Warum populärwissenschaftlich über Archäologie schreiben?

Das ist eine Frage, die ich mir selbst immer wieder stellen muss. Gerade in einer Zeit, in der Wissenschaftskommunikation, durch die Ereignisse einer Pandemie, in den Fokus der Diskussionen gelangt ist. Aber auch dadurch, dass meine Lebensphase sich gerade ändert – nun wo ich die Uni frisch beendet habe. Eine Situation, in der sich das Leben verändert, und man sich nach dem Sinn der Dinge, die man so tut, fragt. Letztendlich ist dies aber auch eine Folge einer ewig währenden Kritik an meiner Arbeit. Dabei spreche ich in diesem Falle von Kritik, die oft durch das Kollegium der Archäologie mir gegenüber geübt wird. Eine Kritik, welche meist einen Unmut darüber ausdrückt, dass hier in einer Sprache kommuniziert wird, welche prähistorische Sachverhalte allgemeinverständlich macht.

Es gibt Kritik, die nur geübt wird, um andere Menschen kleinzumachen.

Meine Gedanken, warum ich dies dennoch tue, möchte ich hier einmal niederschreiben. Auch weil ich hoffe, dass in meinem Fach mehr Wertschätzung, auch für andere Kolleg*innen, die Wissenschaftskommunikation betreiben, entsteht. Ich denke, gerade in Zeiten wie diesen, in denen Hatespeach öffentliche Diskussionen dominieren kann, in denen kleine aber laut brüllende Gruppen sich mit den Antriebsmechanismen von Reichsflugscheiben ausstatten und mehr oder weniger mit der Mistgabel in der Hand die Hinrichtung von namhaften Virologen fordern und darüber hinaus über ein vermeintlich besseres “früher” gewalttätige Äußerungen und mittlerweile ja leider auch taten legitimieren, ist Sprachlosigkeit das falsche Mittel. Ein Wegducken in die Überkorrektheit fachlicher Termini ist eine Form von Sprachlosigkeit - wird Fachchinesisch von der Allgemeinheit doch oftmals eher als unverständliches Hintergrundrauschen verarbeitet.

Mich erstaunt die Wortkargheit der archäologischen Kolleg*innen nicht erst seit dem Drosten bewiesen hat, dass man sehr wohl eine breite Öffentlichkeit für Komplexe Themen gewinnen kann. Aus dieser Verwunderung heraus ist das Projekt Miss Jones bereits 2015 entstanden. Und das auch vor dem Hintergrund, einer damals erstarkenden extremen Rechten, welche sich auf Narrative bezieht, die einen vermeintlich prähistorischen Kern haben. Oft genug wird die Vorgeschichte dabei als Legitimation missbraucht. Dabei geht es um Erzählungen, welche sich immer wieder in Wohlgefallen auflösen, betrachtet man die wissenschaftlich beobachtbaren Hintergründe und den Rahmen des möglichen genauer.

Je besser man diesen Rahmen des Möglichen erfassen kann, umso besser ist man selbst gerüstet beim Erkennen von Sinn und Unsinn. Und dieser ist in Bezug auf die Prähistorie von Relevanz. Denn die Geschichte der Menschheit, hat mehrere gesellschaftliche Funktionen. Das Geschichten erzählen ist z.B. in vielen Kulturen Mittelpunkt zwischenmenschlicher Geselligkeit. Berichte über die eigene Geschichte tragen dabei zur Bildung von Gruppenidentitäten verschiedenster Art bei. Gleichzeitig hat aber jeder Mensch ein anderes Bild von der Geschichte im Kopf. Und natürlich kann dabei Durcheinander und Widerspruch entstehen. Und genau dieser Widerspruch ist wichtig, wenn Gruppenidentitäten gestärkt werden, welche ein übersteigertes Selbstbild und/oder Herrenmenschentum manifestieren. Anders gesagt: Ein ausgewogenes Verständnis der Prähistorie immunisiert uns alle ein Stück weit gegenüber rassistischer Selbstüberschätzung der eigenen Kultur. Denn die Menschheitsgeschichte zeigt vor allem eines: Alle Menschen zu allen Zeiten und Orten sind und waren in erster Linie Menschen. Und von daher ist unabhängig von Farbe, Geschlecht oder Größe, alle Menschen sind klug, doof, lustig, seltsam, kreativ, verrückt, komplett bescheuert, hässlich, hübsch aber vor allem fehlbar.

BVerchwörungstheoretik Jake Angeli in einem Vüffelodinskostüm

Ohne dieses Wissen endet man im schlimmsten Falle wie der Verschwörungstheoretiker Jake Angeli – in einem realitätsfernen Pseudogeschichtskostüm, ohne Sinn und Zusammenhang zur historischen Realität.

Um Geschichte auch an diejenigen zu vermitteln, welche keinen beruflichen Zugang zu dieser haben, gibt es seit dem 19. Jahrhundert populärwissenschaftliche Magazine, also Zeitschriften. Seit dieser Zeit schon begleitet die populärwissenschaftliche Darstellung eine Diskussion über Dilettantismus. Die Kluft zwischen popkulturellen Darstellungen der Geschichte und Fachtexten ist dabei ursächlich. Es ist fast so, als ob es sich um zwei verschiedene Sprachen, handelt. Popkulturelle Texte sollen in erster Linie entertainen und erst in Zweiter informieren. Gute populärwissenschaftliche Texte treffen einerseits den Ton der Zeit, hohlen das Publikum da ab, wo es steht und sind spannend sowie informativ. Die Darstellungen der Fachwissenschaften haben nicht die Auslegung Spaß zu bereiten, oder aber zu unterhalten. Hier geht es um eine exakte Betrachtung von dem, was eben untersucht wird und die korrekte Darstellung. Deswegen enthalten Fachtexte oft viele Details, die in einem Fachvokabular geschrieben sind, da dieses oft sowohl eindeutiger als auch kürzer ist. Doch solche Texte erschließen sich oft nicht einmal gegenüber Wissenschaftler*innen, die anderen Professionen angehören.

Jeder von uns kennt mindestens einen Dialekt des Fachchinesisch - wenn aber Klaus nur noch medizinisch, Gabi nur noch mathematisch und Kim nur noch KFZ-Mechatronisch redet, dann versteht kein Mensch mehr irgendwas.

An dieser Stelle kommt es zu einer Differenz zwischen Menschen, die diese Texte verstehen und Menschen die z.B. einen Beruf außerhalb der Geschichts- oder Kulturforschung gelernt haben. In popkulturellen Texten werden deswegen die dargestellten Sachverhalte heruntergebrochen, um sie leichter erklärbar zu machen. Fachbegriffe werden in eine verständliche Sprache übersetzt oder aber weggelassen. Oder es wird anders versucht eine Sprache zu finden, welche allgemein eher verstanden wird. Fachwissenschaftler*innen reagieren darauf aber oftmals unzufrieden, in ihren Augen handelt es sich um eine Verkürzung der Sachverhalte. Ein Dilemma, das sich nicht so leicht lösen lässt – zumal es oftmals subjektive Wahrnehmungen sind, an welcher Stelle wie verkürzt werden dürfe. Es handelt sich also um Meinungen welche der folgenden Formulierungen “korrekt” sind:

1. “Der ungarische Fundplatz aus der Jungsteinzeit” oder “Der jungsteinzeitliche Fundplatz in der Region des heutigen Ungarn”.

2. “Ein Beispiel für eine typische Darstellung aus den Alpen” oder “Ein Beispiel aus der Voralpenregion, welches typische Entsprechungen in mehreren anderen alpinen Regionen des mittleren Hochgebirges findet”.

3. “Eine keltische Gewandspange” oder “Eine Ha C Kulturzeitliche Fibel”.

Bei näherer Betrachtung dieser Beispiele verliert sich die Hauptaufgabe der Geschichtsvermittlung bei solchen Diskussionen oftmals in einem Kleinklein rechthaberischer Meinungsmanier. In Hinsicht auf die Relevanz der Bedeutung der Vermittlung von Geschichte gegenüber der Gesellschaft, würde ich dieses Kleinklein gerne in Drostens Sinne mit einem “Ich habe besseres zu tun” ab währen. Und das, obwohl mir bewusst ist, dass es sich um einen der größten Kritikpunkte seitens archäologischen Vertreter*innen an populärwissenschaftlichen Darstellungen und auch meiner Arbeit handelt. Denn zum einen müsste man diese Diskussion auf ernsthafte Weise im offenen Dialog führen – und nicht wie oft als Angriff gegen einzelne Publikationen – und zum anderen ist diese Diskussion zwar oft die lauteste, aber für die Gestaltung einer verantwortungsbewussten Geschichtsvermittlung nicht die relevanteste.

Die Hermannsschlacht (kolorierte Reproduktion), Gemälde von Friedrich Gunkel, 1862–1864, zerstört im Zweiten Weltkrieg – In der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts wurde „Hermann“ als „erster Deutscher“ stilisiert.

Die Hermannsschlacht (Friedrich Gunkel 1862–1864) – In der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts wurde „Hermann“ als „erster Deutscher“ stilisiert. Eine überspitzte Geschichtswahrnehmung, die das Selbstbild der Deutschen entscheidend prägte, und dieses aus der Archäologie abgeleitete Selbstbild führte schließlich in den absoluten Wahnsinn des Nationalsozialismus.

Hierbei sollte meiner Ansicht nach der Umgang mit Identitäten und diesbezüglichen Narrativen im Fokus stehen. Die Prähistorie hat in dieser Hinsicht nämlich nicht nur rühmliche Episoden erlebt. Das Fach Archäologie entstand aus dem Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts und hatte schon früh eine ideologische Prägung. Das bedeutet, dass in der Geschichtsvermittlung dieser Zeit, ästhetischen Maßstäbe angesetzt wurden, welche die Aufgabe hatten die Identitäten zu unterstützen. Beispielsweise den sich damals entwickelnden Nationalismus. Die wissenschaftlichen Texte aus dem 19. Jahrhundert sind also selbst stark Ideologie und diskursgefärbt. Auslegungen der Geschichte wurden oft aktiv nach einem Idealbild ausgelegt. Dieses Vorgehen gibt es so heute nicht mehr, was nicht bedeutet, dass es nicht auch heute Diskurse gibt, die die Wissenschaft beeinflussen. Damit diese Beeinflussung nicht nur einseitig ist, ist das Gestalten populärwissenschaftlicher Texte wichtig. Nicht zuletzt, weil ein aktuellerer Forschungsstand auch das Menschenbild unserer Zeit modernisieren kann.

Die Idee auf der meine Arbeit beruht, ist also von einem starken aufklärerischen Geist geprägt. Und dieser lässt sich im Grunde in allen Sachformaten finden, welche es jeweils fachfremden Personen ermöglichen soll, sich fundiert mit anderen Professionen auseinander zu setzten. Zu einem Boom solcher Formate kam es ab den 70er Jahren in Folge der 68er Bewegung. Es sind Gedanken, die vor allem Augenhöhe zwischen Menschen schaffen soll, denen durch populärwissenschaftliche Formate Möglichkeiten eröffnet werden, Sachverhalte zu erfahren, die ihnen sonst verschlossen bleiben würden. In Zeiten von Wikipedia scheint Wissen allgegenwärtig zu sein und dieser alte Gedanke unnütz. Doch ein allzeit breites Lexikon ist nicht in dem Sinne geschrieben, dass es Spaß und Begeisterung auslösen soll. Doch nur durch solche positiven Emotionen lässt sich erreichen, dass fachfremde Personen sich gerne mit Vergangenheiten auseinandersetzen. Und da dies einen großen Einfluss auf unser Weltbild, und damit auf unsere Lebensrealität haben, ist populärwissenschaftliche Berichterstattung gerade im Bereich Archäologie wichtig.

Wer sich mehr mit Populärwissenschaftlichen Texten im Bereich Geschichte beschäftigen möchte, dem empfehle ich:

Nissen, Martin: Populäre Geschichtsschreibung, Köln 2009.

4 Gedanken zu „Warum populärwissenschaftlich über Archäologie schreiben?

  1. Liebe Miss Jones, ich habe selbst jahrelang für ein Wissenschaftsmagazin genau das getan, wissenschaftliche Texte auch für Menschen anderer Fachdisziplinen verständlich zu machen. Das hat mir viele Auseinandersetzungen vor allem mit den Urhebern der wiss. Texte eingebracht. Ich finde Deine Texte super und hoffe, Du lässt Dich von den Eitelkeiten der Wissenschaftlerinnen, die eine Art Geheimsprache pflegen, nicht allzusehr belasten. Bitte mach weiter so, Du bist sehr gut.
    LG Martina

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