Der älteste bekannte Krieg der Menschheitsgeschichte

Der Krieg ist vorbei, die letzten Opfer werden bestattet. Trauer am Massengrab. Seit Monaten dauerten die Konflikte an, seit Monaten kommt die Ortsgemeinschaft immer wieder zusammen, um weitere Angehörige beizusetzen. 338 Menschen fehlen jetzt, da der Krieg vorbei ist. Warum es zu dem Konflikt kam, weiß heute keiner mehr. Aber die Gebeine der Toten erzählen uns zumindest Teile dieser 5.000 Jahre alten Geschichte.

Ein besonderes Massengrab

Das Grab wurde im Norden des heutigen Spaniens in San Juan ante Portam Latinam entdeckt, das ist eine Fundstätte mit vielen Megalithgräbern.1985 wurde der Fundort aus Versehen gefunden. Ein Bulldozer ist damals bei Bauarbeiten auf das Grab gestoßen. Ausgegraben wurde es dann bei Rettungsgrabungen 1990 und 1991. Gefunden wurden 338 Menschen, die in einem Massengrab beieinander liegen.

Eine Schwarz weiß Zeichnungen eines Grabes. Viele Skelette liegen in einem sich deutlich abzeichnenden Befund. Etwa 4 Viertel des Grabes ist allerdings ohne Skelette, dafür mit einer eingezeichneten Störung durch die Bulldozer. Im restlichen Bereich liegen die Skelette kreuz und quer.

Eine Zeichnung des Massengrabes. Man kann ziemlich genau erkennen, wo der Bulldozer in das Grab hineingefahren ist (Bild: SJAPL).

Sie lebten in der Jungzeitzeit und wurden in einem Großsteingrab, mit einer besonders schweren Steinplatte als Dach, beigesetzt. Diese Platte musste für die Ausgrabungen sogar gezielt gesprengt werden. Und als man nach dem Sprengen in dem massiv gebauten Grab dann so viele Tote entdeckte, die alle einen gewaltsamen Tod starben, schloss man zunächst auf einen einzelnen Angriff auf ein Dorf, bei dem es diese vielen Opfer gab.

Von hilflosen Opfern zum Kriegergrab

Die naturwissenschaftliche Datierung ordnet dieses Grab auf die Zeit zwischen 3.380 und 3.000 v. Chr. ein. Damit gehört diese Massenbestattung zum späten Neolithikum. In dieser Zeit kannten Menschen noch keine Metallwaffen. Aber: Auch mit Feuersteinwaffen kann man einem anderen Menschen sehr böse Verletzungen zufügen und ihn damit töten. Die Verletzungsspuren, die in dem Massengrab gefunden wurden, sprechen von dieser Geschichte.

Reihe mit 4 Bildern, die Schädelverletzungen zeigen.

An den Knochen sind eindeutig Verletzungsspuren zu erkennen (Bild: SJAPL).

Steinäxte, wurden zwischen den Toten gefunden. Aber auch 52 Feuerstein-Pfeilspitzen und 64 Messer aus Feuerstein. Wenn Menschen mit Waffen beigesetzt werden, werden diese Gräber oft automatisch als Krieger bzw. Krieger*innenbestattung interpretiert. Das gilt natürlich auch hier, auch wenn man das in den 90er Jahren nicht sofort gemacht hat. Aber: Neue Untersuchungen zeigen: hier gibt es ein weiteres Argument, das stützt, dass hier Krieger und Kriegerinnen gemeinsam bestattet wurden:

Verletzungen an den Knochen

Weil hier auch Frauenknochen gefunden wurden, galt das Grab lange als ein Massengrab eines Ortes, der überfallen wurde, wobei die hilflosen schwachen Personen einer Gemeinschaft zu Tode kamen. Nun wurde das Grab aus der Jungsteinzeit mit modernen Methoden neu untersucht. Und ja – die Knochen der Toten tragen Verletzungsspuren, alleine 107 Schädel wiesen Traumata durch Gewalteinwirkung auf. Oder anders gesagt: Sie waren eingeschlagen.

Reihe mit 4 Bildern mit Schädeln, welche teils gewaltvoll entlang der Kranialnähte aufgeschlagen sind.

Die Schädel weisen starke Gewalteinwirkungen auf (Bild: SJAPL).

Bei näherer Betrachtung sind es Kampfspuren. Spuren starker Gewalt. Von Schleudersteinen und Steinäxten. Vor allem aber Holz und Knochenkeulen scheinen diese Verletzungen verursacht zu haben. Auf den Schädeln sind diese stumpfen Schlageinwirkungen bis heute zu sehen.

4 Bilder in einer Reihe mit stark zerschlagenen Schädeln.

Die Verletzungen an den Schädel sind wirklich massiv (Bild: SJAPL).

Meist wurde auf den vorderen Kopf von oben eingedroschen, das zeigt eine vergleichende Analyse. 81% der Verletzungen wurden bei den männlichen Personen im Grab gefunden. Die machen allerdings auch insgesamt 70% der Kriegsopfer in diesem Grab aus. Der Frauen und Kinderanteil von 30% spricht dafür, dass in dieser Zeit Kämpfe eher von Männern ausgeführt wurden, aber nicht ausschließlich.

Und woher weiß man, dass es einen Krieg gab und nicht eine einmalige Auseinandersetzung?

Das ist eine gute Frage. Erst jetzt wurde mit einem genauen Blick auf die Knochen festgestellt, dass es sich um die wahrscheinlichste Hypothese für die Geschehnisse in der Jungsteinzeit handelt. Denn es gibt Verletzungen, die sind verheilt – Das gilt zum

Ein Schema mit einem Schädel, der von mehreren Seiten gezeigt wird. Er ist gerade an der Stirn überseht, mit Grünen und roten Punkten. Aber aus am Hinterkopf und an den Augenbrauen.

Eine vergleichende Analyse zeigt alle verheilten Kopfverletzungen aus diesem Grab in Grün, und als tödlichen in Rot (Bild: SJAPL).

Beispiel für 55,1 % der Kopfverletzungen. Diese Personen wurden im Kampf verletzt und gesund gepflegt. Kaum waren sie wieder auf den Beinen, zogen sie wieder in die Schlacht, wurden abermals verletzt und verstarb daraufhin. Das heißt, es handelt sich nicht um einen einmaligen Streit, sondern um eine ganze Phase.

Reihe mit 4 Bildern, die Schädelverletzungen zeigen.

Diese Schädel hingegen konnten eindeutig nicht mehr verheilen (Bild: SJAPL).

Und weil man am Knochen relativ gut ablesen kann, wie lange eine Verletzung schon verheilt ist, kann man sogar beobachten, dass diese Auseinandersetzungen in der Jungsteinzeit im Norden Spaniens einige Monate angedauert haben müssen. Es ist sogar möglich, dass dieser Konflikt länger als ein Jahr gedauert hat. Und in dieser Zeit wurde das Massengrab immer wieder für neue Tote verwendet.

Für diese Zeit einzigartiger Fund

Diese Geschichte ist in der Forschungsgeschichte des Neolithikums eine Ausnahme. Der Grund: klar man fragt sich immer wann haben Menschen damit begonnen Krieg zu führen, aber wirklich belegen lässt sich das schwer. Das Tollensetal aus der Bronzezeit zum Beispiel ist eines der ältesten bekannten Schlachtfelder der Welt.

Reihe mit 4 Bildern, die Schädelverletzungen zeigen.

Auch hier war nichts mehr zu retten. Diese Verletzungen sind tödlich (Bild: SJAPL).

Aber: hier gibt es bislang keine Knochen mit solchen Mehrfachverletzungen. Hinzu kommt: Der Fundplatz ist durch die Lage im Fluss Tollense auch stark durcheinander gewirbelt. Das heißt, dieses Massengrab aus Nord-Spanien lässt sich einfach besser untersuchen. Spannend ist bei diesem Fund außerdem, dass es hier erstmals in der Menschheitsgeschichte einen Beleg, für einen länger währenden Konflikt oder Krieg, gibt.

Viele Skelette liegen in einem sich deutlich abzeichnenden Befund. Alles liegt kreuz und quer.

Ein Blick in die Grabkammer zeigt das ganze Ausmaß dieses Krieges (Bild: SJAPL).

Dafür das es immer wieder zu Gewalt kam. Die Frage, die sich dabei stellt, ist: Worum ging es eigentlich? Diese Frage kann man mit den aktuellen Möglichkeiten der Forschung nicht beantworten. Aber. Es muss wichtig genug gewesen sein, dass die Gewalt über einen längeren Zeitraum kein Ende nahm. Es muss etwas Bedeutendes passiert sein, in der Lebenswelt der Menschen vor 5.000 Jahren im heutigen Spanien.

Literatur:

https://www.nature.com/articles/s41598-023-43026-9

https://www.scinexx.de/news/archaeologie/war-dies-der-erste-krieg-europas/