Die Trullihäuser von Alberobello

Schon in der Prähistorie sind im Mittelmeerraum runde Bauten bekannt. Meistens handelt es sich um Gräber, welche beispielsweise bei den Mykenern eine große Bekanntheit erlangen. Runde Häuser mit Kuppeldächern sind gar nicht so schwer zu errichten und vermutlich ist das auch der Grund, warum diese Bauweise im Italienischen Apulien auch weit nach dem Ende der Antike weiter lebt. Die Bauart wird ausgestaltet, und nicht mehr für Gräber, sondern für Wohnhäuser verwendet. Vermutlich aus dem griechischen Wort für die ursprüngliche Grabform Tholos entwickelt sich auch das Wort für diese Hausform: Das Wort Trullihaus entsteht. Es sind Gebäude, die Apulien bis heute prägen.

Ein Bauernhof mit drei Spitzen Dächern auf einer grünen Wiese.

Ein Trullihof in Süditalien (Bild: Vanaverbeke [CC BY 2.0])

Wie ein Trullihaus gebaut wird

Es handelt sich um Rundhäuser mit kegelförmigen Dächern. Eine Baustruktur, die sich durch die Bauweise selber stützt. Im Innern wird eine Kuppel errichtet. Kalksteine werden dazu passgenau zugeschlagen und so positioniert, dass sie eine Kuppel ergeben. Die wird in der Mitte durch einen Schlusstein gehalten. Außen wird der Schlusstein sogar verziert. Die Verzierung heißt Pinnacoli, sie kann ganz verschieden aussehen, hat aber keine spezielle Bedeutung, außer, dass sie hübsch sein soll. Entfernt man diesen Schlussstein, ist das Gebäude in seiner Statik gefährdet.

Eine Baustruktur aus Kalkstein, welche sich zur mitte hin Trichterförmig verjüngt und in der Mitte mit einem runden Stein zusammen gehalten wird.

Ein Gewölbe eines Trullihauses von innen gesehen (Bild: Forsberg [CC BY-NC-ND 2.0])

Außen auf die Kuppel wird eine zweite Schicht des Dachs aufgebaut. Sie besteht aus Dachplatten. Diese sind so angeordnet, dass sie bei Regen das Wasser vom Haus wegleiten. Das heißt: Die Dachsteine sind so positioniert wie Schuppen bei einem Fisch. Dadurch, dass die Konstruktion ohne Mörtel gleichzeitig nicht ganz dicht ist, kann im Sommer die warme Luft aus den Häusern entweichen. Im süditalienischen Apulien eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität. Die bis zu 3 Meter dicken Wände der Trullihäuser verstärken diesen Effekt. Ein Leben wie in einer Thermoskanne. Im Sommer ist es kühl und im Winter hält so ein Trullihaus die Wärme für die Bewohner fest.

Ein Doppeltes Trullidach, deutlich zu sehen ist, es ist so gebaut, das Regenwasser ablaufen kann.

Der Regen wird von jeder Dachsteinetage zur nächsten geleitet, und so zielgerichtet vom Haus weg geführt (Bild: Marcok [CC BY-SA]).

Im mittelalterlichen Apulien sind es vor allem Bauern, die in abgelegenen Gebieten in solchen Rundbauten leben. Die Bauernhäuser werden dabei den Bedürfnissen angepasst. Bekommt die Familie Nachwuchs, oder wird der Schweinestall zu klein – baut man einfach neben die erste Kuppel eine Zweite. Dann durchbricht man die Mauer zu dem neu entstanden Raum. Fertig ist ein neues Zimmer für den neu entstandenen Zweck. Menschen und Tiere leben so in einem Haus unter mehreren Dächern. Gemeinhin gilt im Mittelalter: Je mehr Dächer der Hof hat, um so reicher ist die Bauernfamilie. Dabei wird in einem Trulli Bauernhof jede Ecke genutzt und jeder Winkel ausgebaut. Alles hat eine Funktion. So wird nicht selten eine passgenaue Nische in die Wand eingelassen, in die das Elternbett auf den Millimeter genau hineingestellt wird. Ein Dachgeschoss entsteht durch eine eingezogene Holzdecke. Bei den meisten Trullihäusern dient dieser Dachboden als Getreidelager oder als Kinderschlafzimmer. Die meisten Trullihäuser bestehen also aus Erdgeschoss und Dach und sind bis zur Dachspitze um die 4,30 m hoch.

Zwei in Reihe gebaut Trullihäuser. Sie haben weiß gekalkt Wände und weiß gemalte Sybole auf dem Dach.

Zwei Trullihäuser aus Alberobello (Bild: Pixabay).

Für die Bauern haben die Trullihäuser einen Vorteil. Sie können leicht als Ställe getarnt werden – und Ställe sind im Mittelalter steuerfrei. Steuervorteile sind es auch, die im Apulischen Alberobello dazu führen, dass hier im 15. Jahrhundert ein Ort mit 1.400 Trulli-Häusern gebaut wird. Das Dorf Alberobello gab es zwar schon zuvor, aber die beiden Stadtteile Rion Monta und Aja Piccola kommen nun hinzu. Und das, ganz nach der Idee des Feudalherren Conte Aquaviva di Conversano, möglichst Steuer sparend. Der Feudalherr ist in dieser Region eingesetzt für das Königreich Neapel, welches im 15. Jahrhundert über Apulien regiert. Und dieses Königreich erhebt Steuern an den Feudalherren – und zwar für jedes Gebäude auf seinem Land. Gebäude mussten deswegen registriert werden und es gab regelmäßige Prüfungen. Der Feudalherr baute also schwarz und eine spezielle Siedlung für seine Landarbeiter entstand. Da ein Trullihaus leicht zusammenfällt – Es reicht das Entfernen des Schlussteins und etwas rohe Gewalt, um ein solches Haus in Windeseile in einen Steinhaufen zu verwandeln – war die Architektur optimal für dieses apulische Steuersparmodell.

Ein Dorf, dass sich an einen Hang kuschelt. Das Dorf besteht aus Trullihäusern. Es sieht aus als würden alle Häuser Zipfelmützen tragen.

Alberobello heute  (Bild: Pixabay).

Rückt die Steuerprüfung herbei, werden die Kuppelhäuser zum Einsturz gebracht. Nach einer Inspektion ist es dann möglich, die Steinhaufen wieder in Häuser zurückzuverwandeln. Der Ort mit den niedlichen Häusern, die irgendwie alle aussehen, als würden sie Zipfelmützen tragen, wächst ab dem Mittelalter immer weiter. Besonders in der Zeit um 1629 als, durch eine Mühle und eine Bäckerei, neue Arbeitsplätze in Alberobello entstehen. In dieser Zeit werden auch die ältesten bis heute erhaltenen Trullihäuser des Ortes gebaut. 3.500 Menschen leben in der Zeit um 1797 auf diese Weise. Und sie sind heilfroh als Alberobello endlich zu einer königlichen Stadt ernannt wird. Durch das Stadtrecht können sie nun endlich sicher sein, dass sie ihre Häuser nicht bei der nächsten Steuerprüfung wieder einreißen müssen. Ab jetzt werden Trullihäuser also befestigt und ausgebaut. Die ersten Kalkbemalungen der Gebäude entstehen. Die Häuser bekommen erstmals ihr heute typisches Aussehen. Dazu gehört auch: Die Dächer werden mit Symbolen bemalt. Das können christliche oder auch heidnische Symbole sein. Sie sollen das Böse abhalten.

Eine Straße mit viln Trullihäusrn. Im Vordergrund sind einige zu sehen die Symbole auf den Dächern haben. Ein Halbmond, ein Herz mit Pfeil und weiteres.

Die Symbole auf den Dächern sollen das Böse abwehren (Bild: Pixabay).

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts, hätte niemand gesagt, dass diese Häuser etwas Besonderes sind. Sie galten als alte Armenhäuser. Erst nach und nach entwickelte sich ein Verständnis dafür, dass es sich um eine besondere Architektur mit einer besonderen Geschichte handelt. Seit 1996 gehören die Trulli-Häuser deswegen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und das ist Fluch und Segen. Die Menschen verlassen die unbequemen Häuser, mit den dicken Wänden und den wenigen Fenstern. Sie hübschen sie auf und vermieten Sie an Ferientouristen, die sich von einer Nacht in einem Trullihaus in einmaliges Erlebnis versprechen. Ein Erlebnis, welches zugegeben, auch auf meiner to Do-Liste steht. Das kleine Abenteuer hat aber auch einen Nachteil. Die Alten, die in diesen Häusern aufgewachsen sind, bleiben Zurück an einem Ort, der langsam ausstirbt und zu einer reinen Touristenkulisse verkommt. Das echte Leben verschwindet aus den Gassen von Alberobello. Am Ende steht, in ihrer ganzen Geschichte waren und sind Trullihäuser wunderschön, aber auch irgendwie traurig.

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Anmerkung:

Dieser Beitrag entstand für den Miss Jones Adventskalender 2020. Aufgrund der Corona-Einschränkungen ein Adventskalender, der zum Träumen über fremde Orte anregen soll. Eine Vorfreude auf die Zeit nach der Pandemie. Ich stelle hier ausschließlich Orte vor, an denen ich noch nicht war, wo ich aber gerne einmal hin möchte.

Literatur:

https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=ghl-003:1956:11::404

https://whc.unesco.org/en/list/787/

https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2006/4/weinbergshaeuschen-der-besonderen-art.php

https://www.dw.com/de/wohnen-im-trullo-in-italien/a-19518401

https://www.swr.de/schaetze-der-welt/alberobello/-/id=5355190/did=5980284/nid=5355190/2vxzyj/index.html

https://www.italia.it/de/italien-entdecken/apulien/poi/die-geschichte-der-trulli-von-alberobello.html

http://www.italia.it/de/reisetipps/unesco-staetten/die-trulli-von-alberobello.html

https://rp-online.de/leben/reisen/apulien-in-stein-gehauene-geschichte_aid-15014859