Eine Niederlegung ist ein Fundzusammenhang, der in der Archäologie immer wieder vorkommt. Gemeint ist mit dem Wort, dass Dinge die aufgefunden werden, in der Vergangenheit bewusst gemeinsam platziert wurden. Dabei ist es unerheblich, ob die Gegenstände liegen, stehen oder sitzen. Gemeint ist, dass die Funde mit Absicht gemeinsam angeordnet sind und so beispielsweise in der Erde vergraben wurden. Zum Beispiel ist eine Bestattung eine Niederlegung, weil der tote Körper in irgend einer Form bewusst angeordnet wird. Hinzu können Objekte kommen, die der verstorbenen Person mitgegeben werden. Der Mensch und die Gegenstände werden also gemeinsam niedergelegt.
Für die Archäologie ist so eine Niederlegung eine schöne Sache, denn man weiß dann ganz genau welche Gegenstände in der Sachkultur in der Fundplatzregion gleichzeitig existiert haben. Es gibt aber auch Niederlegungen, die aus den Standardkategorien der Archäologie (Siedlungen und Gräber) insoweit herausfallen, als das man für sie eine Eigene gefunden hat. Man redet dann von Horten oder auch Depots. Dabei handelt es sich um Objekte die Gemeinsam verbuddelt oder versenkt wurden.
Warum vergraben oder versenken Menschen Dinge?
Um der Frage auf den Zahn zu fühlen, warum Menschen auf die Idee kommen sowas mit ihrem Eigentum zu machen, möchte ich einen Blick auf die Bronzezeit werfen. Denn in dieser gibt es erstmals Deponierungen im feuchten Milieu. Das heißt, Gegenstände wurden in Mooren oder Seen versenkt. Und es gibt ab dieser Zeit immer wieder Hinweise auf verkehrswichtige Stellen bei Deponierungen. So wurde Beispielsweise im Ipweger Moor bei Oldenburg ein Brot aus Wachs gefunden. Dieses wird am Ende der Bronzezeit unter einem Bohlenweg platziert, der durch das Moor führt. Und das an einer Stelle, an der sich zeigen lässt, dass sie ganz besonders gefährlich war. Reste kaputter Wagen in der Umgebung zeugen von Unfällen und Reparaturarbeiten. Auch zeitweilige Umleitungen sind hier zu beobachten, genauso wie die Erkenntnis: An dieser Stelle wurde der Weg immer wieder überschwemmt.
Handelt es sich bei der Deponierung des Brotimitats aus Wachs also möglicherweise um eine Opfergabe, oder eine andere religiöse Vorstellung die dazu dienen sollte Verkehrsunfälle zu verhindern? Möglich wäre es, auch wenn man das natürlich nicht beweisen kann. Auffällig ist: Depots mit den verschiedensten Objekten gibt es immer wieder an verkehrswichtigen Stellen. Z.B. auch an Bergpässen in den Alpen. Aber es gibt sie auch an anderen Orten. Und immer wieder drängt sich der Verdacht auf, es handelt sich um ein religiöses Phänomen.
Sind Horte und Depots gaben an die Götter?
Diese Frage drängt sich auf, je mehr bestimmte Faktoren dafür sprechen. Wenn zum Beispiel Objekte gehäuft an einem Ort auftauchen, so gibt es oftmals die Vermutung, dass es sich um eine Art heiligen Ort gehandelt hat. Manchmal sind solche Depots auch irreversibel. Das heißt, dass die Gegenstände sind so platziert, dass es keine Möglichkeit gab sie wieder zurückzuholen. Eine solche Platzierung hat also die Absicht, dass die Gegenstände für immer verschwinden. Um diese Fälle festzustellen, braucht es auch eine genaue Umweltanalyse. Liegt der Fundplatz zum Beispiel in einem mittlerweile ausgetrocknetem See? Wenn ja, wird oft von einer sakralen Absicht der Niederlegung ausgegangen. Aber es gibt weitere Auffälligkeiten in Bezug auf Horte. So gibt es Gegenstände die in Mittel- und Nordeuropa ausschließlich aus diesen Zusammenhängen bekannt sind.
Zum Beispiel der Stabdolch. Eine Waffe, die zum Kampf zu fragil scheint, deren Funktion also nicht ganz klar ist, auch wenn es zahlreiche Untersuchungen zu diesen Objekten gibt (Dazu zu einem anderen Zeitpunkt mehr). Sie werden im Zusammenhang mit den Deponierungen beispielsweise als symbolisches Würdezeichen interpretiert. Ein anderes Merkmal, welches bei Deponierungen betrachtet wird, ist, ob es Beschädigungen oder auch Brandspuren gibt, die auf rituelle Handlungen hindeuten. Die Interpretation all dieser Umstände ist dabei nie absolut. Es gibt weitere Einflussfaktoren. Beispielsweise wurden im Zeitgeist der 90er Deponierungen häufiger als kultisch definiert. Bei denselben Fundplätzen wäre man in anderen Zeiten aber zu einer anderen Interpretation gelangt.
Die Sachlage ist nicht so eindeutig wie es scheint
Zur Diskussion stehen dabei einige Punkte. Z.B.: Sind im Moor versenkte Gegenstände wirklich für immer verloren gewesen? Oder wurden sie dort nur sehr gut versteckt? Sind Moordepots damit reversibel und die Objekte sollten nach einiger Zeit wieder zurückgeholt werden; nur das es zu diesem Zurückholen nie gekommen ist? Denn auch von solchen Depots, die nur eine Zeitlang existieren sollten, und die, aus welchen Gründen auch immer, vergessen wurden, gibt es in der Bronzezeit haufenweise. Man Findet sie mehr oder weniger überall. So wie zum Beispiel dieses Lanzenspitzendepot:
Es handelt sich um einen Fund der aus 132 teils angekohlten Lanzenspitzen besteht. Sie waren vermutlich dafür gedacht wieder eingeschmolzen zu werden. Hier wurde also ein Materialschatz für einige Zeit niedergelegt. Die Lage des Fundes und die Art der deponierten Gegenstände spricht dafür (Mehr dazu erfahrt ihr mit dem Link unter dem Bild). Doch aus einem unbekannten Grund wurde der Hort nie wieder abgeholt. Es gibt viele reversible Horte der Bronzezeit die aus Rohmaterialien z.B. Bronzebarren bestehen. Bei ihnen geht man davon aus, dass es sich um Depots handelt, die im Zusammenhang mit Handwerk stehen. Zudem gibt es die Niederlegung von frisch angefertigten Objekten, die nie verwendet wurden, die aber teils sehr hübsch sind. Bei ihnen geht man davon aus, dass es sich um kleine Warenlager von Händler*innen handelt. Dabei muss man bedenken, in Norddeutschland gab es keine regionalen Lagerstätten für Kupfer und Zinn. Das heißt alles, was zur Bronzeproduktion gebraucht wurde, musste mithilfe eines riesigen Handelsnetzes importiert werden. Möglich also, dass überall kleine gut versteckte, Lagerdepots anlegt wurden. Letztlich bleibt all das, in jedem Einzelfall aber, Interpretation.
Klar ist: Immer wieder werden Untersuchungen und Diskussionen dadurch erschwert, dass Ausgrabungen nicht Fachgerecht dokumentiert sind. Klar ist auch: Die Gründe warum Sachen niedergelegt wurden, sind vielfältig. Die Hinweise und Belege auf eine diesbezügliche Sitte sind nicht sauber definierbar. Nicht nur, das es schwierig ist, festzulegen was denn genau für die Menschen in der Bronzezeit ein echter Schatz gewesen ist; dies scheint sich teils auch noch von Region zu Region, sogar bei direkten Nachbarn voneinander zu unterscheiden. Sondern auch, der Zeitgeist der Forscher*innen spielt mit in das Bild hinein, was als Schatz oder Kult interpretiert wird. Und so bleibt es bei Hortfunden und Deponierungen immer eine Teilvermutung was sie bedeuten. Aber genau das macht sie zu ganz besonders interessanten Niederlegungen.Literatur:
Erhard Cosak: Das Brotopfer aus dem Ipweger Moor – oder warum die vorgeschichtlichen Wagen nicht abgebrannt sind. In: Archäologisches Korrespondenzblatt 41, Mainz 2011.
Anmerkung zu diesem Werk – Es handelt sich um ein Standardwerk aus dem Fach Archäologie. Solltest du dieses Fach Studieren wollen, oder dich intensiv damit beschäftigen, so rate ich dir, dieses Werk in deine heimische Bibliothek aufzunehmen: Manfred K.H. Eggert: Prähistorische Archäologie – Konzepte und Methoden, Dritte Auflage, Tübingen 2008.
Wolf Kubach: Vergraben, versenkt, verbrannt – Opferfunde und Kultplätze. In: Die Bronzezeit in Deutschland, Stuttgart 1994.