Malia und der Getreidespeicher: Ein Blick auf soziale Strukturen der Minoer

Malia auf Kreta in der Bronzezeit. Nahe eines Hafens befindet sich eine Siedlung und ein Palast. Dieser wird von einem Erdbeben zerstört. Dann wird alles neu aufgebaut. Besser organisiert, schöner, prunkvoller. Es ist ein Bau, bei dem man sich, bei der Betrachtung von jedem einzelnen Detail immer neue spannende Fragen stellen kann:

Wer den Palast von Malia besichtigt, der betritt alte Pfade. Wege, die noch genau so gepflastert sind wie in der Bronzezeit. Ein Weg hat dabei, eine besondere Geschichte. Er erstreckt sich über knapp 100 m und ist dabei 20 m breit. Es handelt sich um den Palastvorhof der minoischen Palastanlage, die direkt von einer Siedlung umgeben war. Der als Westhof bezeichnete gepflasterte Bereich lag direkt vor dem Palast. Man musste hier entlang laufen, wenn man den Haupthof des Palastes über den Haupteingang im Norden betreten wollte. Die Struktur, was so angelegt, dass man einmal im Westen an dem Palast vorbeigehen musste, um ihn dann von hinten zu betreten. An dem Haupteingang lag denn der berühmte Kernos von Malia.

Ein breiter gepflasterter Bereich vor Ruinen, die erst im Hintergrund beginnen. Alles ist leicht rötlich, durch den leicht rötlichen Boden.

Die Wegpflasterung westlich des Palastes von Malia ist zum Teil bis heute erhalten (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Der Weg war sorgsam ausgestaltet. Vermutlich sollte Eindruck erwecken und die Größe vom Palast von Malia zeigen. Vorbei an einer repräsentativen Fassade, die da lag, wo heute die Ruinen von Malia stehen. In der Zeit der Minoer war dieser Außenhof des Palastes ein Teil des Straßennetzes der umgebenen Siedlung. Erhöhte Gehsteige, die direkt an der Fassade entlang führten, sind erhalten. Die Wege verliefen direkt zum Getreidespeicher des Palastes. Das gesamte Areal dieses Außenhofes konnte in seiner genauen Abgrenzung archäologisch leider nie erfasst werden, sodass der exakte Gesamteindruck der Baukomposition ein Rätsel bleibt.

Etwa kniehohe Ruine von aneinander gereihten kreisrunden Baustrukturen.

Die runden Kornspeicher des Palastes (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Es wird aber davon ausgegangen, dass er einen Interaktionsradius von 2550 m² hatte. Es konnten sich hier also 5 – 10.000 Menschen aufhalten. Das sind mehr Menschen als in der Siedlung Malia gelebt haben. Darüber, wie dieser riesige Platz genutzt wurde, gibt es verschiedene Auffassungen. Einerseits ist es gut möglich, dass es sich hier um einen Weg handelt, der für repräsentative Prozessionen genutzt wurde. Die erhöhten Gehwege könnten so erklärt werden. Allerdings ist der Palast von Malia, nicht wie andere Paläste der Minoer, zum Beispiel Knossos, mit aufwendigen Wandmalereien verziert gewesen. Die Palastfassade ist dazu also im Vergleich sehr schlicht gestaltet gewesen, was gegen eine solche repräsentative Nutzung spricht. Dennoch muss es eine eindrucksvolle Architektur dieser Zeit gewesen sein.

Der Palast von Malia als Modell. Ein dreigeschossiges Gebäude mit einem großen Innenhof, einem kleinen Innenhof und einem Vorhof.

Eine Rekonstruktion im Museum zeigt, wie der Palast in der Bronzezeit vermutlich ausgesehen hat. Die Westfassade ist aus dieser Perspektive auf der rechten Seite (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Allerdings ist der gesamte Palast eher ein ländlicher Bau. Andererseits könnte es sich auch um einen Zugfahrtweg gehandelt haben, da sich an der Westfassade der einzige Eingang zu dem Getreidespeicher befindet. Jeder Mensch der Getreide abgeben, oder es vielleicht auch ausgeteilt bekam, musste hier lang laufen. Aufgrund der Größe, aber auch des Bezuges zum Getreide, wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass es hier Feste gegeben hat, die einen agrarischen Charakter hatten. Vielleicht haben die Menschen in der Zeit zwischen 1700 v. Chr. und 1450 v. Chr. also so eine Art Erntedankfest gefeiert.

Der Stiersprung von Knossos. Ein Stier wird von einer weißen Frau an den Hörnern gehalten. Eine weitere Frau steht mit erhobenen Armen hinter dem Stier. Ein Mann mit roter Haut macht einen Salto, oder einen Handstand, der einen Kopfübersprung auf dem Stier. Seine Hände liegen auf dem rücken des Tieres auf.

Auch auf dem Weg zu heiligen Festen, wie hier eines, das in Knossos verewigt wurde, musste man diesen Weg entlang laufen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).

Interessant ist, dass es nur von außen einen Zugang zum Getreidespeicher gibt. Der Palast selbst hat keinen Durchgang, der vom inneren zu diesen Räumlichkeiten. Vielleicht handelte es sich um das Getreidelager der umliegenden Siedlung? Vielleicht wurde hier Essen für die Armen verteilt? Oder aber man hat diesen Raum so eingerichtet, damit die umliegende Bevölkerung sich jederzeit etwas nehmen konnte, wenn sie etwas brauchten. So galt die herrschende Elite dann als gütig. Vielleicht steckt aber auch eine ganz andere Idee hinter dieser prunkvollen Westfassade, mir dem Zugang zum Kornspeicher. Wenn du eine Idee dazu hast, schreibe doch gerne etwas dazu.

Literatur:

Yasemin Leylek, Öffentliche Räume in der Minoischen Kultur – Eine transdisziplinäre Studie der öffentlichen Sphäre und sozialen Interaktion in der Bronzezeit, Heidelberg 2012.

Malia

2 Gedanken zu „Malia und der Getreidespeicher: Ein Blick auf soziale Strukturen der Minoer

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