Leserfrage: Seit wann gibt es Gesellschaftspiele

Manche Fragen von euch sind die aller tollsten und ich sammle sie, weil ich dann sooooo tolle Artikel schreiben kann. Diese hier kam aber direkt per Telefon von einem ehemaligen Mitschüler. Und ich dachte, was für eine interessante Frage, ich mach´ gleich mal einen Artikel draus. Dabei ist mir eines klar geworden: Die exakte Antwort auf die Frage ist nicht möglich. Ein Spielbrett, das kann man mit einem Stock ganz einfach in den Sand zeichnen – das hält sich nicht durch die Jahrtausende. Kartenspiele sind genauso schwierig zu rekonstruieren, Papier zerfällt mit der Zeit – die ältesten bekannten Kartenspiele sind erst 500 Jahre alt. Klar ist aber auch, in vielen Religionen ist das Spielen nicht gestattet und es ranken sich immer wieder Geschichten darum. Im Christentum z.B. wird erzählt, dass die Henker Jesu Mor(r)a (das ist so ähnlich wie Stein-Schere-Papier) gespielt haben, um die Kleidung Jesu unter sich aufzuteilen. Spiele stehen also für Geselligkeit, polarisieren aber auch. Und deswegen stelle ich euch einige Spiele mit besonders langen Geschichten vor:

Die Geschichte der Würfelspiele kurz erzählt

Würfelspiele haben sich vmtl. in antiken Kulturen herausgebildet. Sie sind eine Weiterentwicklung von Spielen, die man vmtl. schon seit dem Neolithikum (Jungsteinzeit) mit Astragalen gespielt hat – Das sind Sprunggelenksknochen, auf denen Werte markiert waren-. Man hat sie im Grunde wie Würfel geworfen. Weil diese Knochen aber nicht ganz gleichmäßig waren, wurden sie irgendwann bearbeitet, der Würfel entstand.

Ein Mädchen, halb sitzend, halb kniend würfelt mit Astragalen.

Römische Kopie einer hellenistischen Skulptur. Ein Mädchen, das mit Astragalen spielt, wird gezeigt (Bild: Kabel ( CC BY 2.5 )).

Im alten Ägypten galten Würfelspiele als mythologisch. Der Gott Theut wurde als Erfinder des Würfelspieles angesehen. Aber auch späterhin wurden Würfel immer wieder als mythisch wahrgenommen so gibt es Funde von römischen Astrasgalen mit mythischen Sprüchen oder auch einen Fund aus dem Besitz eines hohen neuassyrischen Beamten. Es handelt sich um einen Würfel, mit dem man in Keilschrift geschriebene göttliche bitten Würfeln kann. Würfel wurden immer beliebter, es gab schließlich sogar eigene Werkstätten für die Würfelproduktion. Die Älteste, die ich kenne, stammt aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und wurde in Jerusalem ausgegraben.

Zwei Astragale von verscheidenden Tieren, sie sind verschieden groß. Und zwei verschieden große Würfel. Der größere ist augenscheinlich aus mehreren Einzelteilen zusammengeklebt. Der kleine besteht aus einem dunklen Material.

Astragale und Würfel aus der Zeit der Römer. Ausgestellt im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main.

Bei den Römern gab es dann bestimmte Augenwerte, die Eigennamen hatten. Die höchstmögliche Augenzahl hieß Venus, die niedrigste Hund. Würfel wurden zu Glücksbringern und deswegen teils als auch als Schmuck an einer Kette getragen. Zwischenzeitlich haben die Römer sogar eine eigene Würfelform erfunden, die nur vier Seiten hatte. Die Werte 1 und 2 gab es auf diesen Würfeln nicht. Aber sosehr die Römer Würfelspiele mochten, sosehr versuchten sie zu betrügen. Es sind Würfel bekannt, mit verstecken Bleieinlagen oder aber mit zwei 6ern ohne eine 1.

Die Geschichte der Brettspiele

Das Problem bei Spielbrettern ist nicht nur, dass sich Spielbretter nur selten erhalten, sie können auch in den Sand gezeichnet werden sein. Das älteste bekannte Brettspiel zum Klappen stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde in Aschaffenburg gefunden. Man hatte 1852 bemerkt, dass es sich bei einem Reliquienbehälter ursprünglich um ein Spielbrett handelte. Aber Brettspiele sind sehr viel älter als dieser Fund:

Ein gläserndes Mühlespiel, vollbesetzt mit Spielfiguren. Es handelt sich um helle und Dunkle gerillte Kreise aus Knochen.

Auch bei diesem Fund mit Spielsteinen ist das Spielbrett nicht erhalten. Zu welchem Spiel die Figuren gehörten, ist also Interpretation (Ausgestellt im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main).

Es gibt Spiele, die erfreuen sich nur eine Zeitlang einer bestimmten Popularität. Im 7. Jahrhundert zum Beispiel gab es das Spiel Wolf und Schafe. Dieses Spiel ist mittlerweile fast vergessen. Es handelt sich um ein Belagerungsspiel, bei dem ein Angreifer gegen einen Verteidiger spielt. Andere Spiele wandern um die Welt. Z.B. Trick-Track, das angeblich von den Phöniziern erfunden wurde, aber schon lange zuvor in Indien bekannt war. Und es gibt Spiele, die werden seit Jahrtausenden gespielt, aber wir kennen sie in unserem Leben nicht, denn in Europa waren sie nie populär. In der Umgebung vom Roten Meer entwickelte sich im 4. Jahrhundert v. Chr. z.B. Mancala. Das ist ein Spiel, dass man in Mitteleuropa nie kannte, dass aber bis heute weit verbreitet gespielt wird.

Mit diesen kleinen Mulden konnte man Mancala spielen. Es ist also ein Spielbrett aus dem 5.  oder 6. Jahrhundert in Aksum in Äthiopien (Bild: Freie Lizenz)

Das berühmteste Brettspiel aus archäologischen Zeiten ist vermutlich das ägyptische Senet. Ein Spiel das auf Zeichnungen mit Lebenden sowie Toten gezeigt wird und dass in Grabkammern im alten Ägypten gefunden wurde. Man spielte es mit zwei Personen, die mit Astragalen würfelten und die Figuren fortbewegten. Die Figuren werden dabei in das Spielbrett gesteckt. Auf einigen ägyptischen Spielbrettern haben sich bestimmte Inschriften erhalten, die mit dem Totenkult in Zusammenhang stehen. Aber: die genauen Regeln sind heute unbekannt. Mit Senet vergleichbare Spiele, ohne religiöse Texte, sind aber schön länger bekannt. Auch sie gehen vmtl. ins Neolithikum zurück. Funde aus der palästinensischen Region und Mesopotamien deuten darauf hin. Zudem gibt es dieses Spiel im Iran, auf Zypern und auf phönizischen Fundplätzen. Die Funkontexte sind dabei vielfältig. Man findet Senet in Wohnbereichen, Palästen und auch Tempeln.

Eine Elfenbeinspielkiste mit verschiedenen Figuren. Die einzelnen Spielfelder sind in das Brett hineingeschnitten, sodass die Figuren in den Feldern Stehen. Das Brett selber ist gleichzeitig eine Schublade artige Kiste, in die man die Spielfiguren hineinlegen kann.

Dieses Senetspiel stammt aus dem Grab von Tut Anch Amun (Bild: Denisenkov (CC BY-SA 2.0)).

Zwei ebenfalls sehr alte Spiele sind Mühle und Dame. Das weiß man, weil man immer wieder Graffitis findet. Man hat das Spielbrett einfach auf den Boden gemalt, um spielen zu können. Solche Graffitis findet man gerade in Gotteshäusern verschiedenster Religionen häufig. Gerade an Orten, wo Menschen sich langweilten und sich die Zeit vertrieben. Und das, obwohl in nahezu allen Religionen das Spielen verboten ist. Aber: Menschen sind eben Menschen. Und übrigens ein kleiner Hinweis: Die Idee, dass das Damespiel Damespiel heißt, weil es so einfach ist, dass es sogar Frauen verstehen, ist ein Mythos. Mithilfe alter Spielanleitungen lässt sich feststellen: Dieses Spiel wurde bis ins 18. Jahrhundert als Dammspiel bezeichnet, weil man versucht, mit seinen Figuren einen Damm zu errichten.

Schach – mehr als nur ein Spiel

Schach ist nicht gleich Schach. Die Regeln wurden immer wieder angepasst je nachdem wer wie spielen wollte und in welcher Gesellschaftsschicht oder Kultur gespielt wurde. Auch die Materialien von Spielbrettern und Figuren sind sehr unterschiedlich. Das Aussehen der Figuren ist variabel. Schachfiguren sind teils Sammlerstücke. Das Schach, dass den Regeln ähnelt, die wir heute kennen, lässt sich durch historische Schriften ab dem Jahr 600 n. chr. Nachweisen:

Diese lebhafte Darstellung stammt aus Persien. Es ist eine Schrift aus dem 16. Jahrhundert aus Persien mit Tuschezeichnungen. Hier lobt der Autor Ali Schatrariji den Schachspieler Timur-i-Läng, der Anfang des 15. Jahrhunderts verstarb.

Während der Herrschaft von Wu Ti (560 – 578) soll es in China ein Spiel gegeben haben, welches Figuren hatte, deren Vorbilder Sonne, Mond, Planeten und Sternenbilder waren. Das Spiel diente zum Wahrsagen und ist eine mögliche Vorform von unserem heutigen Schach. Aber: mit dem chinesischen Wort für Schach werden drei ganz unterschiedliche Spiele bezeichnet, dadurch ist in alten Texten manchmal nicht immer klar von welchem Spiel gerade die Rede ist. Das erschwert die Rekonstruktion der Geschichte des Schachspiels. vmtl. hat sich aber im 5. oder 6. Jahrhundert eine Variante aus China in Indien weiter entwickelt.

Krishna und Rhadna sitzen sich gegenüber und sind in ein Spiel vertieft.

Krishna und Rhadne spielen ein Spiel, dass eine Vorform von dem Schach ist, das wir heute kennen (Public Domain).

Zunächst wurde Schach in Indien zu viert gespielt, doch die Variante mit 2 Parteien setzte sich schnell durch. Die Vierschachvariante wird in Indien im 18. Jahrhundert dann plötzlich wieder populär. Das Zweipersonenschach gelangt im 7. Jahrhundert nach Persien. Der persische Dichter Abul-Kasim Mansur schrieb eine Geschichte nieder, in der der indische Radscha dem persischen König Chorsrau I (531 – 579) ein Schachspiel schickte. Dieser sollte die Regeln herausfinden. Als Antwort darauf schickte der persische König dem Indischen ein Backgammonspiel mit der gleichen Aufgabe.

Geschnitzte Figuren vmtl. Elfenbein. In der Mitte sind zwei aufwändig gestaltete Elefanten zu sehen, und im Hintergrund opulente Figuren, die den König und die Königin zeigen.

Das Schachspiel von Karl dem Großen. – Es kannte noch die Spielfigur “Elefant” (Bild: Saliko (CC BY-SA 3.0)).

Es gibt natürlich mehr Ideen, wie genau das Schachspiel nach Persien gelangte, aber auch die, dass es sich von Persien aus in Indien verbreitete – und immerhin die Bezeichnung Schah leitet sich vom Persischen Schah für König ab. Klar ist aber: Schach findet sich ab dem 7. Jahrhundert im gesamten arabischen Raum. Ein Fund stammt aus Samarkand. Hier fällt auf: Figuren haben sich verändert. Das Spiel aus Samarkand hat einen König, einen Berater, den Elefanten, das Pferd, den Streitwagen und die Fußsoldaten. Als das Schachspiel dann im Mittelalter nach Europa kam, wurde der Elefant als solcher nicht verstanden – es entwickelte sich die Figur Turm. Kulturell werden einige Figuren bis heute unterschiedlich benannt. So zum Beispiel heißt der Läufer im französischen Bischof.

Vier Schachfiguren aus dem Lewis Schach. Es handelt sich um Besorgt aussehende Könige, und Damen, die sich erschreckt die Hand an die Wange halten.

Einige der charismatischen Lewis Schachfiguren. (Bild: Dunn (CC BY-SA 2.0)).

Doch nicht nur in Europa breitet sich das Schachspiel aus. Im 11. Jahrhundert erreicht es auch Korea und Japan. Durch das islamische Großreich verbreitet es sich auch rasend schnell in Afrika. Schach war ein Hype in der gesamten arabischsprachigen Welt. So entwickelten sich dort im 12. Jahrhundert erste Schachspiele mit abstrakten Spielfiguren. Aufwändige figürliche Darstellungen der Spielcharaktere waren nämlich nicht mit dem Koran vereinbar. Doch die Idee Spielfiguren zu abstrahieren stammte wiederum nicht von Muslimen. Denn abstrahierte Figuren gab es bereits für das Senetspiel. Und während man in der arabischen Welt abstrahierte, wurde auf den Britischen Inseln das heute wohl bekannteste historische Schachspiel gestaltet. Die Lewisschachfiguren aus Walrosselfenbein. Schach war in Europa, wie diese Figuren auch zeigen, ein Luxusgegenstand. Es wurde von der Oberschicht gespielt.

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Literatur:

Ulrich Hübner: Spiele und Spielzeug im antiken Palästina. In: Orbis Biblicus et Orientalis Band 121, Freiburg Schweiz 1992.

Colleen Schafroth: Schach – Eine Kulturgeschichte, New York 2002.

Gerog Himmelheber: Spiele – Gesellschaftspiele aus einem Jahrtausend. In: Kataloge des Bayrischen Nationalmuseums München Band XIV, München 1972.

AiD Sonderheft 24 2022: Von Amulett bis Zaubernagel – Zeichen, Wunder un Magie in der römischen Antike.