Ein Buch über Hamburg – Oder was ich mir von populärwissenschaftlicher Literatur wünsche

Ich war im Rahmen meines Museumsmanagements Studiums, zu Gast im Museum für Hamburgische Geschichte. Wir Student*innen wurden sehr nett empfangen, mit Kaffee und Keksen und alle unsere neugierigen Fragen zur Arbeit in der Museumswelt wurden beantwortet. Uns wurde erzählt, wie dringend man uns brauchen würde, weil bald ein großer Fachkräftemangel in der Museumswelt kommen wird…

(Long Story Short: 7 Jahre später habe ich immer noch keinen Job, genauso wenig wie alle anderen, mit denen ich noch Kontakt habe, die sich die großen Versprechungen dort angehört haben – einer meiner Gründe für die Aktion Berufsfeld Archäologie).

Nachdem wir die freundliche Diskussion beendet hatten, begab ich mich noch in den Museumsshop. Dort fiel mir ein Buch in die Hände, dass bei mir nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. „HAMMABURG – Wie alles begann“ herausgegeben von Rainer-Maria Weiss erweckte meine Aufmerksamkeit und steht bei mir seit dem im Regal. Und ich hüte dieses Büchlein wie einen Schatz.

Das Buchcover. Es ist gelb und es ist das Hamburger Stadtwappen zu sehen.

So sieht das Buch aus – erst einmal ein bisschen unscheinbar, aber es ist wirklich gut (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Tatsächlich hat dieses Buch mehr, von dem, was ich mir unter einer guten populärwissenschaftlichen Publikation vorstelle und ich möchte es allen ans Herz legen, die sich entweder für die Anfänge der Stadt Hamburg interessieren, oder aber eine Inspiration suchen, wie sie ihre eigene populärwissenschaftliche Publikation gestalten möchten. Auch für diejenigen, die Ausstellungen und andere Arten der Wissensvermittlung gestalten, ist das Werk eine gute Inspiration. Denn was ich dort entdeckt habe, ist wirklich mehr als gut!

Die Gestaltung

Das ganze Buch ist in einfacher, leicht verständlicher Sprache gehalten, die in kurzen Absätzen erklären, wie sich die Anfangszeit Hamburgs vermutlich ereignet hat. Die Qualität der Bebilderung ist dabei sehr hoch und es fehlt auch nicht an Kartenmaterial, um sich die räumlichen Gegebenheiten vorstellen zu können. Das gibt einem die Möglichkeit beim Bummel durch die Hamburger Innenstadt auf einmal da, wo heute eine Straße ist, den ehemaligen Stadtwall wiederzuerkennen – und das auch als Laie. Zahlreiche archäologische Funde werden gezeigt und in kurzen Texten erklärt, welche wiederum leicht verständlich geschrieben sind, aber dennoch in einem Stil, der auch Archäologienerds anspricht und ihnen auf Augenhöhe begegnet. Die Mischung ist also genau richtig gemacht.

Eine Collage mit einem blauen Himmel, einem Elefanten der auf einer Zeitung ausgeschnitten zu sein scheint, einem Adler aus einem Hochglanzmagazin, im Hintergrund ein Nashorn, an der Seite ein Riesenpilz auf einem Felsen.

Text und Bild müssen auch in einem Buch wie im Museum gut zusammenpassen. Hier ist ein anderes Beispiel: Wir kennen die Ökologie der Altsteinzeit (Paläolithikum) nur anhand von Funden, alles was wir wissen ist wie eine Collage zusammengeklebt, die nur ausschnitthaft die Lebenswelt rekonstruieren kann. Wie könnte man das besser verdeutlichen, als mit einer Collage (Darstellung aus dem Museum Schöniger Speere) (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

An den Hamburg Plänen ist toll, dass dreidimensionale Computeranimationen, in die Luftbilder des heutigen Stadtbildes hineinprojiziert wurden. Sie machen es für jeden leicht verständlich, wie man sich, das frühmittelalterliche Hamburg vorstellen kann. Und im Vergleich sieht man, wie sich die Stadt entwickelt hat, von einem kleinen Ort zu einer Millionenmetropole. Diese Animationen sind auffallend professionell gemacht. Ein einziger Wermutstropfen ist, dass diese Rekonstruktion zum Teil auf Interpretation basiert und Teile der Stadt dargestellt sind, die insoweit gar nicht untersucht sind, bzw., dass die dargestellten Hausbauweisen nicht mit den mir bekannten Befunden übereinstimmen. Es werden zwar verschiedene mittelalterliche Haustypen gezeigt, was ich sehr positiv finde, weil dies auch mit den Funden in der Hamburger Innenstadt übereinstimmt, doch sind die dargestellten Häuser sehr wenig variabel zueinander.

Drei kleine eingeschossige Häuser nebeneinander. Eines ist aus Holz, die andern beiden aus Lehm. Alle haben Giebeldächer mit Stroh bedeckt.

In etwa zur gleichen Zeit gab es auch in Haithabu verschiedene Bauweisen – Die Wikingerstadt hatte viele Gemeinsamkeiten mit dem frühen Hamburg, war aber viel größer, und hatte von daher auch viele Unterschiede. Aber ein Eindruck gibt dieses Bild von den Hausrekonstruktionen schon (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Und stimmt zum Teil nicht mit dem Wissen, dass ich mir über das frühmittelalterliche Hamburg angelesen habe überein. Doch es verdeutlicht immerhin, dass es variablen gab, und das hier Interpretation ist. Meiner Ansicht nach hätte man das aber deutlicher sagen können. Dennoch kann ich dieses Buch jedem empfehlen, der sich eine grobe Vorstellung vom frühmittelalterlichen Hamburg machen möchte. Und selbst diese grobe Vorstellung ist dann auch schon sehr dicht dran an dem Wissen der Stadtarchäologie. Denn: Hamburg ist dicht bebaut, und das bedeutet: Ausgrabungen sind nur in einem sehr kleinen Rahmen, auf kleinen komplizierten Flächen möglich. (Hier kannst du dir einen Podcast zu dem Thema anhören, den ich bei einer dieser Ausgrabungen für euch gemacht habe).

Pro und Contra, statt schulmeisterliche Zeigefingermentalität

Besonders positiv ist mir an diesem Buch aufgefallen, dass es immer wieder Seiten gibt, in denen Pro und Contra Listen aufgeführt werden, an deren Ende ein Fazit steht. Das ist eine einfache und effektive Art zu demonstrieren, dass Archäologie immer auch Interpretation ist und das derzeitige Fazit ein Ergebnis des aktuellen Kenntnisstandes. Und manchmal sind sich eben nicht alle einig, die zu einem Thema forschen. Das heißt nicht, dass die Argumente nicht valide sind von einigen – Sondern dass es eben auch Gegenargumente gibt. Und dann heißt es die Punkte betrachten, bewerten und gegeneinander abwägen und prüfen. Eine Begründung, warum man am Ende zu einem Punkt kommt, kann also das Ergebnis eines langen Prozesses sein. Und das alles zu verstehen, kann langwierig und kompliziert sein. Das Buch aber zeigt ganz unkompliziert, dass Wissenschaft das Ergebnis der Diskussion ist und das auf sehr leicht verständliche Art und Weise:

Das Buch ist geöffnet. Es steht groß Fazit da, und eine Pro- und Contra-Liste, was für welche Theorie spricht.

Hier, eine solche Pro- und Contra Liste (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Darstellungen, die dies aufzeigen, sind mir in populärwissenschaftlichen Publikationen zu selten vertreten. So werden oftmals vermeintliche Fakten der Öffentlichkeit präsentiert und die Leser*innen fühlen sich vor den Kopf gestoßen, wenn plötzlich Widersprüche auftreten. Oder, die Leute haben etwas anderes gehört, gehen von einem Fakt aus, der nicht berücksichtigt wurde und haben dann den Eindruck, sie werden veräppelt. Die Darstellung in diesem Buch hat mich in dieser Hinsicht sosehr begeistert, dass ich es euch unbedingt empfehlen wollte. Denn die Darstellung der Wissenschaft als Stand der derzeitigen Erkenntnisse und Argumentationen ist wirklich gelungen. Und ich würde mir wünschen, dass das so bei noch anderen, viel Kontroverseren Themen umgesetzt wird.

Der Tagebau Schöningen heute. Ein Loch, das größer ist als der Horizont, es besteht aus durchwühlter Erde. Man sieht im Vordergrund einen Hochstand eines Jägers, durch den zu erkennen ist, wie gigantisch das Loch ist.

Der Tagebau Schöningen heute (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Was ich meine ist: Wichtige Themen wie der Umweltschutz, der Klimawandel und ähnliches – Da kann man viele Bilder zeigen, diejenigen, die nicht zuhören wollen, hören ohnehin nicht zu. Und diejenigen, die das alles leugnen, leugnen es ohnehin. Aber diejenigen, die man mit Argumenten noch irgendwie erreichen kann, und die sich aber nicht ernst genommen fühlen, weil sie die Argumente der Leugner kennen, und sich nicht ernst genommen fühlen, die kann man mit dieser Art der Darstellung vielleicht noch ansprechen. Und das würde ich mir für unserer aller Zukunft wünschen. Und in dieser Hinsicht, ist dieses kleine Buch über Hamburgs Stadtgeschichte nicht einfach nur ein schönes populärwissenschaftliches Buch, sondern es ist wegweisend!

Und wer sich jetzt noch ein Negativbeispiel für Populärwissenschaftliche Literatur ansehen will, dem möchte ich empfehlen mal bei Kristin Oswald vorbeizusehen!

Und wenn du jetzt denkst: Ach Miss Jones, du bist zu idealistisch – oder aber, dass du eine bessere Idee hast, oder ein tolles Buch kennst, das ebenso wegweisend ist, dann schreibe mir doch gerne einen Kommentar. Und übrigens: Ich schreibe hier für alle Menschen völlig kostenfrei. Das heißt aber auch, dass ich die Serverkosten usw. selbst bezahle. Von daher würde ich mich freuen, wenn du mir ein Trinkgeld schickst – nutze dazu diesen Link -> Hier

3 Gedanken zu „Ein Buch über Hamburg – Oder was ich mir von populärwissenschaftlicher Literatur wünsche

  1. Pingback: Platon in Aladdins Lampe. Wie man ein schlechtes populärwissenschaftliches Geschichtsbuch schreibt | Krosworldia

  2. Pingback: Kultur-News KW 16-2018 | Kultur - Geschichte(n) - Digital

  3. Pingback: Archaeology 2024-01-05 – Ingram Braun

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert