“Na schon Schätze gefunden” – das ist so ein typischer spöttischer Spruch, mit dem man bei einer Ausgrabung oft konfrontiert ist. Passant*innen, oder Leute die auf Pressetermine kommen, um einmal einen Blick in eine Ausgrabung werfen, versuchen auf diese Art originell zu sein. Meistens haben sie keine Ahnung davon, was für ein reichhaltiges kulturelles Erbe unter unseren Füßen schlummert. Noch verblüffter aber reagieren die meisten Grabungsbesucher*innen, wenn man als Ausgräberin stolz sagt
“Ja” und dann auf ein Stück Holz zeigt. Holz, dass ist nicht gerade das was sich die meisten unter einem Schatz vorstellen. Doch für Archäolog*innen gehören Holzfunde zu den größten Schätzen überhaupt – und das nicht nur, weil es selten ist, das es sich über einen langen Zeitraum hinweg erhalten hat. Und auch nicht, weil man anhand von Holz noch Handwerkstechniken der Vergangenheit ablesen kann. Denn: Holz kann noch viel, viel mehr:
Die Dendrochronologie
Bei der Dendrochronologie handelt es sich, um eine Methode mit der es möglich ist heraus zu bekommen, wie alt ein Holzobjekt ist. Das Wort setzt sich aus den griechischen Wörtern déndron für „Baum“, chrónos für „Zeit“ und lógos für „Wissenschaft/Lehre“ zusammen. Diese Baum-Zeit-Lehre wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Andrew Ellicott Douglass in den USA entwickelt. Es gibt dieses Datierungsverfahren also schon recht lange – und deswegen wurde es auch immer
weiter verbessert und verfeinert. Wenn man also auf einer Ausgrabung Holz findet, ist es sehr wahrscheinlich ein sehr exaktes Datum für diesen Fundplatz ermitteln zu können. Die Datierung mit der Hilfe der Dendrochronologie ist dabei auf das Jahr genau möglich – und das macht den Blick in die Menschheitsgeschichte sehr stichhaltig.
Wie funktioniert so eine Dendrochronologie?
Vom Prinzip her ist relativ einfach zu verstehen, wie eine solche Analyse funktioniert. Schon im Kindergarten lernt man – ein Baum bildet jedes Jahr einen Baumring aus und wird dadurch jedes Jahr ein bisschen dicker. Wenn ein Baum gefällt wird, kann man die Ringe zählen und dann weiß man wie alt der geworden ist. Aber, die Baumringe
können noch mehr: Denn dadurch das jedes Jahr ein bisschen anders ist, sehen Baumringe jedes Jahr anders aus. Aber für Bäume der gleichen Baumart in einer ähnlichen Region sehen die Ringe eines speziellen Zeitabschnittes dann wiederum gleich aus. Man vergleicht also diese Ringe. Dazu reiht man Holzproben aneinander, und zwar im sog. Überlappungsverfahren. Dabei werden die Baumringe der Hölzer älterer und jüngerer Bäume welche aber eine Zeitlang gleichzeitig gelebt haben so zueinander in ein Verhältnis gesetzt, das man erkennen kann, welche Baumringstruktur in einer jeweils früheren Zeit existiert hat. Damit das einfacher geht betrachtet man dafür Bohrproben von dem Holz. Die Baumringe sehen im Vergleich dadurch aus wie
Barcodes im Supermarkt. Diese Natur-Barcodes legt an eine Reihe immer älterer Holzproben an, und hat so eine Basis mit der man auch sehr alte Hölzer im Vergleich einem exakten Jahr zuordnen kann. Natürlich ist das sehr schematisch erklärt, denn ganz so einfach geht das natürlich nicht. Ein Baum kann verändert sein, wenn er zum Beispiel von einem Pilz befallen war. Aber: Durch genaue Beobachtung aufgefundener Hölzer durch die Jahrtausende konnte viel Erfahrung gesammelt werden. So hat die Universität Hohenheim einen Baumringkalender erstellen können, der 12.000 Jahre in unsere Geschichte hineinragt. Und er als vergleich dient um Holz aus archäologischen Fundplätzen auf das Jahr genau zu datieren. Für Zeiträume, die so verdammt lange her ist das einfach unfassbar präziese.
Und wie kann man das nun auf Objekte anwenden?
Wenn man bei einer Ausgrabung beispielsweise einen Einbaum findet, so kann man natürlich nicht direkt sehen, wie alt der Einbau genau ist. Für nähere Analysen wird er oder eine Probe von dem Boot in ein Labor geschickt. Glück ist, wenn an dem Einbaum etwas Rinde erhalten ist. Die Rinde, auch Waldkante genannt, ist der äußerste und damit der jüngste Teil des Baumes. Weiß man in welchem Jahr der letzte Baumring entstanden ist, weiß man auch, wann dieser Baum gefällt wurde, um einen Einbaum zu bauen. Das Problem ist nur – die Rinde ist bei so einem Einbaum selten erhalten. Um diese Information Auszugleichen wird geschaut, ob noch Teile, des sog. Splintholzes
vorhanden sind. Bei Splintholz handelt es sich um den Teil des Baumes, der lebendig ist. Es sind die äußeren Ringe hinter der Baumrinde die oftmals in einem Zeitraum von 10 Jahren entstanden sind. Diese lebenden Ringe des Lebewesens Baum, sind dafür zuständig, dass das Wasser aus der Erde in die Blätter gelangt. Und da es sich im Gegensatz zum Kernholz um einen hochaktiven Teil eines Baumes handelt, setzt sich dieser Optisch ab. Erkennt man so eine Struktur, ist ein Holzobjekt zumindest mit einer Schwankungsbreite datierbar. Hat man auch das Splintholz nicht, vergrößert sich diese Schwankungsbreite.
Und wofür braucht man solche Daten?
Zum einen kann man an solchen Holzfunden relativ genau erkennen aus welcher Zeit exakt ein Objekt stammt. Und da Relativ viel aus Holz gebaut wird können so hochspannende Zusammenhänge betrachtet werden. Vom Holzlöffel bis zur Gitarre – auch in unserem heutigen Alltag ist der Werkstoff kaum wegzudenken. In der Menschheitsgeschichte war es noch wichtiger – hat man nun das Datum eines
prähistorischen Holzgegenstands genau bestimmen können, so ist ganz klar, das die mit diesem Gegenstand aufgefundenen Objekte auch aus einer ähnlichen Zeit stammen müssen. Ganze Siedlungen bekommen so ihr Alter zurück. Vor allem aber ist Holz als Baustoff eine sehr wichtige Quelle für Archäolog*innen:
Holz als Baustoff
In dem seltenen Fall, dass man Hölzer findet welche verbaut gewesen sind, kann man ganz besonders spannende Analysen machen, hierbei zeigt sich nicht nur, wann ein Haus geplant wurde. Im Vergleich der Hölzer kann man z.B auch sehen, ob vielleicht einmal ein Balken ausgetauscht wurde und wenn ja wann? Eine Frage wie: Wie lange war ein Haus eigentlich in Benutzung – und wie lange dauerte es bis die ersten Balken morsch wurden – kann dadurch betrachtet werden. Besonders bekannt
für die gute Holzerhaltung sind dabei z.B. die Pfahlbauten an den Alpenseen. Hier wurde von der Jungsteinzeit bis in die Eisenzeit hinein in Häusern gelebt, die an Seeufern auf Pfähle gestellt wahren, die oftmals bestens erhalten sind weil Holz in ruhigen Gewässern oft von Natur aus gut konserviert wird. Im Vergleich dieser Hölzer fiel auf: Die Hölzer um so eine Siedlung zu errichten wurden mithilfe von Forstwirtschaft herangezogen. Und das ist ganz besonders erstaunlich:
Forstwirtschaft seit der Jungsteinzeit
Bäume kann man in ihrem Wuchs manipulieren. Zum Beispiel kann man einen bestimmten Wuchs dadurch hervorbringen, dass man kleinere Äste kappt. Bei einer Linde ist es zum Beispiel so, dass sie in viele dünnere Stämme ausschlägt wenn man sie fällt. Mit einem solchen Wissen ist es möglich Hölzer genau so wachsen zu lassen, wie man sie benötigt. Das Tolle an solchen Spuren ist, dass man solche Manipulationen an Bäumen jahrgenau datieren kann. Es ist zum Beispiel anhand der Jahrringe möglich
genau zu datieren, wann ein Ast gekappt wurde. Das heißt, man kann erkennen wie lange ein Baum gepflegt und schließlich gefällt wurde. Der spannende Punkt an dieser Stelle ist: Es dauert lange bis der Baum endlich Fertig gewachsen ist. Und das bedeutet auch, die Wälder müssen teilweise über Generationen hinweg gepflegt worden sein, sonst hätte es bestimmte Wuchsformen die Beispielsweise in Pfahlbauten verbaut wurden gar nicht geben können. Und das heißt das hier elterngenerationen Bäume für den Hausbau einer Zeit gepflegt haben, die sie selber nie erleben würden – und das schon vor 5.000 Jahren. Ein toller Einblick in die Lebensrealität und auch die Langzeitplanung die bereits in der Jungsteinzeit beginnt – Und dieser Einblick geht sogar noch ein bisschen weiter:
Der Baum im archäologischen Befund und die Rekonstruktion der Umwelt
Die Jahrringe wachsen bei verschiedenen Wetter unterschiedlich. Das heißt auch: Es ist möglich Klimaphasen anhand von Jahrringen zu erkennen. Gab es Dürrezeiten oder Kälteperioden? Im Vergleich mit der Lebensrealität können solche Informationen für die Rekonstruktion vergangener Gesellschaften sehr wichtig sein. Bei einer genauen Betrachtung der Ökologie wird aber nicht nur geschaut welche Spuren die einzelnen
Baumringe davon getragen haben, sondern auch, welche Baumarten es gab. Auf diese weise wird versucht heraus zu bekommen, wie genau das Ökosystem und die Lebenswelt einer vergangenen Epoche ausgesehen hat. Bestimmte Bäume, haben ja wiederum bestimmte Eigenschaften die sich auf ein Ökosystem auswirken. Wann welche Birkenart wieweit verbreitet war, erscheint auf den ersten Blick zwar wie eine Randnotiz – aber da Birkenrinde ein wichtiger Rohstoff der Jungsteinzeit gewesen ist, handelt es sich um eine durchaus relevante Information dieser Epoche – Zum Beispiel hatte Ötzi ein Gefäß aus Birkenrinde bei sich.
Doch auch für unsere aller Zukunft sind solche Daten ausschlaggebend. So untersucht zurzeit die Universität Greifswald vergangene Wälder um daraus Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Anhand der Ökosysteme der Vergangenheit soll dabei betrachtet werden welche Baumzusammensetzung besonders resistent ist gegen große Umweltschwankungen. Mit diesen Informationen sollen unsere Wälder fit gemacht werden für den Klimawandel. Abschließend ist also zu sagen – Frage bei deinem nächsten Besuch auf einer Ausgrabung besser gleich nach, ob Holz gefunden wurde. Denn diese Funde sind auf so vielen Ebenen einer der größten archäologischen Schätze überhaupt.
Literatur:
Aufgrund der Coronapandemie habe ich auch alte Uniaufzeichnugen hinzugezogen.
https://www.uni-bamberg.de/iadk/denkmalwissenschaften/dendro/dendrochronologie-methode/
https://www.praehistorische-archaeologie.de/wissen/datierung/dendrochronologie/
https://dendrolabor.phil-fak.uni-koeln.de/sites/ufg/pdf/labore/dendroarchaeologie/publikationen/Dendrochronologie_Methode_und_Praezision.pdf
Wer liebt sie nicht, die Frage nach den Schätzen. Klar doch, natürlich und wenn wir die Kiste mit Goldmünzen gefunden haben teilen wir und ziehen alle in Villen um. 😀
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