Die Rezeptur der ägyptischen Mumien

Die Mumien der alten Ägypter verzaubern uns bis heute. Die gut erhaltenen Toten einbalsamiert und bandagiert in Sarkophagen. Aber wie genau wurden die Toten eigentlich einbalsamiert? Dazu gibt es zwar viele Ideen, aber die Texte, die in Hieroglyphen dazu überliefert sind, sind teils schwer zu übersetzen. Es sind sozusagen die Texte der Chemiker*innen dieser Zeit. Der Fund einer Einbalsamierungswerkstatt, und das Know-how der Vorgeschichtsforschung haben einen weiteren Einblick in die Welt der alten Ägypter und ihre Rezepturen ermöglicht:

Warum ist es so schwierig, die Chemie des alten Ägypten zu übersetzen?

Seit Chapollion 1822 den Stein von Rosetta entschlüsselt hat, ist es möglich, die Sprache der Alten Ägypter zu lesen. Man hat nach und nach ein Wort nach dem anderen decodiert. Oftmals aus dem Sinnzusammenhang heraus. So wurde die Kenntnis über die Hieroglyphenschrift immer detaillierter und man konnte immer mehr

Ein Bild vom Stein von Rosetta

Mit dem Stein von Rosetta konnten das erste Mal Hieroglyphen entziffert werden, weil hier der gleiche Text in drei Sprachen übersetzt steht (Bild: Olaf Hermann).

Texte aus dem alten Ägypten übersetzen. Aber manchmal ist es dann doch schwierig, ein Wort zuzuordnen. Und das gilt vor allem für Worte, die selten benutzt wurden, und dann auch noch Bezeichnungen für ganz bestimmte Zutaten sind, z.B. in einem Rezept, das erklärt, wie man einen Körper einbalsamiert. So findet sich in den Anleitungen immer wieder, dass man “Antiu” zum Einbalsamieren benötigt. Aber: Was ist Antiu? Bislang dachte man, aus Sinnzusammenhängen geschlossen, es könnte vielleicht Weihrauch sein.

Der Fund einer Einbalsamierungswerkstatt

Wenn man nicht weiter weiß, muss man weiter forschen. Und in Sakkara kam tatsächlich eine Einbalsamierungswerkstatt aus der Zeit zwischen 664 und 525 v. Chr. zutage, die damals vmtl. ein Feuer nicht überstand, aber deren Überreste Archäolog*innen nun freilegen konnten. Es handelt sich also um eine Einbalsamierungswerkstatt aus der 26. Dynastie. Der Vorteil bei diesem Fund ist, es sind sehr viele Gefäße für Zutaten gefunden worden. Diese Gefäße waren beschriftet. Natürlich vergehen die Zutaten in den Gefäßen im Laufe der Jahrtausende, die sie bis

Auf den Stufen eines Befundes sind unzählige Keramiken aufgereiht.

Die Gefäße, die in der Werkstatt gefunden wurden (Bild: M. Abdelghaffar).

heute überdauert haben. Aber man kann versuchen, die manchmal nur mikroskopisch kleinen Ablagerungen an der Gefäßinnenwand zu analysieren. Eine Methode, die man eigentlich in der Vorgeschichtsforschung verwendet. In Kulturen der Vorgeschichte gab es keine Schrift und niemand war so nett, die Gefäße mit dem Inhalt zu beschriften. Hier können Vorgeschichtsforscher also helfen, rückwärts vorzugehen und von der Analyse des Inhalts her die chemischen Vokabeln, die auf den Gefäßen geschrieben stehen, zu entschlüsseln.

Wie untersucht man die Rückstände?

Untersucht wurden die Gefäße also gemeinsam mit Vorgeschichtsforschern. z.B: Philip Stockhammer unterstützte die Untersuchungen. Der hat zuvor schon mit Gefäßrückständen gearbeitet und dabei z. B.: Die Gelage von Kelten betrachtet. Bei so einer Untersuchung werden unter Laborbedingungen die Anhaftungen in dem Gefäß entnommen. Und dann untersucht man die chemische Zusammensetzung mit dem Massenspektrometer. Wenn man die chemische Zusammensetzung kennt, kann man wiederum schauen, was man braucht, um diese chemische Zusammensetzung zu

Ein Chemisches Diagramm.

So sah das Ergebnis der Massenspektrometer Analyse aus. Im oberen Diagramm ist Antiu dargestellt (Bild: Nature).

erzeugen, weil man z.B. die chemische Zusammensetzung von Weihrauch kennt. War im Falle von Antiu schnell klar: Es handelt sich nicht um Weihrauch! Also muss man weitere Vergleiche finden, die zu der chemischen Struktur passen, bis man herausgefunden hat, was Antiu ist. Es kann natürlich auch sein, dass das Gefäß einfach Falsch beschriftet war, oder aber dass man das Gefäß falsch befüllt hatte. Aber weil es gleich mehrere Gefäße mit der gleichen Bezeichnung gab, konnte man auch diese weiteren Gefäße untersuchen, um das Ergebnis abzusichern. Eine ganze Werkstatt zu finden, ist also ein echt hilfreicher Fund.

Und was war jetzt das Ergebnis? Was hat man genutzt, um Menschen zu mumifizieren?

Es kann natürlich sein, dass sich Rezepte im Laufe der Zeit verändert haben. Aber man konnte einen Teil des Vokabulars entschlüsseln, mit dem diese Rezepte beschrieben werden. Antiu z.B. ist eine Mischung aus Zedernöl, Wacholder- bzw. Zypressenöl und Tierfett. Aber das Mumifizieren war viel komplizierter als gedacht, so gibt es verschiedene Substanzen für die Konservierung einzelner Körperteile. Eine Mischung aus Pistazienharz und Rizinusöl war beispielsweise einzig der Balsamierung des Kopfes vorbehalten. Spezielle Harze wurden einzeln aufbewahrt, zum Beispiel gab es

Eine schematische Grafik, die die Rezeptur für die einzelnen Körperteile zeigt.

So konnte die Vorgehensweise beim Mumifizieren jetzt noch genauer nachvollzogen werden (Grafik: S. Lucas).

einzeln verpacktes Pistazienharz. Außerdem konnte man zeigen: Die Zutaten wurden angemischt – in 51% der Gefäße waren die Zutaten in Tierfett eingerührt worden. Bei 14% in Pflanzenölen. Und die weiteren Übersetzungen, die man mit diesen neuen Erkenntnissen machen konnte, zeigen immer detaillierter, wie eine Mumifizierung vorgenommen wurde. Wie die Bandagen aufgetragen wurde und wie z.B. Bienenwachs oder auch Bitumen genutzt wurde. Überraschend bei der Analyse der Beschriftungen war dann aber noch eines: dass sich in 43% der Gefäße Elmi befand und in einer Schale konnte sogar Dammar gefunden werden.

Was zum Geier ist jetzt schon wieder Elmi? Und was ist Dammar?

Bei Elmi handelt es sich um eine Baumart, die in tropischen Gebieten wächst, deren Harz sich in den Gefäßen befand. Also weit weg von den Regionen, wo die alten Ägypter lebten. Elmi findet man im tropischen Bereich Afrikas und auch in den asiatischen Tropen. Elmi wurde also für die Mumifizierung von weither importiert, genauso wie Dammar. Auch dabei handelt es sich um Baumharz, in diesem Falle von

Im Hintergrund die Pyramide von Sakkara, im Vordergrund: Arbeiter in der Wüste.

Ein Blick auf die Ausgrabungsfläche, auf der die Einbalsamierungswerkstatt gefunden wurde (Bild: S. Beck).

einem Baum, der vor allem in Indien verbreitet ist. Das heißt, diese Analyse zeigt nicht nur, wie ausgeklügelt die chemischen Rezepte der Einbalsamierer gewesen sind. Viel mehr sehen wir, wie weit von Ägypten entfernt die Zutaten für die Einbalsamierung entstanden. Sie wurden importiert. Und weil sie regelhaft verwendet wurden, schließlich waren sie Teil der Kultur, mussten sie regelhaft importiert werden. Und das zeigt vor allem eines:

Das alte Ägypten war kein Monolith

Oft hat man den Eindruck, es gab da diese eine, diese erste Hochkultur: Das Pharaonenreich. In den Regionen drumherum lebten die Menschen in Höhlen und grunzten. Das ist falsch. Das Alte Ägypten war sicherlich besonders spannend, aber es war eingebettet in diese Welt, mit Kontakten zu den Kulturen in ihrer Umgebung und zu den Kulturen weit weg. Es war ein Absatzmarkt, wo Waren aus aller Welt gehandelt wurden – von Ostseebernstein, kretischer Keramik, über Elmi und Dammar bis hin zu

Ramses II - Der Kopf der Mumie im Profil

Ausgerechnet in der Nase hatte die Mumie von Ramses II Pfeffer. (Bild: Gemeinfrei)

Bananen und Pfeffer. Das kann man auch beweisen, weil man beispielsweise im Zahnstein der Menschen dieser Zeit nachgesehen hat. Es war kein abgekoppelter Monolith, sondern vielmehr Bestandteil der damaligen Welt. Und das zeigt sich sogar im allerheiligsten der Ägypter – im Totenkult, der nur durch die Handelskontakte über weite Strecken hinweg in dieser Form möglich war. Und das macht die Ergebnisse dieser Untersuchung noch interessanter.

Du findest solche Einblicke in die Erforschung unserer Geschichte spannend? Dann kannst du hier ein Trinkgeld per Paypal schicken, denn Miss Jones geht jobben, um diese Seite zu finanzieren.

Literatur:

https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/archiv/archivfullview-pressemitteilungen/article/die-chemie-der-mumifizierung-spuren-einer-globalen-vernetzung/

https://www.nature.com/articles/s41586-022-05663-4