Lilienprinz oder nicht Lilienprinz…

Er ist eine der schönsten Motive aus dem minoischen Palast von Knossos: der Lilienprinz. Arthur Evans deutete dieses Bild, aus der Bronzezeit, als das Abbild eines Priesterkönigs. Er trägt eine Federkrone mit Pfauenfedern, und einen Lendenschurz. Dem Anschein nach führt dieser Mann ein mythisches Wesen an einer Leine. Es gibt die Vermutung, es handele sich dabei um einen Greif oder eine Sphinx. Fakt ist aber: Keine dieser mythischen Figuren lässt sich belegen und auch die weiteren Punkte, sind sehr fragwürdig. Hierzu möchte ich die Aufmerksamkeit kurz auf ein paar Eigenheiten lenken, die mit minoischen Wandmalereien verbunden sind:

Der Lilienprinz aus Knossos. Ein Mann mit heller Haut und langen schwarzen lockieen Haar. Der Mann staeht vor einem roten Hintergrund offenbar in einem Lilienfeld. Er trägt eine blaugelbe Federkrone und einen blau weißen Lendenschurz.

So sieht die Rekonstruktion des Lilienprinzen aus, wie sie direkt in Knossos gezeigt wird und wie sie von dem Ausgräber Arthur Evans angefertigt wurde.

Bei minoischen Malereien, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts entdeckt wurden, zieht sich ein Motiv durch die Bilder. Das Geschlecht der dargestellten Menschen erkennt man unter anderen an der Hautfarbe. Frauen werden dabei weiß und Männer in einem sehr roten Braunton dargestellt. Bei der Rekonstruktion sieht man also deutlich: Da stimmt was nicht, war also der Lilienprinz, wie Hermaphrodit, ein Wesen zwischen den Geschlechtern? Weitere Wandbilder, die beispielsweise ein Publikum zeigen, legen nahe, dass sich Frauen mit Männern gemeinsam kulturellen Anlässen beiwohnten, und nicht zum Beispiel getrenntgeschlechtlich bei öffentlichen Anlässen waren. Zwar treten Frauen und Männergruppen in Menschengruppen immer in weißen bzw. Roten blasenartigen Darstellungen auf, doch das ist möglicherweise der Darstellungsweise geschuldet, die eher aussagt: Es waren Männer und Frauen anwesend. Und auch eine Geschlechtertrennung innerhalb der Palasträume lag allem Anschein nach nicht vor. Auch, wenn diese in alten Publikationen nahegelegt wurde, Belege gibt es dafür keine.

Eine Publikumszene auf einer ninoischen Malerei aus Knossos. Im Vordergrund sind ein gutes duzend Frauen mit weißwer haus in Farbenfrohen Kleidern zu sehen. vmtl. tanzen sie. im hintergund sitzt ein Publikum auf einer Tribühne. Es sind clusteratig rote und weise Menschen zu sehen.

Zum Vergleich: Eine andere Malerei aus Knossos. Deutlich ist der Unterschied zwischen roten und weißen Menschen im Publikum zu sehen. (Doch Vorsicht, nur die Teile auf den Bruchstücken sind auch im original erhalten).

Eine Problematik bei der Rekonstruktion der Geschlechterrollen unter Zuhilfenahme dieser Bilder, ist die teils schlechte Erhaltung der Wandmalereien, in Kombination mit der großzügigen Restaurierung dieser. In einem Prozessions Bild in Knossos waren beispielsweise, archäologisch gesehen, nur die Füße erhalten. Doch das gesamte Bild wurde rekonstruiert. Teilweise wurden bei diesen Malereien, die so erst im vergangenen Jahrhundert angefertigt wurden, weitere Gegenstände hinzugefügt. Den Menschen wurden zum Beispiel Keramikgefäße in die Hand gedrückt. Das konnte passieren, da der Ausgräber von Knossos, Arthur Evans während der Ausgrabungen, alles nach seiner Vorstellung rekonstruierte und damit teils fälschte. Der Archäologe wurde dabei zunehmend seltsamer. Er behauptete ihn seinen die Menschen der Bronzezeit erschienen und hätten ihm gesagt, wie es in ihrer Zeit gewesen sei.

Eine Wandmalerei. Zwei Rothäutiege Männer tragen Keramik. Beide sind mit einem urzen Rock gekleidet. Sie haben lange lockieges Haar.

Ein Ausschnitt aus einer solchen Prozession. In diesem Falle ist nur der etwas deutlichere Flecken, der ein Stück der Arme und ein bisschen Keramik zeigt bei der rechten Figur archäologisch belegt. Der Rest der Darstellung ist ein Produkt der Fantasie (Ausgestellt im archäologischen Museum Heraklion).

Immer wieder taucht in allen möglichen Darstellungsvarianten eine große Frau auf, die gehuldigt wird. Deswegen gibt es auch immer wieder die Annahme, die Minoer hätten in einem Matriarchat gelebt. Aber: eine Religion oder Kultur mit einer Frau im Fokus einer Darstellung macht noch kein Matriarchat. Hierfür sind weitere Merkmale vonnöten, die sich zum Beispiel in bestimmten Wohnfolgeordnungen zeigen können, die sich aber bislang nicht in der minoischen Kultur aufzeigen lassen. Die Namen minoischer Herrscher, die aus ägyptischen Texten bekannt sind, sind wiederum alle männlich. Allerdings sind Fürsten oder Könige bei der Betrachtung minoischer Befunde auch nicht greifbar. Es bleibt nichts anderes übrig als die Frage nach Patriarchat oder Matriarchat offen zu lassen, wohl aber anzumerken, dass es deutliche Unterschiede bei der bildlichen Darstellung von Männern und Frauen gab. Das sagt aber nichts darüber aus, ob ein Geschlecht als weniger wichtig erachtet wurde.

Ein Goldsiegel aus der Bronzezeit. Es zeigt Minoische Frauen die anscheinend beten.

Ein Goldsiegel aus Knossos, auf dem ebenfalls Frauen dargestellt sind. Das Siegel stammt aus der Zeit zwischen 1.500 und 1.450 v. Chr. (ausgestellt im archäologischen Museum in Heraklion).

Und was heißen diese Überlegungen nun für das Bild des Priesterkönigs? Auf jeden fall, muss man bei der Interpretation berücksichtigen: Die bekannten Minoischen Wandmalereien waren Bestandteil der Lebenswelt der minoischen Oberklasse. Es sind also Darstellungen, die dieser Oberklasse gefallen sollten. Das ändert aber nichts daran, dass die hier gezeigte Figur zum einen die Merkwürdigkeit aufweist, dass hier ein offenbar männlicher Körperbau weiblich weiß gehalten wurde. Zum Zweiten zeigt sich bei näherer Betrachtung: Wie schon bei der Wandmalerei, bei der nur ein kleiner Fleck erhalten gewesen ist, hat der Ausgräber Arthur Evans hier viel zusammen fantasiert.

Zwei Originalbruchstücke des Lilienprinzen. Zu sehen ist eine Schulter mit starkm männlich wirkenden Muskelansatz, und ein stück unterarm, vielleicht mit Ellenbogen.

So sehen zwei Bruchstücke einer solchen Wandmalerei aus, ohne eine Rekonstruktion. Sie sind ausgestellt im archäologischen Museum Heraklion.

So ist es möglich, dass nicht nur die Federkrone zu einer gänzlich anderen Figur gehörte, sondern auch das der Oberkörper nicht dem Lendenschurz mit erhaltenen Beinansatz zuzurechen ist. Das bedeutet, vielleicht haben wir hier sogar drei verschiedenen Bilder, oder Figuren, die miteinander vermischt wurden und zum Lilienprinz verschmelzen. Auch der auffällig ausgestreckte Arm, der Anlass für die Spekulation gibt, der Lilienprinz hätte ein Wesen an einer Leine geführt ist im Original so nicht erhalten. Möglich ist zudem, dass der Kopf, der auf den erhaltenen männlichen Oberkörper gesetzt wurde im Original in die entgegengesetzte Richtung gesehen hat, da die Körperhaltung dann weniger verdreht wirkt.

Nahaufnahme des Original Lilienprinzes bezogen auf Torso und Gesicht. Deutlich zu sehen ist, der Torso ist losgelöstvom Rest des Bildes, und kann auch zu einem anderen Bild gehören.

Nahaufnahme vom Torso des Originals aus Knossos. Die Bruchstücke des Torsos sind deutlich so vom Körper abgebrochen, dass sie auch zu einer anderen Figur gehören können (Dieser Fund ist im archäologischen Museum in Heraklion ausgestellt).

Zusammengefasst ist zu sagen: Es ist sehr schwierig etwas über die Rollen und Aufgabenverteilungen bzgl. Geschlechter bei den Minoern zu sagen, gerade weil der Blick durch solche schlecht gemachten Rekonstruktionsversuche wie dem Lillienprinz total verwirrt wurde. Die Lehre, die aus der Ausgrabung in Knossos gezogen wurde, ist in der Archäologie, dass man Funde nicht während einer Ausgrabung willkürlich zusammensetzt. Es gilt heute als unprofessionell, Funde so weitgehend zu interpretieren, wie es hier umgesetzt wurde. Und das genau, weil diese Interpretationen zwar wunderschöne Ausflugsziele erschaffen, dabei geht aber verloren, dass man archäologische Zusammenhänge wertfrei betrachtet. Ob es den Lilienprinzen wirklich gab, ist eine gute Frage. Die weiße Haut scheint dagegen ein Relikt der schlechten Rekonstruktion von Arthur Evans zu sein. Dieser hat mit seiner Arbeit, an dieser Stelle, anscheinen direkt die Geschlechterrollen der kretischen Bronzezeit auf den Kopf gestellt. Schaut man auf die Originalbruchstücke, so fällt auf, dass diese ein paar sehr viel dunklere Farbreste aufweisen.

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Literatur:

Costis Davaras: Knossos und das Museum von Herakeion – kurzer bebilderter archäologischer Führer, Athen 1957.

Hartmut Matthäus: Die minoischen Paläste. Architektur und Funktion. In: Im Labyrinth de Minos – Kreta – Die erste europäische Hochkultur, München 2000.

Dr. J. A. Sakellarakis: Heraklion das Archäologische Museum – Ein Bildführer, Athen 2006.

http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/846/1/Panagiotopoulos_Arthur_Evans_langer_Schatten_2007.pdf