„Ich muss mal raus, was anderes sehen – einfach mal ein bisschen durchatmen.“ Wer den Gedanken hat und sich im Norden bewegt, dem empfehle ich einfach mal ganz gemütlich nach Buxtehude zu fahren.
Ich dachte, Buxtehude gibt es nur als Sprichwort?
…. oder bei Räuber Hotzenplotz. Nö – tatsächlich gibt es Buxtehude wirklich, und das schon echt lange. Hier, zwischen Hamburg und Stade, wurde ein sächsisches Gräberfeld ausgegraben. Seit dem Mittelalter gibt es hier eine Siedlung und auch ein altes Kloster. Und das schöne ist, man kann hier die Altstadt erkunden. Sie ist gemütlich, aber nicht zu ruhig, viele kleine Geschäfte laden zum Bummeln ein.

Auch bei norddeutschem Schietwetter sehr hübsch: Die Straßen von Buxtehude (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Und es gibt Kaffee und Kuchen an jeder Ecke – und wunderschöne Altbauten. An einem sonnigen Tag ist dieser Ort bestimmt auch ein Ausflugsziel für Fotografierfans – ich hatte nicht soviel Glück – aber genossen habe ich die tolle Fachwerkarchitektur des Ortes dennoch. Und wer in die Geschichte eintauchen will, dem empfehle ich einen Besuch im in der Innenstadt gelegenen Ortsmuseum:
Das Buxtehuder Stadtmuseum ist sensationell
Also ich habe ja immer was zu meckern, aber in diesem Museum auf sehr hohem Niveau. Es gehört definitiv in die Top 10 der meiner Meinung nach sehenswertesten Museen. Mein Lieblingsmuseum in Veruccio in Italien hat es zwar nicht geschlagen, aber wer einen schönen Familienausflug machen will ist im Ortsmuseum Buxtehude sehr gut aufgehoben.

Jupp – so verspielt kann Altstadtarchitektur sein – das Haus steht direkt neben dem Museum (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Es zeigt sich vor allem: Man braucht nicht das riesige Budget eines Berliner Stadtschlosses, um eine Museum ansprechend zu gestalten. Vielmehr braucht es Engagement, und den Willen, sich in die Gäste hineinzuversetzen. Im Vergleich ist das Stadtmuseum Buxtehude um Längen besser – denn hier werden die Ausstellungstücke anschaulich erklärt, und es wird dabei nicht langweilig.
Was macht die Didaktik so gut?
Eigentlich ist es nichts Besonderes – aber es wird durch die Art der Gestaltung zu etwas Besonderen: Es gibt eine gute Auswahl an Funden. Man wird nicht zugeballert mit Informationen, es sind auch nicht zu viele Stücke. Man hat sich darauf konzentriert viele Details, die man erklären möchte in den Fokus zu stellen. Und dadurch wird man nicht überfordert und auch ein Laie geht hier mit Erkenntnisgewinn raus.

Blick in die Ausstellung: Nicht zu viel, nicht zu wenig – anders gesagt, es ist genau richtig (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Es gibt ein, zwei Stationen mit kurzen Filmen in der archäologischen Abteilung. Und da fühlt man geradezu mit, wenn die Protagonisten erzählen, wie sehr sie sich über den schönsten Fund aus der Umgebung – einen Rüsselbecher – gefreut haben. An anderer Stelle werden archäologische Funde exemplarisch erklärt. Und es werden tolle Funde gezeigt.
Gibt es da nur Archäologie?
Nein, es gibt auch einen Bereich, der sich Kunst aus der Umgebung widmet – um ehrlich zu sein, möchte ich das ungern bewerten, denn Kunstgeschichte ist etwas, mit dem ich mich leider nicht so sehr auskenne. Aber es gibt noch zwei Ausstellungsräume zur jüngeren Stadtgeschichte und einen Raum für Sonderausstellungen. Alles in allem ein rundes Konzept für ein kleines Ortsmuseum.

Man kann das Beispielstück aus der Kogge hin und herbewegen, bis es passt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Was mich besonders begeistert hat, in dem stadtgeschichtlichen Ausstellungsbereich war eine Inszenierung, die zeigt, wie eine Dendrochronologie funktioniert. Also eine Datierung von Holz, mit der man das Alter der buxtehuder Fachwerkbauten bestimmen kann, oder eben ach das Alter einer Kogge. Ich habe noch nirgendwo zuvor eine so gut gemachte Erklärung für die Dendrochronologie gesehen: Liebes Museum Buxtehude: Well Done!
Was zeigt der archäologische Teil?
Der archäologische Teil widmet sich dem Gräberfeld Immenbeck, das unweit der Stadt ausgegraben wurde. Ein Gräberfeld des Frühmittelalters mit sächsischen Funden. Und dieses Gräberfeld ist wirklich mit vielen tollen Funden gesegnet worden. Vor allem die Glasfunde sind wunderschön. Dazu gehört nicht nur der schon erwähnte Rüsselbecher, sondern auch hunderte Glasperlen, die mit dem Toten niedergelegt wurden.

Das Schmuckstück der Ausstellung – Ein Rüsselbecher (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Ein farbenfroher Schmuck, den man heute bewundern kann. Die Perlen sind in einer Vitrine ausgelegt, vor der man Stunden verbringen kann, denn die Vielfalt und Formschönheit dieser Glasperlen lädt dazu durchaus ein. Und: Man kann sich einige besonders schöne Exemplare auch im Museumsshop als Replik kaufen. Das ist also auch ein Ort, wo Reenactor glücklich werden.
Miss Jones – Wie stellt man denn ein Gräberfeld so dar, dass es dich begeistert?
Was mich beeindruckt hat, ist, wie nahe das Museum am Befund bleibt. Man hat einen Übersichtsplan, der zeigt, wie riesig, das gesamte Gräberfeld war. Man hat diesen Plan auch auf dem Boden gezeichnet, was das ganze noch eindrucksvoller macht, und es gibt die Möglichkeit zu verstehen, was ein Pantograf ist – also ein archäologisches Zeichengerät.

Einfach erklärt, und für jeden leicht zu verstehen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Eine Zeichnung in einem Original Zeichenrahmen ist ebenfalls ausgestellt – das heißt man kann auch ohne Vorbildung einfach verstehen, wie man bei einer Ausgrabung vorgeht, und dann auch direkt die Vitrinen verstehen. Die Vitrinen wiederum zeigen einige Gräber exemplarisch. Alle Gräber hätte man in dem kleinen Museum auch nicht zeigen können. Aber die Auswahl macht klar, was für einen tollen Fundplatz man in Immenbeck freigelegt hat. Die einzelnen Vitrinen sind wiederum am Befund orientiert gestaltet.
Was heißt den, die Vitrine ist am Befund orientiert gestaltet?
Man kann die Bodenverfärbungen, die einen Befund ausmachen sehen, da dieser dargestellt ist. Bei einer Ausgrabung ist für uns in der Archäologie nämlich nicht nur die wunderschöne Glasperle wichtig, sondern auch, wo genau lag sie, im Verhältnis zu welchen anderen Objekten. Der Zusammenhang ist für uns entscheidend. Und der lässt sich auch anhand von Bodenverfärbungen sehen, die genau eingrenzen, wie was zusammengehört.

So kann man die Funde echt gut verstehen (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Und genau diese Bodenverfärbungen sind dargestellt, und die Funde so in den Vitrinen platziert, wie sie aufgefunden wurden. Dazu werden im Falle von Körperbestattungen auch die Menschen dargestellt. Das macht einfach Spaß, das zu sehen. So ganz einfach ohne viele Worte – und auch Laien ist es eine Freude, weil es so ganz einfach ist, die archäologische Vorgehensweise zu verstehen.
Und du sagst, du hast Kleinigkeiten zu meckern.
Ja, aber dazu muss ich pingelig werden. Ernsthaft. Es gibt eine Vitrine, die sehr eindrucksvoll ist. Hier gibt es viele Keramiken, ich vermute, es sind Urnen. Und zwar die Urnen, und Grabbeigaben, die man nicht jede einzeln als Befund im Museum zeigen kann, dazu sind es zu viele. Leider bleiben es aber einfache Töpfe, denn ich habe einfach kein Erklärungsschild gefunden. Aber: Ich kritisiere das einzige fehlende Schild einer einzelnen Vitrine in einem sonst gelungenen Museum.

Die Glasperlen, die hier ausgegraben wurden, sind übrigens unfassbar hübsch (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Sogar die Grafiken und Lebensbilder haben mich überzeugt. Hier ist nämlich etwas passiert, was sonst kaum ein Museum schafft: Es werden Frauen gezeigt, die mal was anderes machen außer das klischeehafte, Kochen, Putzen und Kinder erziehen. Zwar wird das auch gezeigt – aber eine Frau hilft beim Dachdecken, und eine andere beim Tragen usw. Das ist toll! Mehr kann man von einem Ortsmuseum nicht erwarten.
Fazit:
Falls du mal in der Nähe bist, oder du eine kurze Auszeit von Hamburg brauchst, setz dich in den Zug, fahre nach Buxtehude und pack auch deine Kinder oder deine Freunde ein. Ihr werdet eine schöne Zeit haben, an die ihr euch noch lange erinnern werdet. Und wenn du Museumsmanagement oder ähnliches studierst – fahr erst recht nach Buxtehude und lerne von diesem wunderbaren Ortsmuseum, wie man Inhalte anschaulich gestaltet. Ich wünsche euch allen viel Spaß dabei, die Geschichte zu entdecken.
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