Australien ist nicht nur der kleinste Kontinent – er erstaunt auch immer wieder mit der reichhaltigen Kultur der indigenen Gruppen, die diesen Kontinent über Jahrtausende geprägt haben. Die Spuren dieser Geschichte finden sich auch in der sog. Oral History – also in der Erzählkultur. Und diese kann ebenso kulturwissenschaftlich untersucht werden:
Bei Buschfeuern im australischen Regenwald sind archäologische Spuren der Gunditjmara freigelegt worden – daher kennt ihr diese Kultur bereits. Doch es gibt eine ganz andere, ganz besondere Erkenntnis zu eben dieser Kultur: Forschungen zeigen, dass sie die vmtl. älteste Geschichte der Menschheit erzählen.

Ein Blick auf die Hydrokultur zeigt, wie beeindruckend die Strukturierung der Landschaft durch die Gunditjmara ist (Bild: Mertie [CC BY 2.0]).
Eine wirklich lange Tradition
Den Gunditjmara selbst war lange bewusst, dass es sich um eine sehr, sehr alte Erzählung handelt, die sie ihren Kindern erzählen, und die auch ihnen schon als Kind erzählt wurde. Sie wussten nur nicht, wie alt diese Erzählung ist.

Ein Blick in den Budj Bim Nationalpark zeigt die wasserreiche Kulturlandschaft (Bild: Dhx1 (CC0 1.0)).
Aber es ist eine einprägsame Geschichte, die sich in das Gedächtnis der südostaustralischen Kultur eingebrannt hat. Diese Geschichte hat sogar die Verfolgung in der Kolonialzeit überlebt. Die Gunditjmara sind eine Kultur, die halbnomadisch auf einem Wasserwegenetz gelebt hat, von Fischerei, und Handel. Ihre Aquakultur ist heute sogar UNESCO-Weltkulturerbe, und dieses Leben wurde von einer sehr gewaltigen Kraft gestört:
In ihrer Geschichte geht um einen Vulkanausbruch
Und einen solchen Vulkanausbruch gab es in dieser Gegend zuletzt vor 37.000 Jahren. Doch nicht nur das wird als Hinweis herangezogen, um diese Geschichte zu datieren, sondern auch Ausgrabungen. Unter Gesteinsschichten, die bereits in den 40er Jahren beim Budj Bim Nationalpark untersucht wurden und die eindeutig diesem Vulkanausbruch zuzuordnen sind, wurden Artefakte gefunden.

Im Nationalpark sind Spuren der halbnomadischen Kultur und ihren Steinbauten gut zu erkennen. Hier lässt sich die Geschichte auch geologisch erforschen (Bild: Denisbin (CC BY-ND 2.0)).
Steinäxte, die man den frühen Aborigines zuordnen kann, die hier schon vor 50.000 Jahren lebten. Diese Menschen haben im Laufe der Zeit verschiedene Kulturen, wie auch die Gunditjmara hervorgebracht. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass diese Kultur eine 37.000 Jahre alte Geschichte bewahrt hat. Der Wortlaut mag sich zwar unterscheiden, aber ungefähr so lautet sie seit dem:
„Long ago, four giant beings arrived in southeast Australia. Three strode out to other parts of the continent, but one crouched in place. His body transformed into a volcano called Budj Bim, and his teeth became the lava the volcano spat out.“
Der Vulkanausbruch muss eine Katastrophe und ein Schreck gewesen sein, den man sich in dieser Kultur gemerkt hat. So eindrücklich, dass man es immer weiter erzählt hat. Und das zeigt auch ganz grundsätzlich, wie Erinnerungskultur funktioniert. Aber auch, wie ganze Kulturgeschichten von Katastrophenereignissen geprägt werden. Auch in Europa kennt man das. Hier ist der Vulkan Thera ausgebrochen, und ein Tsunami entstand im Mittelmeer. Dieser zerstörte beispielsweise die Siedlung Gournia.

Ein Blick auf die Bodenschichten in Gournia zeigt: Ein unglaubliches Durcheinander an Scherben ist zu beobachten. Vmtl. ausgelöst durch die Katastrophe (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Wenige hundert Jahre später entsteht dann der Mythos vom versunkenen Atlantis. Es ist gut möglich, dass diese Geschichte aus der kulturellen Erinnerung an eine Tsunamikatastrophe entstanden ist – und das ist ja bei weiten mich die einzige Katastrophenerzählung, die wir kennen. Was wirklich überraschend ist, ist aber, wie lange sich eine Erzählung erhalten kann. Und diese älteste Geschichte der Welt, der Gunditjmara ist genau deshalb einfach nur zum Staunen.
Literatur:
https://www.sciencemag.org/news/2020/02/aboriginal-tale-ancient-volcano-oldest-story-ever-told