Wie die Archäologie Sklaven ein Stück ihrer Würde zurückgibt

Brasilien 1811. Ein Mann ist gestorben. Er war alt und er wird weniger bestattet als mehr verscharrt. Er war eine Arbeitskraft, eine Ware. Als junger Mann ist er aus Afrika an einen Sklavenhändler verkauft worden. Dann kam er in einem Schiff über den Atlantik. Es war voll an Deck und viele überlebten nicht. Doch dieser Mann schon.

Eine alte Zeichnung, die Zeit, wie ein weiser Man einen angeketteten Schwarzen im Gesicht herumfummelt. Im Hintergrund weitere angekettete Schwarze.

Schließlich wurde er von einem Farmer gekauft, den seine Geschichte nicht kümmerte. Er bekam Kinder und war ein Leben lang Sklave. Seine Kinder, auch Sklaven, sind lange schon nicht mehr auf der Farm. Und so dauert es zwei Jahrhunderte, bis Archäolog*innen sein Grab finden und sich fragen:

Wer ist dieser Mann? Wo kommt er her? Was ist seine Geschichte?

Das ist eine Frage, die diesem Mann seine Geschichte, sein Leben, zurückgibt. Die ihn nicht mehr betrachtet, wie ein Stück Vieh, sondern ehrlich an der Lebens- und Leidensgeschichte interessiert ist. Und die Archäologie kann diesem Menschen ein Teil ihrer Lebensgeschichte zurückgeben. 2023 wurde dazu eine Arbeit veröffentlicht.

Eine schematische Darstellung eines Sklavenhändlerschiffes, auf dem 280 Personen zusammengequetscht sind.

Weder menschenfreundlich noch angenehm, die Überfahrt über den Atlantik als Sklave (Bild: Gemeinfrei).

Bestattungen von Sklaven wurden dabei untersucht, und zwar mit einer Isotopenanalyse. Genauer gesagt untersucht man dafür das Strontium in den Knochen. Das ist ein einzigartiger Abdruck davon, wo wir in unserem Leben gewesen sind.

Wie funktioniert die Strontiumisotopenanalyse?

Kurz gesagt: Wenn wir essen und trinken, nehmen wir Stoffe aus der Nahrung im Körper auf. Also die Stoffe, die im lokalen Trinkwasser sind oder aber die aus dem Boden heraus in die Pflanzen gewachsen sind, die wir essen, oder die die Tiere essen, die wir dann essen. Zu diesen Stoffen gehört Strontium. Und Strontium ist geologisch

überall auf der Welt vorhanden, aber es ist überall ein bisschen anders. Strontium wird in unseren Knochen angereichert und ist deswegen in einem Skelett oft noch vorhanden, auch noch nach Jahrtausenden. Und weil Knochen ihr Material unterschiedlich schnell austauschen, kann man, wenn man die Knochen vergleicht, sehen, in welchem Alter eine Person wo war…. Wie das ganz genau funktioniert, das werde ich in einem extra Artikel erklären

Und was ist das Ergebnis, wenn man diesen Mann untersucht?

Diesen Fall hier habe ich mir zugegeben ausgedacht. Aber es ist gut möglich, dass es ihn gegeben hat. Wenn man seine Knochen so untersucht, dann wird man an dem Strontium in seinen Zähnen sehen können, wo er seine Kindheit verbracht hat. Und das relativ genau. Das Problem: Man braucht detaillierte Vergleichskarten, die zeigen, wo

Ein Schädel

Die Zähne bilden sich in unserer Kindheit aus, und verändern sich danach nicht mehr. Deswegen kann man am Strontiumwert genau sehen, wo ein Mensch seine Kindheit verbracht hat (Bild: Pascal Wiemers Pixabaylizenz)

der Strontiumgehalt auf der Welt wie ausgeprägt ist. Und das ist nicht ganz einfach, den heute gibt es oft starke Einflüsse auf die Umwelt. Und: Man braucht eine riesige Datenbank mit Vergleichen. Mit jedem neuen Messwert werden die Strontiumkarten immer genauer.

Und wie ist die Qualität der Karten von Afrika?

Leider sind die Karten nicht sehr präzise. Das gilt zu teilen auch für Europa, hier mussten immer wieder Karten mit neuen Daten korrigiert werden. In Afrika wurden bislang kaum Daten erhoben. Aber der Anfang ist gemacht: jetzt gibt es ein Forscherteam, das eine Karte von Angola angefertigt hat, damit genauer rekonstruiert

Eine Karte von Angola nach Strontiumgehalt eingefärbt. Deutlich ist zu sehen, in den Bergen ist die Konzentration sehr viel höher.

Die derzeitigen Messergebnisse in Angola (Bild: aus Link unten).

werden kann, wo ein Mensch herkam, der aus Angola verschleppt wurde. Von der Küste oder aus den Bergen? Und die genaue Region gibt auch Aufschluss über die Lebensweise, die ein Mensch dort in seiner Kindheit kennengelernt hat. Durch diese Betrachtung der individuellen Lebensgeschichten gibt die Archäologie diesen Menschen ein Stück ihrer Würde zurück. Und das ist ein wichtiger Teil bei der Aufarbeitung der Sklavereigeschichte.

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Literatur:

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0305440323000535