Das Grab der toten Krokodile

Zweite Septemberwoche 1994, Samstag, Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Vor einer Krokodilmumie steht ein 6 Jahre altes Mädchen mit blondem Haar. Es ist erst wenige Wochen her, dass sie ihren ersten Schultag hatte. Sie ist fasziniert. Ein Museumsguide erklärt, dass es immer wieder mumifizierte Krokodile im alten Ägypten gab. Dass man damit dem Gott gehuldigt hat, der den Nil zum Fließen brachte, was im

Eine 2019 entdecke Krokodilmumie.

alten Ägypten der Motor des Lebens war. Das kleine, blonde Mädchen hat noch nie etwas Spannenderes gehört. Seit diesem Tag beschäftigt sie sich mit Archäologie. 30 Jahre später wurde ein weiteres Krokodilgrab freigelegt und ihr alle kennt dieses Mädchen aus dem Museum mittlerweile als Miss Jones. Und damals wie heute entlockt mir der Anblick einer Krokodilmumie die gleiche Reaktion. „Wow“ einfach nur „Wow“. Mit der Faszination, die ich mir seit damals bewahrt habe, nehme ich euch deswegen heute mit in das Ägypten vor 2500 Jahren:

10 ausgetrocknete Krokodile

Es ist brüllend heiß. Die Krokodile, die in den Netzen waren, werden an Land gebracht. Die Sonne scheint sie von oben an. Keine Gewalt soll an den kostbaren Opfertieren zu sehen sein, wenn man sie mumifiziert, deswegen werden sie in der Sonne

Grabkammer von oben

Am Anfang dachte man noch es handelt sich um 11 Krokodile, aber Nummer 2 und 4 sind ein und dasselbe Tier.

zurückgelassen, bis sie verdurstet sind. Dann trocknet man sie in einer Sandgrube vollständig aus. Das ist eine einfache, aber wirkungsvolle Mumifizierungstechnik. Nicht so anstrengend wie das Mumifizieren früherer Zeiten. Die ausgetrockneten Krokodile werden dann noch mit Leinen umwickelt, von dem heute nur noch Fetzen erhalten sind. Alle 10 Krokodile werden gemeinsam zur letzten Ruhe gebettet, in einer Grabkammer,

Solche Kleinfunde sprechen von der Planung und der Arbeit als das Grab angelegt wurde.

die extra dafür angelegt wurde. Eine solche Zweitbestattung nett man Sekundärbestattung. Man kennt so aufwändige Bestattungsbräuche aus den verschiedensten Kulturen vor allem für Menschen, nicht aber unbedingt für Krokodile. Sie sind eine Bitte an die Götter. Werden Krokodile doch wegen ihrer Stärke verehrt.

Aber was wissen wir eigentlich genau über dieses Krokodilgrab?

Die Krokodile werden an einem wichtigen Ort beigesetzt. Am Berg Qubbet el-Hawa. Der Berg ist für seine Totenstadt bekannt und liegt in der Nähe von Assuan. Und auch wenn in solch einer Totenstadt Bestattungen von Haustieren bekannt sind, ist ein Grab mit gleich 10 Krokodilen etwas Ungewöhnliches. Dass die Krokodile mit Netzen

Der Erhalt ist wirklich bemerkenswert.

gefangen wurden und dass man sie dem Tod durch Austrocknung ausgesetzt hat, das wird aufgrund des Zustands der Mumien vermutet. Man kennt Darstellungen davon, wie im alten Ägypten Krokodile mit Netzen gejagt wurden. Zudem haben die Krokodile  keine Verletzungen, die auf eine Gewalteinwirkung schließen lassen. Es scheint wichtig gewesen zu sein, die Tiere so unbeschädigt wie möglich zu lassen. Man datiert sie anhand der Mumifizierungstechnik in das 5. Jahrhundert v. Chr.

Wie wurden die Krokodile mumifiziert?

Die Krokodile sind in der Sonne anscheinend ausgetrocknet worden und danach hat man die ganzen Körper ausgetrocknet. Dafür wurden die Krokodile in Sand begraben und gewartet, bis die Körper ganz ausgetrocknet gewesen sind. Auch die Organe wurden nicht entfernt. Das kann man daran erkennen, dass man in den Mumien Gastrolithen gefunden hat. Das sind Magensteine, die sich in den Krokodilorganen entwickeln. Gastrolithen helfen den Krokodilen dabei Unterwasser die

Die Gasrolithen wurden bei der Untersuchung der Mumien entdeck

Schwerkraft besser wahrzunehmen. Die inneren Organe der Krokodile wurden also mit ausgetrocknet. Dann wurden die Tiere wieder ausgegraben und in ihre letzte Grabstätte niedergelegt. Bei solchen Sekundärbestattungen (also Zweitbestattungen) gehen oftmals Teile des Körpers verloren. Das gilt für Menschen-, sowie für Tierkörper. Und das Phänomen kann man auch bei den Krokodilmumien erkennen. Zwar hat man die Krokodile nach dem Austrocknen mit Leinen umwickelt – aber es sind zum Teil kleinere

Von einigen Krokodilen wurden nur die Köpfe beigesetzt.

Knochen verloren gegangen. Das kann man daran erkennen, dass zwar die Knochen fehlen, aber die Krokodile auch an diesen Stellen keine Spuren von Gewalt tragen. Von 5 der Krokodile wurde von vornherein nur der Kopf beigesetzt – und auch diese Köpfe tragen keine Spuren von Gewalt. Man hat die Köpfe also nach der Mumifizierung der Körper vom Rumpf abgetrennt. Bemerkenswert ist der Erhalt dieser Mumien, die durch diese einfachen Konservierungsverfahren ohne viel Aufwand mumifiziert wurden. 3.5 m ist das längste Krokodil und es ist fast vollständig. Zu Teilen ist noch die Krokodilhaut

Die Krokodilhaut ist noch gut zu erkennen bei dieser Schnauze

vorhanden und die sanften Musterungen sind zu erkennen. Die gesamte Niederlegung wurde offenbar von vorne bis hinten sorgfältig geplant und durchgeführt. Auch die Spuren, welche vom Anlegen des Grabes bis heute erhalten sind, zeugen davon. Es handelte sich um eine aufwändige Opferung, die hier vor 2500 Jahren gemacht wurde.

Aber warum opfert man Krokodile?

Wahrscheinlich als Opfer für den Gott Sobek. Sobek – alleine der Name bedeutet schon: Krokodil. Und Sobek wird immer wieder als Krokodil dargestellt. Oder er hat einen Krokodilkopf auf einem Menschenkörper. Er ist der Gott der Fruchtbarkeit, der Gott des Nils. Angeblich soll der Nil selbst aus seinem Schweiß bestehen. Er hat das Land Ägypten fruchtbar gemacht. Und er wird im Laufe der altägyptischen Zeit auch immer mächtiger. Am Ende, unter den Ptolemäern, hat er seine größte Blüte. Und so kommt es vielleicht deswegen, dass 200 Jahre nach der Opferung in der direkten

vorptolemäischen Zeit einige Bestattungen im direkten Umfeld der 10 Krokodile gemacht werden. Vielleicht waren die 10 Krokodile da auch schon lange wieder vergessen. Kurze Zeit später sind es die Ptolemäer selbst, die sich in direkter Ahnenreihe zum Krokodilgott Sobek sehen. Krokodile gelten als stark. Und wegen ihrer großen Zähne werden sie auch gefürchtet. Und diese Krokodile wurden so aufwändig niedergelegt – vmtl. weil es einen großen Wunsch gab, der Sobek gegenüber geäußert wurde. Was das wohl für ein Wunsch war?

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Literatur:

https://doi.org/10.1371/journal.pone.0279137 (Dieser Publikation sind alle Bilder entnommen)

https://www.eurekalert.org/news-releases/976290?

https://www.smithsonianmag.com/smart-news/cache-of-mummified-crocodiles-discovered-in-egypt-180981487/

https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/01/altaegyptische-opfergabe-zehn-mumifizierte-krokodile-in-grab-entdeckt

Ägyptische Grabstätte mit zehn Krokodilmumien entdeckt

 

Sobek – Herr des Wassers, Gott der Fruchtbarkeit