinderbetreuung ist ein absolut legitimer Wunsche! Aber wir können nicht alles bieten, weil unsere Kapazitäten schlicht endlich sind. Um den Gedanken Kinderbetreuung hier minim zu hinterleuchten: Es kam noch niemals jemand mit einem tragfähigen Konzept zu uns und bot an, uns dabei nennenswert zu unterstützen. Wir bekommen nur im Zwei-, Drei-Jahres-Abstand gesagt, dass wir (!) bitteschön sowas irgendwie machen müssten, natürlich ohne Hilfe der/der Fordernden, denn der/die hat leider so gar keine Zeit. ;-))
Sie schreiben zum Tagungsort München: “Es ist tatsächlich so, dass man wohl näher an Österreich heran wollte um es einigen Rednern leichter zu machen anzureisen. Aber da hätte man sich auch auf halben weg treffen können, wenn man mich fragt, und nicht quasi schon in ihrem Vorgarten.” Naja, das ist nun schon sehr freie Gedicht-Interpretation, liebe Miss Jones. 😉 Die DGUF tagt immer in unterschiedlichen Orten und Regionen Deutschlands (eine Übersicht dort: http://www.dguf.de/vergangene-tagungen-dguf.html). In München waren wir seit 1969, der Vereinsgründung, noch nie. Außerdem sind zwei Kolleginnen, die maßgeblich an den umfänglichen Vorbereitungen beteiligt waren, von dort. Das bringt uns erhebliche Erleichterungen im Vergleich zu Tagungen an Orten, die womöglich niemand aus unserem Team kennt. Das sind die schlichten Gründe, warum wir in München waren. Übrigens: Die österreichischen Kollegen, die als Teilnehmende und Vortragende dabei waren, haben sich angemeldet, nachdem der Tagungsort bekannt war (oder wären sowieso gekommen, egal, wohin).
Mit herzlichen Grüßen und hoffentlich bis zur nächsten DGUF-Tagung in Bonn 2019 – es würde mich sehr freuen!
Diane Scherzler
Für den DGUF-Vorstand
Guten Abend!
Ja Gedichtsinterpretation triff es nicht ganz, es war mehr so eine “hab sowas gehört” Interpretation, aber es stimmt, besonders recherchiert war die Aussage nicht. Das liegt daran, dass ich die Arbeit hier auf Miss Jones eben auch komplett unbezahlt und nebenbei betreibe. Damit meine ich, ich kann durchaus nachvollziehen, dass einem die Kritik treffen kann. Umso mehr freue ich mich, über die viele konstruktive Kritik, die zu diesem Beitrag eingegangen ist, dass habe ich so bislang noch nicht erlebt, und ich freue mich, wenn auch ich mich verbessern kann.
Der Punkt mit der Kinderbetreuung ist mir persönlich sehr wichtig, ich sehe das nicht explizit als ein Problem der DGUF an, sondern als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Deswegen spreche ich diesen Punkt mittlerweile grundsätzlich und Überall an, in der Hoffnung langfristig eine Veränderung herbei zu führen, und zwar über die die Welt der Archäologen hinaus.
Ich habe mich sehr gefreut an der Tagung teil zu nehmen, und hoffe nächstes Jahr wieder dabei sein zu können. Letztes Jahr war es mir aus Terminlichen Gründen ja leider nicht möglich. Ich schätze die Arbeit der DGUF sehr, und halte das Fazit, dass ich aus den Vorträgen heraus gezogen habe für sehr wichtig. Und zwar, dass es einen Ausbau der Kommunikationskompetenz in der Archäologischen Fachwelt bedarf. Wenn ich mit meinen kleinen Artikel dazu beitrage, dass einige Kolleg*innen zumindest darüber nachdenken, dann habe ich meine Aufgabe gut gemacht. Aber ohne die Tagung wäre es ja logischer weise gar nicht erst möglich gewesen zu diesem Punkt zu kommen.
MFG
Miss Jones
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