Die Nicolaikirche in Kiel – nicht besonders hübsch oder alt, aber trotzdem war ich gerne dort – und nicht nur, weil ich auf der Flucht vor dem Regen war (Deswegen habe ich dieses Mal nur Fotos vom Innenraum). Es gibt ein tolles Taufbecken, zwei Orgeln und einen Herr Sievers. Der hat meinen Kirchenbesuch zu etwas Besonderem gemacht. Und zu dieser kleinen Zeitreise möchte ich euch mitnehmen:
Der erste Eindruck in der Nicolaikirche
Es ist nicht lange her, da war ich auf der Kiel Conference. “Wenn ich schon mal in Kiel bin, dann kann ich mir auch etwas ansehen”, dachte ich. Zeitlich schaffte ich es in die Nicolaikirche: Besonders toll, es gibt hier ein Taufbecken, dass auf das Jahr 1344 datiert. Das ist hübsch in Szene gesetzt. Wenn man den Vorraum der Kirche betritt,
kann man es durch ein Fenster direkt sehen. Das Taufbecken steht in einer Abseite rechts. Leider gehen viele an dem Taufbecken vorbei, ohne es zu bemerken. Da es aber ein kunsthistorisch relevantes Objekt ist, könnt ihr euch auf einen Artikel nur zu diesem Taufbecken in der Zukunft freuen – und für kunsthistorisch Interessierte, die gerade mal in Kiel sind, lohnt es sich also einen Blick in die Nicolai Kirche zu werfen. Und das nur für dieses Taufbecken.
Menschen, die die Kirche zu etwas Besonderem machen
Aber auch der Rest der Kirche ist interessant. Typisch norddeutsch, zurückhaltend – aber mit kleinen kunstfertigen Details, die zeigen, dass diese Kirche den Menschen ganz persönlich am Herzen liegt. Ganz besonders bei meinem Besuch war der Herr Sievers. Er lief durch die Kirche, genauso wie ich. Seine Hauptaufgabe an diesem Tag: Essensmarken an Bedürftige verteilen, die ab und zu in die Kirche kamen. Als der Herr kurz mal nichts zu tun hatte, kam er zu mir. Er fragte mich, ob ich Hilfe bräuchte. Als dann klar war – ich möchte für euch über die Kirche schreiben, blühte der Herr Sievers richtig auf. Er zeigte mir fröhlich die Winkel seiner Nicolaikirche. Verschwand kurz und
kam mit einem Schnellhefter, mit Details über die Kirchengeschichte, wieder. Zwischendrin verteilte er Essensmarken. Und dann, wenn er wieder einen Moment Zeit hatte, kam er zurück und erzählte mir Details, die ich vmtl. in keinem Kirchenführer gefunden hätte. So steht im vorderen Bereich, neben dem Altar, eine echte Cavaillé-Coll-Orgel – und zwar nicht irgendeine, sondern die größte in ganz Deutschland. Die Nicolaikirche hat nämlich gleich zwei Orgeln. Ein Gemeindemitglied wollte diese Cavaillé-Coll-Orgel aus Frankreich unbedingt nach Deutschland bringen. Er hat sie dann der Kirche, die eigentlich schon eine Orgel hatte, gestiftet. Ein Glücksfall, denn eine Cavaillé-Coll-Orgel ist ein teures Geschenk.
Ein hölzerner Klappaltar
Auch andere Details der Kirche erklärte mir der Herr Sievers. Besonders spannend: Der Altar wird gerade restauriert. Ich konnte ihn also nicht fotografieren, denn er ist gerade nicht da. Im Herbst 2023, hoffentlich kurz vor Weihnachten, soll er zurück sein. Es handelt sich um einen Klappaltar, der umgeklappt verschiedene Bilder zeigt. Die Altartüren können insgesamt drei verschiedene Szenerien zeigen und nehmen dabei auch Bezug auf ihrem ursprünglichen Standort. Der Altar stammt nämlich eigentlich aus
dem Kieler Franziskanerkloster, welches es aber schon lang nicht mehr gibt. Er besteht aus Holz und hat viele geschnitzte Figuren. Aber weil bei einer Klappkonstruktion der Altar links und rechts immer etwas runterhängt, hat sich das über die Jahrhunderte natürlich auf das Kunstwerk ausgewirkt. Es ist nötig, ihn zu reparieren. Die Holzelemente drohten nämlich auseinander zu reißen. Und das auch, wegen der Temperatur in der Kirche. Denn Temperaturen wirken sich auf Holz aus. Und weil die Temperaturen anders sein müssen als in dem Bereich, wo die Menschen im Gottesdienst sitzen, wird ein ausgeklügeltes Heizsystem installiert:
Ein neues Heizsystem für die Nicolaikirche
Die neue Heizung wird besonders: Diesen Sommer (2023) wird die Kirche geschlossen, um sie einzubauen. Eine Heizung, die die Luft in drei verschiedenen Kreisläufen durch die Kirche leitet, sodass es für Mensch und Kunst optimal ist. Herr Sievers hofft sehr, dass Weihnachten alles fertig ist. Aber es ist dringend nötig, das umzubauen, um die
Kunst der Kirche bestmöglich aufzubewahren. Das ist technisch natürlich spannend und ich hoffe, ich komme noch einmal nach Kiel, wenn die neue Technik in dem alten Gebäude fertig ist. Es zeigt: Denkmalpflege, kann sehr komplex sein. Denn Materialien brauchen verschiedene Umstände und Menschen und Kunst brauchen in dieser Kirche verschiedene Temperaturen, die mit einem Luftstromsystem erreicht werden sollen.
Von dem Versuch alles so zu gestalten, dass es gut aussieht
Sehr interessant fand ich die Geschichten, die der Herr Sievers zu erzählen hatte. Z.B.: warum die Objekte in der Kirche wie angeordnet sind. So steht das Taufbecken ja in einer Abseite und nicht in dem Raum, der ursprünglich einmal die Taufkapelle war, denn das wirkt sehr eng. Einige Zeit stand das Taufbecken auch im vorderen Bereich der Kirche, rechts neben dem Altar. Doch als die zweite Orgel in die Kirche kam, wirke dann alles so gequetscht. Die Idee war die Kanzel umzustellen, doch das sah dann einfach
noch blöder aus, deswegen entschied man sich dazu das Taufbecken in die Abseite zu stellen. Und die Kanzel vorne rechts – wodurch alles optisch etwas lockerer wirkt. Leider sehen dadurch viele Gäste jetzt das besondere Taufbecken nicht mehr, weil sie einfach nicht nach rechts hinten in die Ecke gucken. – Aber ich finde das eigentlich cool. Denn so erschließt sich dieser besondere historische Schatz vor allem denen, die sich wirklich für Kulturgeschichte interessieren und sich diese Kirche genau ansehen und nicht einfach, wie gestresste Touristen einmal hektisch hindurchlaufen.
Also schaut gerne mal in die Kirche hinein
Ich fand es äußerst interessant solche Geschichten oder Gedanken zu hören, denn oftmals weiß man ja nicht, warum genau jetzt, welcher Gegenstand, wo in einer Kirche steht. Und ich konnte diesen sehr menschlichen Beschreibungen darüber sehr viel nachempfinden. Man hat einfach versucht, das Beste aus der Kirche herauszuholen –
es sich schönzumachen – und manchmal ist man sich nicht ganz einig, was denn das Beste ist und dann werden Sachen umgestellt oder umgebaut. Und so kommen hier unterschiedliche Kunstwerke mit eigenen Geschichten hinzu. Und für diesen Einblick möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Sievers bedanken. Ein sympathischer Herr an einem sympathischen Ort, wenn man mal in Kiel ist.