Schon in der Prähistorie sind im Mittelmeerraum runde Bauten bekannt. Meistens handelt es sich um Gräber, welche beispielsweise bei den Mykenern eine große Bekanntheit erlangen. Runde Häuser mit Kuppeldächern sind gar nicht so schwer zu errichten und vermutlich ist das auch der Grund, warum diese Bauweise im Italienischen Apulien auch weit nach dem Ende der Antike weiter lebt. Die Bauart wird ausgestaltet, und nicht mehr für Gräber, sondern für Wohnhäuser verwendet. Vermutlich aus dem griechischen Wort für die ursprüngliche Grabform Tholos entwickelt sich auch das Wort für diese Hausform: Das Wort Trullihaus entsteht. Es sind Gebäude, die Apulien bis heute prägen.

Ein Trullihof in Süditalien (Bild: Vanaverbeke [CC BY 2.0])
Wie ein Trullihaus gebaut wird
Es handelt sich um Rundhäuser mit kegelförmigen Dächern. Eine Baustruktur, die sich durch die Bauweise selber stützt. Im Innern wird eine Kuppel errichtet. Kalksteine werden dazu passgenau zugeschlagen und so positioniert, dass sie eine Kuppel ergeben. Die wird in der Mitte durch einen Schlusstein gehalten. Außen wird der Schlusstein sogar verziert. Die Verzierung heißt Pinnacoli, sie kann ganz verschieden aussehen, hat aber keine spezielle Bedeutung, außer, dass sie hübsch sein soll. Entfernt man diesen Schlussstein, ist das Gebäude in seiner Statik gefährdet.

Ein Gewölbe eines Trullihauses von innen gesehen (Bild: Forsberg [CC BY-NC-ND 2.0])

Der Regen wird von jeder Dachsteinetage zur nächsten geleitet, und so zielgerichtet vom Haus weg geführt (Bild: Marcok [CC BY-SA 3.0]).

Zwei Trullihäuser aus Alberobello (Bild: Pixabay).
Für die Bauern haben die Trullihäuser einen Vorteil. Sie können leicht als Ställe getarnt werden – und Ställe sind im Mittelalter steuerfrei. Steuervorteile sind es auch, die im Apulischen Alberobello dazu führen, dass hier im 15. Jahrhundert ein Ort mit 1.400 Trulli-Häusern gebaut wird. Das Dorf Alberobello gab es zwar schon zuvor, aber die beiden Stadtteile Rion Monta und Aja Piccola kommen nun hinzu. Und das, ganz nach der Idee des Feudalherren Conte Aquaviva di Conversano, möglichst Steuer sparend. Der Feudalherr ist in dieser Region eingesetzt für das Königreich Neapel, welches im 15. Jahrhundert über Apulien regiert. Und dieses Königreich erhebt Steuern an den Feudalherren – und zwar für jedes Gebäude auf seinem Land. Gebäude mussten deswegen registriert werden und es gab regelmäßige Prüfungen. Der Feudalherr baute also schwarz und eine spezielle Siedlung für seine Landarbeiter entstand. Da ein Trullihaus leicht zusammenfällt – Es reicht das Entfernen des Schlussteins und etwas rohe Gewalt, um ein solches Haus in Windeseile in einen Steinhaufen zu verwandeln – war die Architektur optimal für dieses apulische Steuersparmodell.

Alberobello heute (Bild: Pixabay).
Rückt die Steuerprüfung herbei, werden die Kuppelhäuser zum Einsturz gebracht. Nach einer Inspektion ist es dann möglich, die Steinhaufen wieder in Häuser zurückzuverwandeln. Der Ort mit den niedlichen Häusern, die irgendwie alle aussehen, als würden sie Zipfelmützen tragen, wächst ab dem Mittelalter immer weiter. Besonders in der Zeit um 1629 als, durch eine Mühle und eine Bäckerei, neue Arbeitsplätze in Alberobello entstehen. In dieser Zeit werden auch die ältesten bis heute erhaltenen Trullihäuser des Ortes gebaut. 3.500 Menschen leben in der Zeit um 1797 auf diese Weise. Und sie sind heilfroh als Alberobello endlich zu einer königlichen Stadt ernannt wird. Durch das Stadtrecht können sie nun endlich sicher sein, dass sie ihre Häuser nicht bei der nächsten Steuerprüfung wieder einreißen müssen. Ab jetzt werden Trullihäuser also befestigt und ausgebaut. Die ersten Kalkbemalungen der Gebäude entstehen. Die Häuser bekommen erstmals ihr heute typisches Aussehen. Dazu gehört auch: Die Dächer werden mit Symbolen bemalt. Das können christliche oder auch heidnische Symbole sein. Sie sollen das Böse abhalten.

Die Symbole auf den Dächern sollen das Böse abwehren (Bild: Pixabay).
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts, hätte niemand gesagt, dass diese Häuser etwas Besonderes sind. Sie galten als alte Armenhäuser. Erst nach und nach entwickelte sich ein Verständnis dafür, dass es sich um eine besondere Architektur mit einer besonderen Geschichte handelt. Seit 1996 gehören die Trulli-Häuser deswegen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und das ist Fluch und Segen. Die Menschen verlassen die unbequemen Häuser, mit den dicken Wänden und den wenigen Fenstern. Sie hübschen sie auf und vermieten Sie an Ferientouristen, die sich von einer Nacht in einem Trullihaus in einmaliges Erlebnis versprechen. Ein Erlebnis, welches zugegeben, auch auf meiner to Do-Liste steht. Das kleine Abenteuer hat aber auch einen Nachteil. Die Alten, die in diesen Häusern aufgewachsen sind, bleiben Zurück an einem Ort, der langsam ausstirbt und zu einer reinen Touristenkulisse verkommt. Das echte Leben verschwindet aus den Gassen von Alberobello. Am Ende steht, in ihrer ganzen Geschichte waren und sind Trullihäuser wunderschön, aber auch irgendwie traurig.
Anmerkung:
Dieser Beitrag entstand für den Miss Jones Adventskalender 2020. Aufgrund der Corona-Einschränkungen ein Adventskalender, der zum Träumen über fremde Orte anregen soll. Eine Vorfreude auf die Zeit nach der Pandemie. Ich stelle hier ausschließlich Orte vor, an denen ich noch nicht war, wo ich aber gerne einmal hin möchte.
Literatur:
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=ghl-003:1956:11::404
https://whc.unesco.org/en/list/787/
https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2006/4/weinbergshaeuschen-der-besonderen-art.php
https://www.dw.com/de/wohnen-im-trullo-in-italien/a-19518401
https://www.swr.de/schaetze-der-welt/alberobello/-/id=5355190/did=5980284/nid=5355190/2vxzyj/index.html
https://www.italia.it/de/italien-entdecken/apulien/poi/die-geschichte-der-trulli-von-alberobello.html
http://www.italia.it/de/reisetipps/unesco-staetten/die-trulli-von-alberobello.html
https://rp-online.de/leben/reisen/apulien-in-stein-gehauene-geschichte_aid-15014859
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