In den Diskussionen, gerade auf Social Media geht es nicht immer nur um die schönen Momente, die mit Reisen und Archäologie, mit den tollsten kulturellen Plätzen diese Erde, verbunden werden. Gelegentlich geht es auch um die Schattenseiten. In Florenz und Venedig zum Beispiel nimmt der Tourismus so starken Überhang, dass die Bevölkerung ernsthafte Wohnraumprobleme hat. Und in Zeiten von Corona, sind die Wasserstraßen Venedigs plötzlich so sauber wie noch nie. In einigen Museen wurden Artefakte zerstört, weil sie Umgestoßen wurden, als Leute Selfies mit ihnen machen wollten. Am bekanntesten ist wohl die Frau, die mit einem Selfie einen Dominoeffekt ausgelöste und dabei einen Schaden in Höhe von 200.000 Dollar verursacht hat:
Kulturangebote genießen und Reisen hat also auch so seine Schattenseiten und das aus vielen Perspektiven. Es gibt genervte Anwohner*innen oder schlechtes Museumspersonal, dass Besucher*innen die Laune verdirbt. Ich selber habe als Miss Jones schon so einige Momente erlebt, in denen ich mich fremdgeschämt habe. Mal als Archäologin und Vertreterin des kulturellen Sektors und mal als Touristin, also Besucherin der ein oder anderen Stätte. Ich bin ja irgendwie immer in irgendeiner dieser Rollen und manchmal auch in mehreren gleichzeitig. Und weil ich auf diesem Blog nicht nur über eitel Sonnenschein schreibe, habe für euch eine Liste gemacht mit meinen 10 schlimmsten Miss Jones Momenten:
10. Wien der Sagwaycrash
Der erste Bezirk in Wien ist so heute etwas wie ein Touristenviertel. Viele sagen Wien ist schön, weil sie genau diesen Teil der Stadt kennen. Die Wahrheit ist, dort wohnt kaum jemand. Die meisten Wiener*innen leben in anderen Bezirken der Stadt. In meiner Studienzeit in Wien habe ich schnell bemerkt, dass man im Grunde nie in der Innenstadt ist, als Einwohnerin der Donaumetropole. Doch natürlich wollte ich auch mal zum Stephansdom, um dort ein paar Fotos für euch zu machen. Ich war überrascht, denn dort sah ich zum ersten Mal Selfiesticks. Direkt vor dem Stephansdom, ein Platz der eigentlich groß genug ist für einen Militäraufmarsch, gab es kein Durchkommen mehr. Ich war umzingelt von Touristen mit Selfiesticks.
Niemand sah, wo er hinlief und alle versuchten ein Selfie von sich mit dem Stephansdom zu machen. Sie standen sich dabei im Weg und ich konnte mich nur sehr beschwerlich durch eine wirr umherschweifende Engländermasse bewegen. Die Menschenmenge war so gewaltig, ich kam einfach nicht mehr heraus und wusste nicht, wo ich hinlaufen konnte. Als ich doch eine Passage entdeckte, durch die ich schlüpfen wollte, hatte ein Däne auf einem Segway die gleiche Idee und fuhr mich von hinten an. Eine Massenkarambolage, ihm folgten 7 oder 8 weitere Dänen, die einer nach dem anderen auf den Unfall auffuhren. Wir alle fielen zu Boden. Und nichts davon wäre passiert, wenn einige Menschen mehr geschaut hätten, wo sie hinlaufen.
9. Bamberger Bildrechte
Im Frühling 2018 war ich nach Bamberg eingeladen. Die Organisator*innen der SABA haben sich ein Bein ausgerissen, um alles gut zu organisieren. Sie wollten, dass ich komme um über ihre Tagung und über ihr einzigartiges Kulturerbe zu berichten. Es war tatsächlich eine schöne Zeit, hätte sie nicht einen Makel. Die jungen Studierenden wollten, dass ich berichte, um ihr einzigartiges Kulturerbe zu schützen. Die Idee: Kulturerbeschutz durch Aufklärung. Es gab Führungen, in denen viel zu dieser einzigartigen Stadt erklärt wurde. Doch dann kam es zu einem Problem: Die Stätten, die wir besuchten verweigerten mir die Bildrechte. In der Neuen Residenz wurde ich unwirsch abgebügelt und durfte kein einziges Foto machen. Der Dom entzog mir die Rechte meine Bilder vom Innenraum zu zeigen, weil ich meinen Bericht nicht nach ihren Vorgaben verfassen wollte. Oder anders gesagt: Ich hätte keine einzige kritische Bemerkung machen können. Der Besuch dieser Stätten war also für mich nichts weiter als eine Enttäuschung. Einer der Gründe warum ich angereist war, war nicht umzusetzen. Und auch für euch hatte ich danach nicht die Berichte, die ich geplant hatte.
Ich überlegte lange, wie ich mich verhalten solle. Eine Einmischung in redaktionelle Inhalte ist nämlich tatsächlich nicht mit der Pressefreiheit vereinbar. Letztendlich entschied ich mich dazu Energie zu sparen. Es gibt genug Kulturerbe auf dieser Welt. Und es gibt viele Stätten und Museen die sich darüber freuen, denn selbst wenn ich mich kritisch äußere, mache ich indirekt doch Werbung für diese Stätten. Wenn der Bamberger Dom und die Neue Residenz also offensichtlich keine Besucher*innen haben wollen, und die Besichtigung der Residenz lohnt sich, um ehrlich zu sein ohnehin nicht wirklich, warum sollte ich mich darüber abmühen ihnen dennoch welche zu beschaffen? Tatsächlich sehe ich das aber als kritisch an. Denn über die Bildrechte, die mir legal verweigert werden dürfen, wird hier in das Presserecht eingegriffen. Und das kann ich nicht gutheißen und dafür braucht es eine langfristige politische Lösung.
8. Innsbruck Hofburg
Manchmal sind Fremdschämmomente für mich aber auch an einzelne Personen gekoppelt. Ich hatte mich mit einigen Freunden in Innsbruck getroffen. Keiner von ihnen hat etwas mit Kulturgeschichte beruflich zu tun, aber dennoch wollten wir uns gemeinsam die Hofburg ansehen. Für diese Freunde, bin ich der Mensch der aus dieser Welt kommt und auch zu dieser Welt gehört, sie nehmen mich manchmal als Miss Jones mit, damit sie jemanden haben dem sie Fragen stellen können. Aber erst mal hatten wir alle Hunger und wollten noch etwas essen vor dem Besuch der Hofburg. In der Nähe holten wir uns an einem Stand Pizzaecken to go. Dann suchten wir uns einen Ort wo wir gemütlich sitzen und essen könnten und fanden auch irgendwann eine Parkbank.
Uns war nicht klar, dass wir schon auf dem Gelände der Hofburg waren. Während wir aßen, kam auf einmal ein Securitymann der Hofburg vorbei und fragte uns was wir da machen würden. Wir machen eine Pause, das würde man doch sehen, entgegnete einer meiner Freunde. Der Sicherheitsmann rastete aus. Wir sollen nicht so freche Antworten geben, wir seinen Zitat “asoziale”, das würde man schon daran erkennen, dass wir so etwas Widerwärtiges wie Pizza essen würden. Irgendjemand fragte den Sicherheitsmann, was dass denn nun sollte. Daraufhin bekamen wir alle Hausverbot. Ich habe die Hofburg in Innsbruck deswegen leider von innen nie gesehen. Aber ich finde, dass das Personal dort dringend eine Schulung im Umgang mit anderen Menschen braucht.
7. Fehlverhalten in Kirchen etc.
Eine Schulung in Verhalten brauchen aber auch viele Touristen. Gerade in Kirchen fällt es mir immer wieder auf. Dazu muss ich sagen: Ich bin selber nicht religiös und bin es nie gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist eine Religion ernsthaft zu praktizieren. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich es bei anderen Menschen nicht respektiere. Das bedeutet: Wenn ich in einem Gotteshaus bin, dann bin ich Gast. Und zwar Gast in einer fremden Kultur, mit Regeln an die ich mich halte. Das beginnt bei der Kleidung. Ich habe z. B. immer ein Tuch dabei, dass ich mir über die Schultern legen kann. Und immer wieder sehe ich einfach unpassend gekleidete Leute.
Aber das ist mittlerweile mein kleinstes Problem. Denn immer häufiger beobachte ich Menschen, die sich einfach daneben benehmen. In der St. Martin Kirche in Bamberg hat mich ein Ehepaar sprachlos zurückgelassen. Eine kleine Gruppe war gerade bei einem Gebet. Ich setzte mich ein paar Bänke weiter hin, lauschte der Predigt und wartete bis sie vorbei war. Schließlich war ich in keinem Zoo. Ein Touristenpaar sah das anders. Sie unterhielten sich während der gesamten Predigt lautstark, sodass kaum etwas zu hören war. Sie machten Fotos vom Inneren der Kirche. Der Mann hatte eine riesengroße Kamera und lief rückwärts durch die Gegend beim Fotografieren. Er lief mitten durch das Geschehen hindurch, blieb zwischen den betenden stehen, machte dabei dreist Fotos und unterhielt sich weiter lautstark mit seiner Frau. So etwas Respektloses habe ich selten gesehen.
6. Germanenopa im Steinzeitdorf
Respektlos können aber auch Museumsbesucher*innen sein. Vor allem die, die alles besser Wissen. Es ist im Steinzeitdorf Dithmarschen, während einer meiner ersten Semester. Ich mache ein Praktikum und stehe in einem Steinzeitkostüm an einem Webstuhl und erkläre wie dieser funktioniert. Dabei lerne ich schnell, es gibt tolle Besucher*innen, es gibt anstrengende Besucher*innen und es gibt den Germanenopa. Er spricht mich freundlich von der Seite an. “Sie tragen aber eine tolle germanische Tracht”, Ich entgegne freundlich “Das ist keine germanische Tracht, das ist Kleidung die auf Interpretationen beruht, tatsächlich wissen wir nur sehr wenig über die Kleidung der Steinzeit. Und die Steinzeit hat mit Germanen auch nicht viel zu tun …”, er unterbricht mich. “Nein, das ist eine germanische Tracht”. “Entschuldigen sie bitte, aber das ist es sicher nicht. Das Kostüm habe ich selber genäht und auch selber entworfen. Es ist zu 100% eine Interpretation der Jungsteinzeit, die ich mir ausgedacht habe”. “Nein, das haben sie nicht selber genäht, dass ist eine germanische Tracht”.
Dann beginnt er, mir einen vor SS-Ahnenerbe-Ideologie strotzenden Vortrag zu halten, darüber das ich eine Urgermanin sei. Das Problem an der Sache war aber nicht nur die indiskutable Ideologie, die er äußerte und das ich gar nicht mehr zu Wort kam. Wirklich unangenehm fand ich, dass er versuchte mir meinen Job zu erklären. Und das ist einfach nur unhöflich. Aber es ist ein Phänomen, dass ich immer wieder erlebe bei Führungen in Museen oder auch bei öffentlichen Archäologie Veranstaltungen. Das meistens alte Männer beginnen Menschen, die teils Jahrzehnte lang dieses Fach studiert haben, zu erklären wie es wirklich sei. Für ihnen entgegen gebrachte Argumente oder Hinweise haben sie hingegen gar kein Ohr. Neudeutsch wird das auch Mansplaining genannt. Ein Phänomen, dass ich nicht verstehe. Keiner hat etwas davon, und alle sind genervt. Ich frage mich, wenn man eh schon alles besser weiß, warum geht man dann überhaupt noch in ein Museum oder zu einem Vortrag? Und ich frage mich, warum Menschen die sich so verhalten, nie etwas beisteuern, was auch tatsächlich stimmt. Es sind meist ausgerechnet diejenigen, die am allerwenigsten über die Vorgeschichte wissen. In der Regel handelt es sich um wiedergekäute und oftmals längst widerlegte Narrative, teilweise sogar Verschwörungstheorien.
5. Mondsee Meckermenschen
Das Wiederkäuen von Narrativen hat mich persönlich schon einmal abgeschreckt mir eine ganze Gegend anzusehen. Ich war in Österreich unterwegs und hatte mich noch nicht entschieden, ob ich einen Abstecher zum Mondsee machen möchte. Im Regionalzug aber entschied das Schicksal für mich. Eine Oma setzte sich mir gegenüber. Zu Beginn war sie recht freundlich und sagte, sie würde dort in der Umgebung wohnen. Dann begann sie unentwegt über Flüchtlinge zu schimpfen. Ich hielt das kaum noch aus, hatte ich doch wenige Monate zuvor auf Lampedusa noch selber gesehen, was der Unterschied zwischen leben und sterben ist. Irgendwann unterbrach ich sie. Daraufhin sah sie mich feindselig an und begann mich zu beleidigen.
Wie ich denn überhaupt aussehen würde, dass ich so garantiert niemals Arbeit finden würde, dass ich eine Sozialschmarotzerin sein, die erst einmal einen Schulabschluss machen solle. Ich entgegnete ihr “Entschuldigung, ich habe studiert, ich bin Akademikerin”. Das würde ich ja wohl selber nicht glauben. Und selbst wenn, dann wäre ich bestimmt sehr schlecht gewesen. Sie hörte nicht auf. Fand irgendwann heraus, dass ich Archäologin bin. Und schimpfte dann noch auf der Archäologie herum und was für ein unnützes Zeug das sei. Als die Dame ausstieg, hatte ich keinerlei Lust auch auszusteigen. Die Idee, mir den Mondsee anzusehen, war mir gehörig vergangen. Für so etwas ungehobeltes möchte ich meine Zeit nicht verschwenden.
4. Rügen; am Kap Arkona
Mehr Lust hatte ich mir auf Rügen Kap Arkona anzusehen. Tatsächlich war ich als 10-Jährige mit meinen Eltern dort und habe die Ausgrabung besichtigt und ich wollte unbedingt sehen wie es dort heute aussah. Der Fundplatz liegt direkt an einer Steilküste an der Ostsee und stürzt nach und nach ins Meer. Informationen wie es dort heute aussieht, fand ich online nicht so schnell, aber ich musste ohnehin dorthin Fahren. Schließlich gelangte ich zu dem Minibusshuttle, der einen zu dem Fundplatz bringt. Ziemlich teuer ächzte ich. 15 Euro pro Fahrt.
Aber es sollte sich lohnen, denn Kap Arkona ist ein wunderbarer Fundplatz. Ich fuhr also in dem viel zu kleinen Busfahrzeug los. An Kap Arkona angekommen traf mich dann der Schlag. Ich hatte 15 Euro bezahlt um zu einem Schild gebracht zu werden, auf dem Stand das man den Burgwall nicht mehr besichtigen darf. Das war einfach mega dreist. Zwar besichtigte ich den Leuchtturm, aber insgesamt 30 Euro für hin und Rückfahrt zu verlangen für einen Ausflug zu einem “Betreten Verboten” Schild, das ist einfach unfassbar.
3. Die Teppichreiß-Frau im Naturhistorischem Museum Bern
Genauso fassungslos machte mich eine Museumsbesucherin im Bernischen Historischen Museum. In dem Museum gibt es einen Raum, der sich einem wunderschönen Wandteppich aus dem 14/15. Jahrhundert widmet. Es gibt eine Ecke, in der man in Fachbüchern blättern kann, aber es gibt auch ein Sofa, von dem aus man den gesamten Teppich in seiner vollen Ausdehnung betrachten kann. Dieses Kunstwerk ist gewaltig und sehr eindrucksvoll. Ich saß also auf dieser Couch und genoss diesen Anblick. Das Bernische Historische Museum hat diesen Raum wirklich toll gestaltet, sodass ich besonders lange und ausgiebig diesen Teppich betrachtete. Zwischendurch kamen andere Museumsgäste vorbei. Sahen sich den Teppich an von nahem und von weitem an, setzten sich neben mich, gingen wieder raus.
Irgendwann kam eine Frau herein. Sie lief schnurstracks auf den Wandteppich zu, griff ihn, und begann am ihm herumzuzerren und zu reißen. Sehr gewalttätig und sehr unachtsam. Sie hob ihn schließlich hoch und sah sich einen Moment lang die Rückseite an. Dann pfefferte sie den Teppich gegen die Wand und stampfte aus dem Raum heraus, während ich befürchtete das kostbare Stück würde gleich herunterfallen. Ich saß da. Fassungslos. Das Problem ist, wenn Menschen sich so rüpelhaft verhalten, dann ist es ein Unsicherheitsfaktor für Kulturgüter. Sie in dieser Form vertrauensvoll auszustellen ist nicht möglich, wenn sie dabei zerstört werden. Schade, denn gerade in diesem Museum ist mir das Vertrauen das den Besucher*innen entgegengebracht wird als besonders positiv aufgefallen und es war genau deswegen unglaublich schön dort zu sein.
2. Ein Menschliches Lama in Sevilla
Aber nicht nur diese Frau war rüpelhaft. In Sevilla hatte ich gleich eine ganze Aneinanderreihung an rüpelhaften Momenten. Ich wollte eigentlich einmal etwas über das archäologische Museum der Stadt hier schreiben, entschied mich aber dagegen. Tatsächlich hatte ich Kontakte mit dem Museum aufgenommen wegen der Bildrechte. Eine Sache die in Spanien besonders kompliziert ist. Einer der Museumsleiter gab sich besonders viel Mühe und auch die Frau am Schalter. Ich sah mir das Museum, das interessant aber mittelgut war, an. Am Ende wollte ich mich noch bedanken und ein Buch kaufen, dass ich in der Auslage gesehen hatte. Mittlerweile saß eine andere Frau am Schalter am Eingang. Ich redete mit ihr, und sie antwortete nur “Ablas espaniol”, und spielte mit ihrem Handy. Ich versuchte weiter mit ihr zu reden, zeigte auf das Buch, aber sie ignorierte mich. Schließlich sagte ich laut “Hola”, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken. Daraufhin begann sie mich anzuschreien. Ich verstehe nicht gut spanisch, aber das ich eine Scheis-Ausländer-Schlampe bin, die erst einmal anständig spanisch lernen solle, habe ich verstanden. Ein Museum, in dem ihr so behandelt werdet, möchte ich aber nicht empfehlen.
Solche Erlebnisse zogen sich bei meinem Besuch in Sevilla weiter durch. Ich machte einen Tag lang eine Tour auf den Spuren der jüdischen Geschichte der Stadt. Dazu hatte ich einen Stadtplan vom jüdischen Museum, auf dem alle Orte der jüdischen Geschichte eingezeichnet gewesen sind. Als ich an einer Straßenecke stand und auf den Plan sah, kam eine Frau zu mir. Sie fragte mich auf Spanisch ob sie mir helfen könne. Ich zeigte ihr den Stadtplan, auf dem ein Davidstern gedruckt war. Sobald sie diesen entdeckte, änderte sich ihre Stimmung. Sie spuckte mich an. Aber nicht nur in dieser, sondern in vielen weiteren Situationen reagierten die Einwohner von Sevilla gereizt auf mich als Ausländerin. Das Blöde ist. Ich kann sie sogar verstehen. Nicht das ich auf einmal Ausländerhass verstehen kann geschweige den Antisemitismus. Aber die Touristenmassen, die Sevilla belagern sind tatsächlich unausstehlich. Die Menschen benehmen sich wie im Zoo. In der Innenstadt gibt es kaum einen Millimeter ohne Touristen. Überall Selfiesticks, überall Touristenshops, überall Menschen die sich einfach nicht benehmen können. Das ist unangenehm und trägt nicht gerade dazu bei, dass die Einwohner von Sevilla den Besuchern gegenüber freundlich gesinnt sind. Aber ein Grund ausländerfeindlich zu werden, sollte das nicht sein. Offensichtlich gibt es in Sevilla einen dringenden politischen Handlungsbedarf. Auch gegen Judenfeindlichkeit.
1. Ravenna Nationalmuseum
OK, wenn Angespuckt werden, als Schlampe bezeichnet werden, oder ein Hausverbot bekommen, weil man auf einer Parkbank ein Pizzastück gegessen hat, nicht das beschämenste Erlebnis gewesen ist, dass ich jemals hatte, was ist es denn dann? Es ist ein Moment, über den ich mich bis heute unglaublich aufrege. Ich bin extra nach Ravenna gefahren um mir für euch das Nationalmuseum anzusehen. Jahrelang hatte ich davon geträumt. Es war wirklich einer meiner größten Träume überhaupt. Als ich angekommen bin, war noch alles normal. Ich schrieb sogar ein paar Sätze in das Gästebuch. Ich sah mich um, sehr langsam und gemütlich. Nach ca. einer Viertelstunde stand dann der Sicherheitsmann neben mir. Ich solle sofort das Museum verlassen. Ich fragte ihn nach dem Grund und er meinte, es gebe keinen. Ich hielt das für einen Scherz. Schließlich standen auch zwei Frauen neben mir. Auf der Stelle solle ich gehen. Ich versuchte mit den Menschen die mich anschrien zu diskutieren und schrie auch zurück. Schließlich zeigte sich, dass ich nicht die einzige war die gehen sollte.
Ich wechselte die Sprachen, um mich irgendwie verständlich zu machen. Schließlich stellte sich heraus, dass sie das Museum jetzt schliessen wollten. Ein anderer Gast argumentierte, dass auf dem Schild steht, dass das Museum noch vier Stunden geöffnet hätte. Es stellte sich heraus, dass das Personal gerade spontan beschlossen hatte, dass sie einfach keine Lust hatten noch vier Stunden zu arbeiten und das sie deswegen jetzt einfach alle Gäste vor die Tür setzen. Ohne einen Anlass, sondern schlichtweg und einfach, weil sie keinen Bock hatten. Das dreiste war aber, dass eine Frau, die vorher immer nur herum brüllte ich solle kein Deutsch reden, weil sie das nicht versteht, tatsächlich sehr gut verstanden hat, als ich zu einem anderen deutschen Gast sagte “Ich bin Museumskritikerin, sind die sicher, dass die hier wollen, dass ich das hierüber in eine Kritik schreibe?”. Daraufhin sollte ich eine schnelle Sonderführung durch das Museum bekommen, um nur nichts Schlechtes zu schreiben. So etwas Dreistes! Ich kann doch keine gute Kritik über ein Museum verfassen, aus dem man einfach heraus geworfen wird, wenn den Angestellten nicht nach Arbeiten zu mute ist.
Und was lernt man aus diesem Käse?
Der Punkt bei all diesen Geschichten ist einer: Wir alle können etwas daran ändern. Denn jeder von uns ist schon einmal in einer dieser vielen Rollen gewesen. Das Prinzip ist dabei ganz einfach: Sei respektvoll. Es schickt sich ohnehin nicht jemanden zu beleidigen. Und es ist rüpelhaft sich, wenn man irgendwo zu Gast ist, nicht zu benehmen, oder aber Gäste auszuspucken oder ähnliches. Wir alle sind Teil dieser Probleme, da nehme ich mich selbst nicht aus, aber wir können auch alle Teil der Lösung sein. Doch auch politisch braucht es einige Lösungen. Denn überlaufende Städte sind am Ende weder für die Besucher*innen noch für die Anwohner*innen schön. In Hallstatt, ein Ort der von chinesischen Touristen hoch frequentiert wird, gibt es mittlerweile erste Ideen dafür. Beispielsweise Maximalanzahl an Touristenbussen die dort halten dürfen. Tatsächlich ist das aber nur eine erste Idee und vielleicht auch nicht die Beste. Klar ist: Jeder von uns entdeckt gerne die Welt und keiner von und möchte behandelt werden wie ein Zootier. Doch diese Verhaltensweisen spitzen sich immer weiter zu. Und deswegen denke ich, wir sollten zum einen über Respekt, zum anderen aber auch über politische Ideen reden, wie wir in Zukunft mit dem Phänomen Tourismus und Kulturerbeschutz umgehen wollen. Gerade weil ich kommen sehe, dass sobald wieder alle auf die Straße dürfen und diese Virusepisode überstanden ist; Das viele die neue Freiheit sehr extensiv nutzen werden. Dabei habe ich natürlich die Hoffnung das wir alle zusammen die Welt weiter entdecken können und das uns das Kulturerbe verbindet und nicht voneinander trennt.
Wenn du eine tolle Idee hast was man machen könnte, lass doch einen Kommentar da. ich würde mich darüber freuen!
Literatur:
https://www.focus.de/reisen/italien/kampf-gegen-massentourismus-touristen-ansturm-in-florenz-wer-hier-sitzt-und-isst-dem-droht-jetzt-eine-saftige-strafe_id_9545748.html
https://www.watson.de/international/reise/276412582-tourismus-venedig-als-negativbeispiel-staedte-kaempfen-gegen-touristenmassen
https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/panorama/frau-verursacht-200000-schaden_aid-43424161
https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/panorama/frau-verursacht-200000-schaden_aid-43424161
https://www.focus.de/reisen/oesterreich/focus-online-in-oesterreich-touristen-ueberrennen-alpen-dorf-jetzt-wehren-sich-die-einwohner-gegen-die-massen_id_11012088.html